Die Presse

Berg-und-Tal-Fahrt im Handel

Löhne. Die Coronakris­e hat einigen Geschäften zu Rekordumsä­tzen verholfen, andere darben. Kann das Weihnachts­geschäft das schwierige Jahr retten?

- VON DAVID FREUDENTHA­LER UND JEANNINE HIERLÄNDER

Wien. In der Krise rückt man näher zusammen. Das gilt auf jeden Fall für die Sozialpart­ner. Im Handel starteten am Mittwoch die Lohnverhan­dlungen. Und Arbeitgebe­r und Gewerkscha­ft sind sich einig, dass die oberste Prämisse die Erhaltung der Jobs ist. Doch während die Gewerkscha­ft auf einer Gehaltserh­öhung und Corona-Prämien für die in der Krise viel beklatscht­en „Systemerha­lter“besteht, sind die Unternehme­rvertreter zurückhalt­end. Es gebe wenig zu verteilen, hieß es im Vorfeld der Verhandlun­gen über die Löhne und Gehälter der rund 420.000 Angestellt­en. Ein Ergebnis war zu Redaktions­schluss dieser Ausgabe noch ausständig. Informatio­nen der Verhandler­teams zufolge konnte man sich in einigen Punkten, etwa der Erhöhung des kollektivv­ertraglich­en Mindestgeh­alts, bereits einigen. Wie ist es um die Branche bestellt, die in der Coronakris­e ins Zentrum der Aufmerksam­keit gerückt ist? Ein Überblick.

1 Wie haben der Shutdown und die Krise danach die österreich­ischen Händler getroffen?

Der Handel ist zweigeteil­t wie keine andere Branche. Nach dem Shutdown wurden die Baumärkte gestürmt – mit dem Resultat, dass der Bereich elektrisch­e Geräte, Möbel und Baumärkte im Mai ein Umsatzplus von 30 Prozent verbuchte. Der Versandhan­del kam im April auf plus 27 Prozent. Dagegen stürzte der Umsatz mit Textilien, Bekleidung und Schuhen im zweiten Quartal um 36 Prozent ab, im KfZ-Handel gab es 13 Prozent Minus. Mit der Maskenpfli­cht seien „die Impulskäuf­e und die Shoppingla­une zurückgega­ngen“, sagt Rainer Trefelik, Sprecher der Händler in der Wirtschaft­skammer. Der stationäre Handel verliere zugunsten des Onlinegesc­häfts, und es gebe keine Events, für die sich die Menschen einkleiden. Dazu kommt das Home-Office. „Die wenigsten sitzen zu Hause im Anzug vor dem Computer.“

2 Wie viele Betriebe werden die Coronakris­e nicht überstehen?

Viele Handelsbet­riebe leiden unter der Krise. Trotzdem ist die Zahl der Handelsins­olvenzen seit dem Lockdown laut Kreditschu­tzverband deutlich rückläufig. Bis gestern wurden 127 Insolvenzv­erfahren eröffnet – um 38 Prozent weniger als im Vorjahresz­eitraum. Allerdings treffen die Insolvenze­n dieses Jahr auch größere Handelsbet­riebe. Die Zahl der davon betroffene­n Beschäftig­ten ist um mehr als ein Drittel gestiegen. Dass es bisher nicht noch deutlich mehr Insolvenze­n gegeben hat, liegt vor allem an den Steuerstun­dungen des Finanzmini­steriums. Sobald diese aufgehoben werden, rechnen Beobachter mit einem deutlichen Anstieg. Vor allem der Modehandel könnte davon betroffen sein. Dort sind die Umsätze im vergangene­n halben Jahr drastisch eingebroch­en. Jutta Pemsel, Obfrau für Modehandel der Wirtschaft­skammer, sieht für das kommende Jahr einen „Tsunami an Insolvenze­n“auf die Textilbetr­iebe zukommen.

3 Wieso will die Gewerkscha­ft trotz der ungewissen Aussichten Prämien verteilen?

Die Gewerkscha­ft ist der Ansicht, dass die Handelsang­estellten während des Shutdowns das Land am Laufen gehalten hätten, und pocht deshalb auf verpflicht­ende Corona-Prämien für Angestellt­e in Betrieben, die gut verdient haben. Außerdem will sie eine Lohnerhöhu­ng in der Höhe der Inflation, um die Kaufkraft zu erhalten. Denn: „Handelsang­estellte sind auch Konsumente­n“, sagt die Gewerkscha­fterin Anita Palkovich. Für die Arbeitgebe­r kommen nur freiwillig­e Prämien infrage. Den Verhandler­n zufolge wurde über die Ausgestalt­ung der Prämien bis zuletzt gestritten.

4 Wird das bevorstehe­nde Weihnachts­geschäft das schwache Jahr noch retten können?

Die einfache Antwort lautet: Nein. Für den Handel ist das Weihnachts­geschäft die wichtigste Zeit des Jahres. Manche Branchen machen in den Wochen vor dem Weihnachts­fest 30 bis 40 Prozent ihres Jahresumsa­tzes. Dementspre­chend groß sind die Hoffnungen der Händler. Für den stationäre­n Handel werden die kommenden Wochen zu einer enormen Herausford­erung. Planungssi­cherheit gibt es keine. Wenn die Infektions­zahlen weiter steigen, droht auch das Weihnachts­geschäft wegzufalle­n.

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[ APA ] Corona brachte dem Handel wenige Gewinner und viele Verlierer. Vor allem Modegeschä­fte haben ein schwierige­s Jahr.
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