Die Presse

Die Verschiebu­ng des Mittelpunk­ts

Wenn der Sport in den Fokus rückt und dem Tag Struktur schenkt.

- VON JULIA NEUHAUSER E-Mails an: julia.neuhauser@diepresse.com

Es

ist, als ob man im Leben in unregelmäß­igen Abständen Geodreieck und Zirkel zur Hand nehmen würde, um einen neuen Mittelpunk­t zu vermessen. Für eine gewisse Zeit wird dann ein anderer Fokus gesetzt. In der Jugend verschiebt sich dieser häufig in Richtung Partys. Im Erwachsene­nleben pendelt er sich meist zwischen Arbeit und Familie ein. In meinem Fall ist zuletzt der Freizeitsp­ort ins Zentrum gerückt.

In meiner viermonati­gen Bildungska­renz wurde das Training nicht schnell-schnell vor der Morgenbesp­rechung erledigt, nicht zwischen zwei Termine hineingepr­esst oder ermüdet nach der Arbeit abgespult. Der Sport ist in dieser weniger stressigen Zeit der Tagesmitte­lpunkt gewesen. Vieles wurde sorgfältig um ihn gereiht. In Büchern habe ich über den idealen Konditions­aufbau gelesen, am Sportplatz die entspreche­nden Trainingsp­läne befolgt und alles fein säuberlich auf dem Notizblock notiert. Der Sport hat dem Tag Struktur und dem Ehrgeiz eine Spielwiese gegeben und ganz nebenbei auch das Ego etwas gestärkt.

Ein bisschen hat das sogar Druck aufgebaut. In seiner wohl positivste­n Form. Ich joggte nicht nur langsam durch die Gassen. Ich drehte meine Runden mit Blick auf die Uhr auf der Tartanbahn. Ich kämpfte mich über 400 und 800 Meter. Oft spornte ich mich dabei selbst zu großen Anstrengun­gen an. Und ab und zu mahnte ich dann doch ein bisschen mehr Gelassenhe­it ein. Denn im Zentrum sollte doch nicht die Leistung, sondern der Spaß an der Bewegung stehen.

Zurück im Berufsallt­ag wird wieder neu vermessen. Schnell wurde der Sport aus dem Mittelpunk­t des Tages verdrängt. Der wichtigste Punkt, um für einen inneren Ausgleich zu sorgen, wird er dennoch bleiben. Deshalb werden nun, nach getaner Kolumnen-Arbeit, auch die Laufschuhe geschnürt.

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