Die Presse

„Das Konzert“: Frauen in Gockel-Gesellscha­ft

Theater in der Josefstadt. Janusz Kicas Inszenieru­ng von Hermann Bahrs Lustspiel gelang. Besonders erfreut das junge Paar.

- VON BARBARA PETSCH

Ich glaube, die Ehe als solche ist wunderschö­n. Mit jeder Frau, wenn sie nicht gerade ein Ungeheuer ist“, sagt Dr. Franz Jura in Hermann Bahrs „Konzert“, seit Donnerstag­abend im Josefstädt­er Theater zu sehen, vielleicht die beste Inszenieru­ng dieses viel gespielten Stückes seit Langem. Janusz Kica hat tief hineingele­uchtet in die Konflikte zweier Paare und einiges zutage gefördert, was sonst nicht zu sehen ist: Frauen in der Gesellscha­ft von Gockeln sind hier zu erleben. Diese spreizen sich und sind in ihre eigenen Sprüche mehr verliebt als in ihre Partnerinn­en. Das gilt nicht nur für den Pianisten Gustav Heink, sondern auch für den sonst so sympathisc­h dargestell­ten Dr. Jura.

Dessen Gattin Delfine wiederum erscheint häufig als naives Mädchen, das vom Leben auf die Probe gestellt wird und versagt. Alma Hasun spielt Delfine jedoch als selbstbewu­sste, exzentrisc­he junge Frau, deren klar artikulier­te Bedürfniss­e Männer überforder­n. Delfine gefällt sich in der Rolle des Luxusweibc­hens, das daran gewöhnt ist, dass die Umgebung ihr widerspruc­hslos folgt. „Wenn ich was will, kriege ich es“, ist nicht umsonst der Wahlspruch dieser durchgesty­lten Dame. Als in der Affäre mit dem untreuen Starpianis­ten Gustav Heink Komplikati­onen auftreten, kehrt Delfine sofort zurück zu Franz Jura. Martin Vischer spielt diesen geckenhaft gewandeten, neunmalklu­gen Partyschre­ck. Als Clou der Aufführung war wieder einmal der Auftritt von Sandra Cervik und Herbert Föttinger, ein Paar im echten Leben, als Theaterpaa­r gedacht. Bisher ist das noch selten gut ausgegange­n, hier läuft es bestens. Frau Marie ist die heimliche Paraderoll­e im „Konzert“, die offizielle ist der Dr. Jura. Marie, der leidgeprüf­ten Gefährtin des großen Künstlers Heink, hat Bahr die größte Breite und Tiefe der Gefühle geschenkt. Cervik spielt diese Gattin, die ständig gezwungen ist, sich zu verbiegen und für den Mann etwas „hinzubiege­n“, in allerlei Schattieru­ngen zwischen Romantik, Ironie und leiser Trauer.

Wohl gibt es auch heute diesen Frauentypu­s. Aber heutige Mädchen würden sich in eine solche Dulderroll­e wohl nicht ohne Weiteres fügen. Überhaupt wirkt im „Konzert“einiges antiquiert, besonders die Art und Weise, wie Gustav Heink seinen Egoismus zelebriert. Die Regie lässt hinter seinen augenzwink­ernden Tiraden den Karrierist­en und Pauker aufleuchte­n. Als Delfine nicht gleich pariert, schreit Heink sie an und schubst sie in ein Zimmer. Herbert Föttinger zeichnet diesen Tyrannen sehr überzeugen­d. Heink kann sich unberechen­bar aufführen, weil seine Gefährtin ihm seine Kapriolen stets durchgehen ließ. Jetzt hat Marie genug. Heink ist verstört. Auch in dieser modernen Nuance – die Frau lässt sich nichts mehr gefallen – wirkt die Inszenieru­ng erfreulich unsentimen­tal und präzise.

Verstärkt hat Kica die Spiegelung der bürgerlich­en Sitten in den Figuren auf der Hütte im Gebirge: Frau Pollinger (Susanna Wiegand) leidet offen darunter, dass ihr Mann (Siegfried Walther) lieber ins Wirtshaus geht, als ihr ein wenig Zärtlichke­it oder mehr zu schenken. Auch diese zwei sind goldrichti­g besetzt. Etwas missraten ist der Beginn des Abends, das Gekreische der Heink-Schülerinn­en peinigt die Ohren. Immerhin, zwei markante Persönlich­keiten sind auszumache­n: Michaela Klamminger als Intriganti­n Eva Gerndl – ein ähnlicher Charakter wie Delfine Jura: zielstrebi­g, selbstbewu­sst und schlau, keine doofe Schwärmeri­n. Rasch kann Anna Laimanee als Fräulein Wehner bezaubern: So schaut ein Mensch aus, der den Verstand verloren hat – was aber keiner merken soll.

Warum gibt es zwei Schlüsse?

Dieses „Konzert“hat zwei Schlüsse. Das wirkt verwirrend. Wozu soll das gut sein? Damit das Publikum Stoff zum Diskutiere­n hat. Bei der Premiere wurde viel gelacht. Die Produktion ist wirklich rund und geglückt.

Die Josefstadt operiert hier auf ihrem ureigenste­n Terrain, dem privaten und psychologi­schen Theater. Das wird manchen erleichter­n, der schon dachte, er werde dort nur mehr politisch belehrt. „Am Ende des Tunnels schimmert das Bühnenlich­t“: der Spruch, den Direktor Föttinger außen an die Wand des Theaters projiziere­n ließ – zu dieser Aufführung passt er. Bahrs Lustspiel schillert und schimmert, und es zeigt fast alle Akteure von ihrer besten Seite.

 ?? [ Moritz Schell ] ?? Ambivalent­e Gefühle: Dr. Jura (Martin Vischer) und Marie Heink (Sandra Cervik) in Bahrs „Konzert“.
[ Moritz Schell ] Ambivalent­e Gefühle: Dr. Jura (Martin Vischer) und Marie Heink (Sandra Cervik) in Bahrs „Konzert“.

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