Zufriedenheit macht sich breit
Burgenland. Früher Arbeitsplatz, heute heimelige Unterkunft in den Weinbergen: Die Kellerstöckl im Südburgenland sind begehrt. Idyllisch gelegen und kulinarisch super versorgt.
Ganz allein steht es da, mitten im Grünen, in leichter Hanglage, eingerahmt von Wiesen, Wald und Obstbäumen. Dahinter liegen schon die Weingärten, vorn hinaus schweift der Blick über eine weite Ebene. „Da seht ihr schon Ungarn“, sagt die Hausherrin, die das Kellerstöckl an ihre Gäste übergibt. Der lang gehegte Wunsch, einmal in einem dieser traditionellen, meist komfortabel umgebauten Weinhäuser mitten in einem der schönsten und besten Weingebiete Österreichs Urlaub zu machen, hat sich erfüllt.
2300 Kellerstöckl gibt es im Südburgenland – von Rechnitz über Eisenberg, Eberau, Moschendorf bis Heiligenbrunn, die einen fast aufgefädelt entlang der Weinhänge, manche gruppiert in ganzen Kellervierteln oder auch vereinzelt oder abgelegen stehend.
Petrolgrüne Fensterläden
Sie scheinen mit der Landschaft verwachsen zu sein – landwirtschaftlich genutzten Ebenen, kleinen Dörfern, Waldgebieten und von mit Weinrieden bedeckten Hügellandschaften, die insbesondere Rebsorten wie Blaufränkisch, Welschriesling oder auch Uhudler bestens gedeihen lassen. Mit „Weinidylle“wird hier geworben.
Die Kellerstöckl wurden direkt in die Hänge der Weingärten hineingebaut und dienten einst den Weinbauern als Presshäuser, Weinkeller und Lager. Um sich den Heimweg ins Dorf zu ersparen, wurde ein ebenerdiger Raum auch gerne ein wenig häuslich und zum Übernachten, wohl auch manchmal zum Ausnüchtern eingerichtet. Mit der Veränderung der Weinwirtschaft blieben viele Stöckl, die teilweise mit Stroh oder mit Schindeln gedeckt waren, bald ungenutzt.
Aber das hat sich geändert: Viele Besitzer haben mittlerweile ihre Keller in schmucke kleine Häuschen mit Terrassen und Lauben, mit Blumen und Gemüsebeeten, hier rustikal, dort architektonisch durchdesignt umgebaut – entweder um hier gemütliche Wochenenden oder Sommerabende zwischen Weinreben und Obstbäumen zu verbringen. Oder um sie als Ferienwohnungen zu vermieten. Manche stehen noch leer oder dienen als Museum, Vinothek oder Ausschank, etliche scheinen aber auch dem Verfall preisgegeben worden zu sein. „Unser“Kellerstöckl in Eberau, eines von 400 in der Gemeinde, ist bestens in Schuss. „Der Urgroßvater meines Mannes hat es 1926 gebaut“, erzählt Manuela Weber. Die Besitzerfamilie hat sich alle Mühe gemacht, das Gebäude auf Vordermann zu bringen. Lange Jahre stand es einem Jagdpächter zur Verfügung, 2002 wurde es schließlich umgebaut und danach zur Vermietung angeboten. Ein Teil des Hauses ist außen weiß gekalkt, ein Teil mit dunklen Holzbrettern verschlagen, die Fensterläden sind petrolgrün gestrichen.
„Die Fensterläden hat der Tischler originalgetreu gezimmert.“Eingerichtet ist es liebevoll und praktisch, die Holzmöbel wurden ebenfalls vom Tischler gemacht, alte Bilder, Gefäße, kleine Details machen es gemütlich und wohnlich. Küche, ein großer Esstisch, Couch, ein geräumiges Schlafzimmer, ein Badezimmer, Heizung, womit das Haus auch in der kälteren Jahreszeit bewohnbar ist, ein Schwedenofen, der jederzeit von den Gästen angeheizt werden kann – alles da, um einige Zeit in Eigenversorgung zu verbringen.
