Wie eine Haarlocke von Papst Johannes Paul II. in den Stephansdom kam
Reliquie. Im Dom ist fortan eine Haarsträhne zu sehen. Dompfarrer Faber sieht eine neue Bedeutung von Reliquien.
Wien. Ein Teil des Beckenknochens des im 11. Jahrhundert lebenden Heiligen Leopolds oder ein Sarg mit den Gebeinen des Heiligen Valentins: Sie zählen zu den bedeutendsten der Reliquien, die der Domschatz zu St. Stephan zählt. Und seit kurzem ist die Dompfarre um ein bedeutendes Stück reicher: Eine Haarlocke des 2005 verstorbenen Papstes Johannes Paul II. Diese wurde am Mittwochabend in einem Gottesdienst gesegnet.
Die Haare befinden sich in einer eineinhalb Zentimeter großen Kapsel, diese ist in den Griff eines von Künstler Bernd Fasching gestalteten päpstlichen Schlüssel eingearbeitet und ist nun (hinter Glas) im Dom zu sehen. Mit dem Schlüssel sei ein guter Weg gefunden worden, die Reliquie zu zeigen. „Wir haben lange überlegt, wie wir die Haarreliquie präsentieren können. So eine kleine Locke läuft ja Gefahr, übersehen oder gestohlen zu werden“, erzählt Dompfarrer Toni Faber. Schließlich befindet sich die Reliquie des 2014 von Papst Franziskus heilig gesprochenen Papstes schon seit vorigem Jahr im Besitz der Dompfarre.
Wie kommt man im 21. Jahrhundert zu Reliquien? Im Fall dieser Haare war es fast ein Zufall, erzählt Faber. Bei einer Segnung von Zimmerkreuzen im Spital SMZ Ost traf Faber auf die Krankenschwester Agatha Wisniowska. „Sie sagte zu mir, Herr Pfarrer, wenn Sie eine Reliquie wollen: Ich bin mit Mieczysław Mokrzycki zur Schule gegangen, dem Sekretär von Johannes Paul II. und gut mit ihm befreundet.“Mokrzycki war 1996 bis 2005 Sekretär des Papstes und ist mittlerweile Erzbischof von Lemberg – tatsächlich kam binnen kurzer Zeit eine feierliche Übergabe der Reliquie zustande.
Mokrzycki habe die Haare selbst entnommen, sagt Faber. Auch sei die Reliquie vom nunmehrigen Erzbischof per Siegel bestätigt – dementsprechend groß sei ihr ideeller Wert, so der Dompfarrer. Der überhaupt eine neue Bedeutung der Reliquien, der Überreste vom Körper Heiliger oder von Gegenständen, die mit diesen im Zusammenhang standen, sieht. Schließlich gab es für deren Bedeutung lange kaum Verständnis.
„Für Herzog Rudolph IV., den Stifter, war der Reliquienschatz des Domes von höchster Bedeutung“, sagt Faber. Rudolph war auch Begründer der Reliquiensammlung von St. Stephan. Schließlich waren zu seiner Lebenszeit, 1339 bis 1365, wie im gesamten Mittelalter Reliquien für Gläubige von hoher Bedeutung, sie suchten bei diesen Kraft und Trost. 1502 wurde das so genannte „Heiltumsbuch“von St. Stephan herausgegeben, manche darin verzeichnete Reliquien befinden sich noch heute im Dom, etwa ein Stück vom Tischtuch des Letzten Abendmahles.
„Die Bedeutung von Reliquien ist uns seit den Sechzigerjahren leider etwas abhanden gekommen. Aber nun trauen wir uns wieder sie zu zeigen, wir sind stolz darauf, das ist eine schöne Erinnerung“, sagt Faber. Entsprechend prominent ist die neue Reliquie fortan zu sehen: Betritt man den Dom durch das Riesentor, kommt man rechterhand zum Maria Pocs´ Altar. An der Mauer rechts davon findet man ein Bild von Papst Johannes Paul II. – und darunter den Schlüssel mit seiner Haar-Reliquie.