Die Presse

Fliegender Wandel

Ein Heißluftba­llon in Form eines Euters? Barbara Anna Husar erklärt, wie es dazu kam – und warum er am Nationalfe­iertag über Wien steigen soll.

- VON TERESA SCHAUR-WÜNSCH

Manchmal, sagt Barbara Husar, hätte sie einfach lieber wieder einen Pinsel in der Hand, statt sich durch den bürokratis­chen Genehmigun­gswall zu kämpfen. „Aber dann sage ich mir: Du malst da etwas viel Größeres, du malst eine Spur in den Himmel.“Wenig später wird ein E-Mail Hektik auslösen: Die nächste amtliche Hürde.

Es ist Donnerstag­vormittag, wenige Tage, bevor Husars euterförmi­ger Heißluftba­llon am Nationalfe­iertag erstmals über Wien steigen soll. Die in Herbstlich­t getauchte Stadt liegt Husar auf 360 Grad zu Füßen – ihr Atelier liegt im 8. und obersten Stock einer Penzinger Gewerbeimm­obilie, ist umgeben von einem Dachgarten, der auch Werkzeug ist: Hier entstehen Ideen, zwischen pastellige­n Stühlchen und Kräutertöp­fen, Halbedelst­einen, Flamingos und zur Girlande arrangiert­en Frittierkö­rben, die Grenze zwischen Gartengest­altung und Kunstwerk ist fließend (die Fritteusen sammelt Husar tatsächlic­h für ihre Arbeit).

Perspektiv­e aus der Wüste

Dabei, erzählt sie bei Safrantee, komme sie eigentlich von der Zeichnung. „Aus der heraus haben sich immer komplexere Projekte entwickelt.“Das komplexest­e davon hängt von der Decke: Eine Hängematte, geflochten aus getrocknet­en Nabelschnü­ren ihrer eigenen Ziegenherd­e in der Wüste Sinai, in der Husar seit zwei Jahrzehnte­n regelmäßig Zeit verbringt. Wenn sie sich also mit dem Thema Milch beschäftig­t, dann ist ihre Perspektiv­e geprägt von ihrer Zeit mit den Nomaden, von ihrer eigenen Herde und der Frage: „Wie geht man mit der Milch um?“

Explodiert sei das Thema, als sie aus der Wüste kommend zufällig auf einer Landwirtsc­haftsmesse in St. Gallen landete. Die riesig gezüchtete­n Euter der dort vorgeführt­en Kühe gingen ihr nicht mehr aus dem Kopf. Eigentlich sei ihr Thema ja das Fließen von

Informatio­nen. „Aber mich hat auch das Fließen der Milch interessie­rt, in welchen Kreislauf sie eingespeis­t, wie sie wahrgenomm­en wird. Immer mit der Perspektiv­e, dass auf meiner Schulter eine Beduinenfr­au sitzt, mit ihrem archaische­n, ursprüngli­chen Zugang zum Menschsein.“So begann die zwischen Wien, Wüste und der restlichen Welt pendelnde Vorarlberg­erin schließlic­h, die Kühe ihrer Heimat zu malen: Ihre „zweite Herde“.

Der Ballon entstand dann auf Anregung des Walserherb­sts, das Festival plante 2018 eine Ausgabe zu „Mensch und Rind“. Ob sie eine Idee habe, wie man dem Ganzen höhere Sichtbarke­it verleihen könnte? Zwei Minuten später war der Plan geboren: „Da muss ein Euter schweben über dem Walsertal.“Dann wirklich einen nicht vorfinanzi­erten Heißluftba­llon in Auftrag zu geben, war trotzdem noch ein großer, von vielen angezweife­lter Sprung. „Ich habe“, sagt Husar, „einfach intuitiv entschiede­n: Ich investiere alles, was ich hab, damit dieses Euter entsteht.“

Inzwischen steht der Ballon vor seiner 13. Erhebung, am Montag soll er, wenn alles klappt, über den Wiener Himmel ziehen – als bewusster Kontrapunk­t zur Leistungss­chau des Bundesheer­s. Selbige ist heuer als HybridEven­t geplant, u. a. sollen Eurofighte­r und Saab-Maschinen den Heldenplat­z überfliege­n. Dem will Husar ihre weiblich konnotiert­e soziale Skulptur entgegen setzen. Als „Diskurswer­kzeug zur Überwindun­g der Maximierun­gsperversi­on“, als Symbol für die Notwendigk­eit eines nachhaltig­en Perspektiv­enwechsels.

Wo der Ballon zu sehen ist, entscheide­t mit dem „Goldenen Euter“inzwischen ein eigener Verein, die Projekte werden maßgeschne­idert. Das könne eine Performanc­e sein, oder, wie demnächst, ein (von tibetische­n Passüberqu­erungen inspiriert­es) Ritual: Dort, wo vom Schweizer Pass Lunghin Wasser in die Adria, die Nordsee und das Schwarze Meer fließt, sollen auf getrocknet­e Blätter geschriebe­ne Wünsche von Kindern für die Zukunft dem Wind übergeben werden. Blätter werden noch bis 5. November von der Schweizer Botschaft gesammelt.

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[ Clemens Fabry ] Barbara Anna Husar am Dach ihres Ateliers, wo auch die Idee zu ihrem Heißluftba­llon entstand.
 ?? [ Husar ] ?? Als Malerin begleitet Husar jede Ballonfahr­t mit grafischer Inspiratio­n – wie hier für Wien.
[ Husar ] Als Malerin begleitet Husar jede Ballonfahr­t mit grafischer Inspiratio­n – wie hier für Wien.

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