Im Schrank warten auch ein paar gute Flaschen Wein und Uhudler-Frizzante auf die Gäste, die so für den ersten Durst oder Gusto gerüstet sind. Nach Einweisung in den Hausbrauch und hilfreichen Tipps, wo man in der Gegend gut essen, trinken – bodenständig, oder auch etwas exklusiver – oder einkaufen kann, sind die Gäste auf sich allein gestellt.
„Derzeit werden etwa 100 Kellerstöckl vermietet“, erzählt Johann Weber, Obmann von „Naturpark Weinidylle“. Das Ziel für die Region wäre etwa 300. Als Produktionsstätten haben sie ihren Sinn verloren, vermietet sind sie ein kleines wirtschaftliches Zubrot. „Und das trägt dazu bei, dass die Kellerstöckl erhalten bleiben. Sie sind für die Region ein typisches Landschaftselement.“
Ideale Topografie für Radler
Die touristische Nachfrage in der Region sei in diesem Sommer so hoch wie nie gewesen, noch nie hätte man auch so viele Radfahrer gesehen. Mehr Touristen sind durchaus noch erwünscht, „so schnell ist es bei uns nicht überlaufen“, sagt er. „Wir bieten sanften Tourismus, Natur, viele Buschenschenken und Gasthäuser. Wir haben keine Berge – ideale Bedingungen für Radfahrer.“
Dass die Kellerstöckl mitten in der Natur, aber in Dorfnähe liegen, ist auch ein Vorteil: „In wenigen Minuten ist man im Dorf, im Gasthaus, Kaufhaus oder Kaffeehaus und hat alles, was man braucht.“
Der Nachfrage nach Selbstvermarktungsläden der landwirtschaftlichen Produkte oder auch nach kleinen Labungsstationen in den Kellergassen möchte man in Zukunft noch verstärkt entgegenkommen. Die Häuser sind begehrt. Die meisten befinden sich in Familienbesitz, etwa zehn bis 15 Prozent der Häuser gehören auch „Nichtburgenländern“. Kommt eines auf den Markt, ist es schnell vergeben, sagt Johann Weber. „Jetzt kaufen auch viele Einheimische – sie sind draufgekommen, welches Juwel ein Kellerstöckl ist.“In Zeiten, da Freiraum und ein Platz im Grünen gefragt sind, kommt dieser Art von Wohnen eine neue Bedeutung zu.
Im Gegensatz zu städtischen Gartensiedlungen gibt es zwischen den Kellerstöckln keine Zäune, die Grundstücke gehen von einem ins andere über. „Es regt sich niemand auf, wenn jemand durchspaziert“, erzählt eine Nichtburgenländerin, glückliche Besitzerin und Teilzeitbewohnerin eines Kellerstöckls. Dass die Nachfrage nach den Häuserln wächst und die Eigentümer und Gäste besonders in diesem Jahr mehr Zeit hier verbringen, hat auch sie wahrgenommen. „Früher war oft gar nichts los, man konnte auch nackt in den Garten gehen. Das geht jetzt nicht mehr.“Sie genießt dennoch ihr Idyll zwischen den Trauben, ein Glaserl Wein mit den Nachbarn oder einfach die Ruhe, ihrer Arbeit nachzugehen oder Haus und Garten zu pflegen.
Draußen vor dem Haus ist es am Abend ruhig, niemand kommt vorbei oder spaziert durch den Garten, manchmal ist ein Auto von der Landstraße zu hören. Vom Nachbargrundstück hört man Schweine grunzen, in irgendeinem Garten in der Nähe wird gefeiert, nur entfernt sind Stimmen und Musik zu hören, Grillen zirpen. Die Sterne blinzeln viel klarer als in der Stadt. So ruhig, beschaulich, idyllisch, romantisch die Gegend ist – die Tage verlaufen schneller als erwartet.
Die Erkundung der Kellergassen, von Schlössern, Wanderungen durch die Weinberge und Wälder, vorbei an Bächen, die Verkostung von Weinen und kulinarischen Köstlichkeiten in den Buschenschänken, Bäckereien und Restaurants, Plaudern mit den Einheimischen oder den wenigen Touristen lassen die Zeit schnell vergehen. Noch ein Glas Rotwein auf den Stufen zum Hauseingang – Zufriedenheit macht sich breit.