Der umgekehrte Dieselskandal
Der Skoda Octavia ist das Gegenteil eines Geheimtipps. Überraschen kann er in vierter Generation dennoch.
Wien. Hat der Octavia den Golf als Österreichs Bestseller dauerhaft abgehängt? Bis inklusive September führt er in der Zulassungsstatistik jedenfalls mit solidem Vorsprung (den er allerdings auch bei den Auslieferungen hatte, insofern bleibt es spannend). Ganz neu sind sie beide, der Golf in achter, der Octavia in vierter Generation.
Und wie der Golf darf auch der Skoda an den jüngsten Errungenschaften im sogenannten Konzernregal teilhaben – bislang also keine Rede davon, dass die Tschechen wieder ins Büßergewand wechseln sollten, um die feineren Marken des Hauses nicht zu kompromittieren. Eher rückte der Golf Variant (= Kombi) in Sachen Radstand zum Octavia auf: Der beträgt fast 2,7 Meter, ein stolzer Wert im Fach der Kompakten.
Chrom und Lichtspiele
Aber dass der Skoda in jenen Gefilden immer schon mit Überlänge auffährt, hat bislang niemanden gestört, im Gegenteil. Und so ist er nun noch etwas länger und breiter, dafür niedriger geworden. Woran erkennt man den Neuen aber auf den ersten Blick? Vorn an den Scheinwerfern, die nicht mehr so mutwillig zweigeteilt sind wie beim Vorgänger – kein Verlust. Hinten sind die Leuchten in die Breite gezogen, das wirkt eleganter als die patenten, stehenden Quader des Vorgängers. Auch beherrscht der Octavia kunstvoll choreografierte Lichtspiele beim Entriegeln, was man natürlich infantil finden kann (aber doch gern anschaut).
Dass man es mit der Eitelkeit übertreiben kann, müssen wir am Cockpit monieren. Klar, der Schwung der Chromzierleiste an der Türinnenseite, wie er im skulpturhaften Türgriff ausläuft, macht schon etwas her. Nur blendet das Teil an sonnigen Tagen, sodass man in der Not schon überlegt, wie man es abkleben könnte. Mäßige Begeisterung auch über das neue Infotainment, das zwar Augenschmaus und jede Menge Funktionen bietet, in seiner Bedienung aber komplizierter geworden ist und deutlich mehr Aufmerksamkeit und Blickdauer an den Touchscreen bindet als zuvor. Wohl hatte man in Mlada´ Boleslav nicht die Freiheit, hier eigene Wege zu gehen.
Was den Motorraum betrifft, wird man sich darüber nicht beschweren. Kurze Motorenkunde: Über den EA189 wird ja gerade in München zu Gericht gesessen, beziehungsweise über trickreiche Ingenieure und ihre Schummelsoftware. Dies war der erste Turbodiesel nach der rustikalen Pumpe-DüseÄra. Mittlerweile wurde zweimal nachgelegt, im neuen Octavia haust im Fall des 2.0 TDI der EA288 Evo in zwei Auslegungen: bis 110 kW (150 PS) auf Sparsamkeit gebürstet, zum Beispiel mit Stahl- statt Alukolben, darüber (bis über 200 PS) auf Performance.
Warum sollte man das wissen? Weil dies ein außergewöhnlicher Motor ist, der auch Skeptiker (wieder) zum Diesel bekehren könnte. Von der aufwendigen Abgasreinigung mittels Twin-Dosing (zweifaches Injizieren von AdBlue zur Reduktion der Stickoxide, einmal nah am heißen Motor, einmal weiter weg) bekommt man am Steuer zwar nichts mit, es wird aber vielleicht beruhigend zu wissen sein, dass man damit nicht nur im Labor, sondern auch im Fahrbetrieb auf der Straße um ein Viel- bis sogar Zigfaches unter dem aktuellen NOx-Grenzwert bleibt. In der unrühmlichen jüngeren Geschichte von Volkswagens TDI war es genau umgekehrt.
Zumal keine Opfer zu leisten sind. Nahezu neutralisiert das einstmals harsche TDIVerbrennungsgeräusch (nicht nur durch Dämmung nach innen, auch außen), dramatisch verbessert das Ansprechverhalten bei niedrigen Drehzahlen, bei denen man sich aus keinem Turboloch mehr winden muss, beides eine effektive Rezeptur gegen Dieselphobie. Auch beim Verbrauch ging nochmals tüchtig etwas weiter: Mit etwas Sparwillen ist der Dreier im Schnittverbrauch in Reichweite – nicht als Plug-inMärchen, sondern real, wir fuhren es heraus. Und über vier Liter müssen es niemals sein.