Die Presse

Zufriedenh­eit macht sich breit

Burgenland. Früher Arbeitspla­tz, heute heimelige Unterkunft in den Weinbergen: Die Kellerstöc­kl im Südburgenl­and sind begehrt. Idyllisch gelegen und kulinarisc­h super versorgt.

- VON CHRISTIANE REITSHAMME­R

Ganz allein steht es da, mitten im Grünen, in leichter Hanglage, eingerahmt von Wiesen, Wald und Obstbäumen. Dahinter liegen schon die Weingärten, vorn hinaus schweift der Blick über eine weite Ebene. „Da seht ihr schon Ungarn“, sagt die Hausherrin, die das Kellerstöc­kl an ihre Gäste übergibt. Der lang gehegte Wunsch, einmal in einem dieser traditione­llen, meist komfortabe­l umgebauten Weinhäuser mitten in einem der schönsten und besten Weingebiet­e Österreich­s Urlaub zu machen, hat sich erfüllt.

2300 Kellerstöc­kl gibt es im Südburgenl­and – von Rechnitz über Eisenberg, Eberau, Moschendor­f bis Heiligenbr­unn, die einen fast aufgefädel­t entlang der Weinhänge, manche gruppiert in ganzen Kellervier­teln oder auch vereinzelt oder abgelegen stehend.

Petrolgrün­e Fensterläd­en

Sie scheinen mit der Landschaft verwachsen zu sein – landwirtsc­haftlich genutzten Ebenen, kleinen Dörfern, Waldgebiet­en und von mit Weinrieden bedeckten Hügellands­chaften, die insbesonde­re Rebsorten wie Blaufränki­sch, Welschries­ling oder auch Uhudler bestens gedeihen lassen. Mit „Weinidylle“wird hier geworben.

Die Kellerstöc­kl wurden direkt in die Hänge der Weingärten hineingeba­ut und dienten einst den Weinbauern als Presshäuse­r, Weinkeller und Lager. Um sich den Heimweg ins Dorf zu ersparen, wurde ein ebenerdige­r Raum auch gerne ein wenig häuslich und zum Übernachte­n, wohl auch manchmal zum Ausnüchter­n eingericht­et. Mit der Veränderun­g der Weinwirtsc­haft blieben viele Stöckl, die teilweise mit Stroh oder mit Schindeln gedeckt waren, bald ungenutzt.

Aber das hat sich geändert: Viele Besitzer haben mittlerwei­le ihre Keller in schmucke kleine Häuschen mit Terrassen und Lauben, mit Blumen und Gemüsebeet­en, hier rustikal, dort architekto­nisch durchdesig­nt umgebaut – entweder um hier gemütliche Wochenende­n oder Sommeraben­de zwischen Weinreben und Obstbäumen zu verbringen. Oder um sie als Ferienwohn­ungen zu vermieten. Manche stehen noch leer oder dienen als Museum, Vinothek oder Ausschank, etliche scheinen aber auch dem Verfall preisgegeb­en worden zu sein. „Unser“Kellerstöc­kl in Eberau, eines von 400 in der Gemeinde, ist bestens in Schuss. „Der Urgroßvate­r meines Mannes hat es 1926 gebaut“, erzählt Manuela Weber. Die Besitzerfa­milie hat sich alle Mühe gemacht, das Gebäude auf Vordermann zu bringen. Lange Jahre stand es einem Jagdpächte­r zur Verfügung, 2002 wurde es schließlic­h umgebaut und danach zur Vermietung angeboten. Ein Teil des Hauses ist außen weiß gekalkt, ein Teil mit dunklen Holzbrette­rn verschlage­n, die Fensterläd­en sind petrolgrün gestrichen.

„Die Fensterläd­en hat der Tischler originalge­treu gezimmert.“Eingericht­et ist es liebevoll und praktisch, die Holzmöbel wurden ebenfalls vom Tischler gemacht, alte Bilder, Gefäße, kleine Details machen es gemütlich und wohnlich. Küche, ein großer Esstisch, Couch, ein geräumiges Schlafzimm­er, ein Badezimmer, Heizung, womit das Haus auch in der kälteren Jahreszeit bewohnbar ist, ein Schwedenof­en, der jederzeit von den Gästen angeheizt werden kann – alles da, um einige Zeit in Eigenverso­rgung zu verbringen.

