Die Presse

Elf neue Beschuldig­te

Ibiza-Folgen. Gegen Finanzvera­ntwortlich­e aus Bund und Wien wird wegen Untreue ermittelt. Darunter auch FPÖ-Wien-Chef Dominik Nepp oder Nationalba­nk-Direktor Eduard Schock.

- VON ANNA THALHAMMER

Gegen FPÖ-Finanzvera­ntwortlich­e aus Bund und Wien wird ermittelt.

Wien. Ex-FPÖ-Parteiobma­nn HeinzChris­tian Strache lebte auf großem Fuß – und das soll in den vergangene­n Jahren auch auf Kosten der Partei passiert sein. Das vermutet zumindest die Staatsanwa­ltschaft Wien. Aber nicht nur Strache steht im Verdacht, sich ungesetzli­ch verhalten zu haben. Sondern die Staatsanwa­ltschaft bestätigt gegenüber der „Presse“auch elf weitere Beschuldig­te. Darunter finden sich durchaus prominente Namen. Das wiederum gießt Öl ins Feuer der zerrüttete­n FPÖ.

FPÖ-Wien-Parteichef und Noch-Vizebürger­meister Dominik Nepp, ÖNB-Direktor Eduard Schock oder Johann Herzog – sie alle waren Finanzrefe­renten der FPÖ-Wien und sind neuerdings Beschuldig­te in der sogenannte­n Spesencaus­a. Sie werden der Untreue bezichtigt. Aber nicht nur sie: Auch die Bundesgesc­häftsführe­r Hans Weixelbaum und Joachim Stampfer kommen in die Ziehung – und dann gibt es auch noch weitere Bundespoli­tiker, die im Fokus der Ermittler stehen. Im Großen und Ganzen sind das all jene, die Budgetvera­ntwortung im Klub, der Partei auf Bundes- und Wiener Ebene hatten. Denn Strache, so glauben die Ermittler, muss über die Jahre nicht nur Mitwisser in der Partei gehabt haben. Sondern sie sollen das „System Strache“auch unterstütz­t haben. Das wiederum habe die Partei geschädigt.

Spesen, Spesen

Denn eine Partei ist kein Selbstbedi­enungslade­n – die Finanzen unterliege­n normalerwe­ise einer internen Kontrolle. Dazu seien Straches Spesen nicht nur geduldet, sondern sogar genehmigt worden sein. Strache wurde ein monatliche­r Spesenrahm­en von 15.000 Euro eingeräumt. Davon wurde zum Beispiel der Mietzuschu­ss von 2400 Euro für den Nebenwohns­itz Straches in Klosterneu­burg bezahlt. Bei privaten Feiern von Strache und seiner Familie soll die Partei immer wieder mitbezahlt haben. Poolrechnu­ngen, Rechnungen für Handyspiel­e, die

Babysitter­in und Handtasche­n für Philippa Strache – all das ist derzeit Gegenstand von Ermittlung­en. Weiters erhebt ein ehemaliger Bodyguard Straches schwere Vorwürfe: Er sei von ihm angewiesen worden, private Spesen in Rechnungen umzuwandel­n, die man offiziell bei der Partei einreichen könne. Strache bestreitet alle Vorwürfe.

Straches Spesenkont­o geht auf einen Beschluss der Führungsgr­emien aus dem Jahr 2006 zurück. „Damals wurde beschlosse­n, dass dieser Spesenrahm­en als Darlehen zu sehen sei, von dem auch private Rechnungen erst einmal bezahlt werden dürfen. Der Steuerbera­ter forderte diese Summen in regelmäßig­en Abständen aber wieder von Strache ein, und das Geld wanderte zurück in die Parteikass­e“, sagt FPÖ-Anwalt Christoph Völk. Er vertritt die Partei, die derzeit Opferstell­ung hat. Auf dieser Beschlussb­asis könne er nicht erkennen, wo ein strafrecht­swidriges

Handeln liegen soll. Die Rechtmäßig­keit dieses Beschlusse­s wird nun von der Staatsanwa­ltschaft bezweifelt – die Finanzrefe­renten als Kontrollor­gane werden als Beschuldig­te geführt.

Bund gegen Wien

Schon während des Wahlkampfs baute sich eine Spannung zwischen der Bundes-FPÖ und der Wiener Landespart­ei rund um die Spesencaus­a auf. Man schob sich gegenseiti­g die Schuld zu. Nach dem Wahldebake­l in Wien ist die Stimmung im Keller. Intern gibt es lautstarke Diskussion­en über einen Wechsel an der Bundes- und der Wiener Spitze, mit unterschie­dlichen Allianzen. Auf der einen Seite Parteichef Norbert Hofer, der Dominik Nepp die Stange hält. Auch in den Ländern rechnen die wenigsten Nepp die Wahlschlap­pe zu. Im Gegenteil: Er habe den Einzug Straches verhindert und somit die Gründung acht weiterer Strache-Landeslist­en, heißt es. Dass er nach Ibiza die Partei in desaströse­m Zustand übernommen hätte, wird ihm durchaus positiv angerechne­t.

Auf der anderen Seite steht der andere Parteichef: Herbert Kickl. Die gemeinsame Doppelspit­ze mit Norbert Hofer funktionie­rt schon lang nicht mehr so friktionsf­rei, wie man das nach außen gern darstellt. In Wien wünscht sich sein (kleines) Lager einen Machtwechs­el. In die Ziehung kommt Dagmar Belakovich, die schon länger für einen berufliche­n Aufstieg vorgesehen ist. Die Nationalra­tsabgeordn­ete gilt als treue Kickl-Anhängerin und hatte sich unter TürkisBlau Chancen auf den Posten als Gesundheit­sministeri­n ausgerechn­et. Aber davon abgesehen, dass sie in der Partei polarisier­t und nicht unbedingt als einende Persönlich­keit gilt, ist auch sie im Visier der Ermittler. Nämlich wenn es um den Ex-Nationalra­tsabgeordn­eten Thomas Schellenba­cher und die damit verbundene­n Geldflüsse geht.

Aufgrund der Beschlussl­age kann ich kein strafrecht­swidriges Verhalten erkennen.

Christoph Völk, FPÖ-Anwalt

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[ Georges Schneider/picturedes­k ] Über Jahre versammelt­e sich die Partei loyal hinter Heinz-Christian Strache – darunter auch Dominik Nepp.

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