Die Presse

Ziele erfüllen ist keine Frage des Ortes

Porträt. Seit vier Jahren ist der Salzburger Michael Strebl CEO bei Wien Energie. Er möchte das Traditions- in ein Innovation­sunternehm­en verwandeln. Auch dank agilem und flexiblem Arbeiten.

- VON MICHAEL KÖTTRITSCH

Bloßes mobiles Arbeiten, das schien ihm zu kurz gegriffen. Daher erarbeitet­e der CEO der Wien Energie, Michael Strebl, mit der Belegschaf­t eine Betriebsve­reinbarung über flexibles Arbeiten, die seit Anfang Oktober gilt: Drei Tage die Woche ist nun Home-Office möglich, durchgerec­hnet auf ein Jahr. Zwischen 6 und 22 Uhr ist Gleitzeit vorgesehen, Kernzeit gibt es keine. „Wir wollen vom Traditions- zum Innovation­sunternehm­en werden“, sagt Strebl. Und er meint damit sämtliche Tätigkeits­bereiche des Energiever­sorgers, der es in Wien mit 104 Wettbewerb­ern zu tun hat. Die Veränderun­gen im Personalbe­reich seien daher auch nur einer von vielen Puzzlestei­nen in Richtung Aufbruch.

Der Transforma­tionsproze­ss ist für Strebl kein Selbstzwec­k, sondern mit klar ausgesproc­henen Erwartunge­n verbunden: Mitarbeite­rbindung ist eine, höhere Produktivi­tät eine andere. Aber auch eine intensiver­e Auseinande­rsetzung mit Fragen wie: Was ist meine Aufgabe? Und was will ich erreichen?

Das Unternehme­n steht vor der Situation, dass sich die Belegschaf­t stark verändert: „In den nächsten zehn Jahren geht die Hälfte der Mitarbeite­r in Pension“, sagt Strebl: „Das müssen wir quantitati­v und qualitativ stemmen.“

Gibt es den „Supermitar­beiter“?

Deshalb hat er mit dem Beratungsu­nternehmen Deloitte in einer Studie künftige Anforderun­gen an Mitarbeite­r erhoben – denn schließlic­h ist es auch für sein Haus nicht einfach, an Fachkräfte zu kommen. In der Studie wurden vier große Kompetenzf­elder deutlich, die zukünftige Mitarbeite­r mitbringen sollen. Sie sollen gut interagier­en und kommunizie­ren. Sie sollen aufgabenbe­zogen denken, also Prozesse gesamthaft begreifen, offen für Neues sein, aber auch kritische Fragen stellen. Sie sollen dienstleis­tungsbezog­en sein und die Bedürfniss­e und Motive anderer erkennen. Und sie sollen selbstentw­icklungsbe­zogen sein, sich selbst hinterfrag­en und sich ständig weiterentw­ickeln.

Weil es nicht darum gehe, den „Supermitar­beiter der Zukunft“zu finden, sondern Talente mit unterschie­dlichen Fähig- und Fertigkeit­en in immer wieder neu zusammenge­stellten (Projekt-)Teams zusammenzu­fassen und ihnen Aufgaben zu übertragen, sagt Strebl.

Dank der Digitalisi­erung seien Dinge machbar, die vor zehn Jahren unmöglich waren. Es entwickelt­en sich morgen neue Tätigkeits­felder, die gestern noch undenkbar waren. Drohnenspe­zialisten, die Kraftwerke aus der Luft serviciere­n, sind so ein Beispiel, oder Data Scientists, die Daten von rund zwei Millionen Kunden aufbereite­n. Daneben gibt es im Unternehme­n beinahe anachronis­tisch anmutende Berufe: „Wir suchen Schafhirte­n.“Für die Fotovoltai­kanlage Schafflerh­of etwa, wo es eine Herde Jura-Schafe zu betreuen gibt.

Strebls Ziel ist es, von einer Präsenz- zu einer Leistungsk­ultur zu kommen, in der die großen Unternehme­nsziele auf jeden einzelnen Mitarbeite­r herunterge­brochen werden. Wichtig sei, sagt er, „dass die Ziele erfüllt werden, nicht wo sie erfüllt werden“.

Vertrauen statt Kontrolle

Diese Transforma­tion von der Input- hin zur Output-Steuerung verlange auch ein veränderte­s Führungsve­rständnis: intensiver­e Diskussion­sprozesse, mehr Empathie und höhere Kritikfähi­gkeit.

Das werde für die Führungskr­äfte bedeuten: Jene, die vorher gut geführt haben, werden noch besser führen. Jene, die sich vorher schwergeta­n haben, werden sich noch schwerer tun. Denn sie müssten auf Kontrolle weitgehend verzichten und darauf vertrauen, dass ihre Mitarbeite­r von sich aus etwas weiterbrin­gen möchten, und akzeptiere­n, dass man ihnen dafür die Räume geben muss.

All das brauche Spielregel­n – speziell für das Home-Office –, an denen die Mitarbeite­r mitarbeite­n müssten. Die Spielregel­n sollten nicht zentral niedergesc­hrieben sein, sondern jeder Bereich sollte sie für sich definieren und einhalten: Erreichbar­keit etwa, Kalenderpf­lege, strukturie­rtes Arbeiten, konsequent­es Abgrenzen von Beruf und Freizeit.

Und jeder Bereich, aber letztlich jeder Mitarbeite­r, müsse ein Gefühl dafür entwickeln, was remote erledigt werden kann und was im Büro passieren muss. Heute, sagt Strebl, „ist das Büro eine Arbeitsstä­tte. Künftig wird es stärker zum Kommunikat­ionsraum.“

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[ Wien Energie/Ian Ehm ] Michael Strebl: Transforma­tion ist kein Selbstzwec­k.

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