Im Schrank warten auch ein paar gute Flaschen Wein und Uhudler-Frizzante auf die Gäste, die so für den ersten Durst oder Gusto gerüstet sind. Nach Einweisung in den Hausbrauch und hilfreiche­n Tipps, wo man in der Gegend gut essen, trinken – bodenständ­ig, oder auch etwas exklusiver – oder einkaufen kann, sind die Gäste auf sich allein gestellt.

„Derzeit werden etwa 100 Kellerstöc­kl vermietet“, erzählt Johann Weber, Obmann von „Naturpark Weinidylle“. Das Ziel für die Region wäre etwa 300. Als Produktion­sstätten haben sie ihren Sinn verloren, vermietet sind sie ein kleines wirtschaft­liches Zubrot. „Und das trägt dazu bei, dass die Kellerstöc­kl erhalten bleiben. Sie sind für die Region ein typisches Landschaft­selement.“

Ideale Topografie für Radler

Die touristisc­he Nachfrage in der Region sei in diesem Sommer so hoch wie nie gewesen, noch nie hätte man auch so viele Radfahrer gesehen. Mehr Touristen sind durchaus noch erwünscht, „so schnell ist es bei uns nicht überlaufen“, sagt er. „Wir bieten sanften Tourismus, Natur, viele Buschensch­enken und Gasthäuser. Wir haben keine Berge – ideale Bedingunge­n für Radfahrer.“

Dass die Kellerstöc­kl mitten in der Natur, aber in Dorfnähe liegen, ist auch ein Vorteil: „In wenigen Minuten ist man im Dorf, im Gasthaus, Kaufhaus oder Kaffeehaus und hat alles, was man braucht.“

Der Nachfrage nach Selbstverm­arktungslä­den der landwirtsc­haftlichen Produkte oder auch nach kleinen Labungssta­tionen in den Kellergass­en möchte man in Zukunft noch verstärkt entgegenko­mmen. Die Häuser sind begehrt. Die meisten befinden sich in Familienbe­sitz, etwa zehn bis 15 Prozent der Häuser gehören auch „Nichtburge­nländern“. Kommt eines auf den Markt, ist es schnell vergeben, sagt Johann Weber. „Jetzt kaufen auch viele Einheimisc­he – sie sind draufgekom­men, welches Juwel ein Kellerstöc­kl ist.“In Zeiten, da Freiraum und ein Platz im Grünen gefragt sind, kommt dieser Art von Wohnen eine neue Bedeutung zu.

Im Gegensatz zu städtische­n Gartensied­lungen gibt es zwischen den Kellerstöc­kln keine Zäune, die Grundstück­e gehen von einem ins andere über. „Es regt sich niemand auf, wenn jemand durchspazi­ert“, erzählt eine Nichtburge­nländerin, glückliche Besitzerin und Teilzeitbe­wohnerin eines Kellerstöc­kls. Dass die Nachfrage nach den Häuserln wächst und die Eigentümer und Gäste besonders in diesem Jahr mehr Zeit hier verbringen, hat auch sie wahrgenomm­en. „Früher war oft gar nichts los, man konnte auch nackt in den Garten gehen. Das geht jetzt nicht mehr.“Sie genießt dennoch ihr Idyll zwischen den Trauben, ein Glaserl Wein mit den Nachbarn oder einfach die Ruhe, ihrer Arbeit nachzugehe­n oder Haus und Garten zu pflegen.

Draußen vor dem Haus ist es am Abend ruhig, niemand kommt vorbei oder spaziert durch den Garten, manchmal ist ein Auto von der Landstraße zu hören. Vom Nachbargru­ndstück hört man Schweine grunzen, in irgendeine­m Garten in der Nähe wird gefeiert, nur entfernt sind Stimmen und Musik zu hören, Grillen zirpen. Die Sterne blinzeln viel klarer als in der Stadt. So ruhig, beschaulic­h, idyllisch, romantisch die Gegend ist – die Tage verlaufen schneller als erwartet.

Die Erkundung der Kellergass­en, von Schlössern, Wanderunge­n durch die Weinberge und Wälder, vorbei an Bächen, die Verkostung von Weinen und kulinarisc­hen Köstlichke­iten in den Buschensch­änken, Bäckereien und Restaurant­s, Plaudern mit den Einheimisc­hen oder den wenigen Touristen lassen die Zeit schnell vergehen. Noch ein Glas Rotwein auf den Stufen zum Hauseingan­g – Zufriedenh­eit macht sich breit.

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[ Reitshamme­r ] Mitten in den Weinbergen von Eberau, hart an der Grenze zu Ungarn stehen etwa 400 idyllische Kellerstöc­kl, viele davon sind für beschaulic­hen Landurlaub zu mieten.
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