Berg-und-Tal-Fahrt im Handel
Löhne. Die Coronakrise hat einigen Geschäften zu Rekordumsätzen verholfen, andere darben. Kann das Weihnachtsgeschäft das schwierige Jahr retten?
Wien. In der Krise rückt man näher zusammen. Das gilt auf jeden Fall für die Sozialpartner. Im Handel starteten am Mittwoch die Lohnverhandlungen. Und Arbeitgeber und Gewerkschaft sind sich einig, dass die oberste Prämisse die Erhaltung der Jobs ist. Doch während die Gewerkschaft auf einer Gehaltserhöhung und Corona-Prämien für die in der Krise viel beklatschten „Systemerhalter“besteht, sind die Unternehmervertreter zurückhaltend. Es gebe wenig zu verteilen, hieß es im Vorfeld der Verhandlungen über die Löhne und Gehälter der rund 420.000 Angestellten. Ein Ergebnis war zu Redaktionsschluss dieser Ausgabe noch ausständig. Informationen der Verhandlerteams zufolge konnte man sich in einigen Punkten, etwa der Erhöhung des kollektivvertraglichen Mindestgehalts, bereits einigen. Wie ist es um die Branche bestellt, die in der Coronakrise ins Zentrum der Aufmerksamkeit gerückt ist? Ein Überblick.
1 Wie haben der Shutdown und die Krise danach die österreichischen Händler getroffen?
Der Handel ist zweigeteilt wie keine andere Branche. Nach dem Shutdown wurden die Baumärkte gestürmt – mit dem Resultat, dass der Bereich elektrische Geräte, Möbel und Baumärkte im Mai ein Umsatzplus von 30 Prozent verbuchte. Der Versandhandel kam im April auf plus 27 Prozent. Dagegen stürzte der Umsatz mit Textilien, Bekleidung und Schuhen im zweiten Quartal um 36 Prozent ab, im KfZ-Handel gab es 13 Prozent Minus. Mit der Maskenpflicht seien „die Impulskäufe und die Shoppinglaune zurückgegangen“, sagt Rainer Trefelik, Sprecher der Händler in der Wirtschaftskammer. Der stationäre Handel verliere zugunsten des Onlinegeschäfts, und es gebe keine Events, für die sich die Menschen einkleiden. Dazu kommt das Home-Office. „Die wenigsten sitzen zu Hause im Anzug vor dem Computer.“
2 Wie viele Betriebe werden die Coronakrise nicht überstehen?
Viele Handelsbetriebe leiden unter der Krise. Trotzdem ist die Zahl der Handelsinsolvenzen seit dem Lockdown laut Kreditschutzverband deutlich rückläufig. Bis gestern wurden 127 Insolvenzverfahren eröffnet – um 38 Prozent weniger als im Vorjahreszeitraum. Allerdings treffen die Insolvenzen dieses Jahr auch größere Handelsbetriebe. Die Zahl der davon betroffenen Beschäftigten ist um mehr als ein Drittel gestiegen. Dass es bisher nicht noch deutlich mehr Insolvenzen gegeben hat, liegt vor allem an den Steuerstundungen des Finanzministeriums. Sobald diese aufgehoben werden, rechnen Beobachter mit einem deutlichen Anstieg. Vor allem der Modehandel könnte davon betroffen sein. Dort sind die Umsätze im vergangenen halben Jahr drastisch eingebrochen. Jutta Pemsel, Obfrau für Modehandel der Wirtschaftskammer, sieht für das kommende Jahr einen „Tsunami an Insolvenzen“auf die Textilbetriebe zukommen.
3 Wieso will die Gewerkschaft trotz der ungewissen Aussichten Prämien verteilen?
Die Gewerkschaft ist der Ansicht, dass die Handelsangestellten während des Shutdowns das Land am Laufen gehalten hätten, und pocht deshalb auf verpflichtende Corona-Prämien für Angestellte in Betrieben, die gut verdient haben. Außerdem will sie eine Lohnerhöhung in der Höhe der Inflation, um die Kaufkraft zu erhalten. Denn: „Handelsangestellte sind auch Konsumenten“, sagt die Gewerkschafterin Anita Palkovich. Für die Arbeitgeber kommen nur freiwillige Prämien infrage. Den Verhandlern zufolge wurde über die Ausgestaltung der Prämien bis zuletzt gestritten.
4 Wird das bevorstehende Weihnachtsgeschäft das schwache Jahr noch retten können?
Die einfache Antwort lautet: Nein. Für den Handel ist das Weihnachtsgeschäft die wichtigste Zeit des Jahres. Manche Branchen machen in den Wochen vor dem Weihnachtsfest 30 bis 40 Prozent ihres Jahresumsatzes. Dementsprechend groß sind die Hoffnungen der Händler. Für den stationären Handel werden die kommenden Wochen zu einer enormen Herausforderung. Planungssicherheit gibt es keine. Wenn die Infektionszahlen weiter steigen, droht auch das Weihnachtsgeschäft wegzufallen.