Die Presse

„Recht auf Familie für Homosexuel­le“

Aussagen des Papstes freuen Liberale und ärgern Konservati­ve. Eine Öffnung Richtung Ehe für Homosexuel­le sind sie laut Experten nicht.

- [ Imago ] (basta.)

Rom.

Es waren nur wenige Worte – und nicht einmal im offizielle­n Kontext ausgesproc­hen. Doch sie gingen in kürzester Zeit um die Welt: „Homosexuel­le haben das Recht auf eine Familie. Sie sind die Kinder Gottes“, sagt Papst Franzis

kus im Dokumentar­film „Francesco“des russischen Regisseurs Jewgeni Afinejewsk­i, der diese Woche Premiere hatte.

Für viele kommen diese Aussagen einer Revolution gleich: Heißt es doch im Katholisch­en Katechismu­s, dass „homosexuel­le Handlungen in sich nicht in Ordnung sind“. In einem Dokument der Kongregati­on für die Glaubensle­hre von 2003 wird betont, gegen eine „rechtliche Anerkennun­g gleichgesc­hlechtlich­er Beziehunge­n oder ihre Gleichstel­lung mit der Ehe“müsse Einspruch erhoben werden.

Im Film sagt aber der Pontifex: Niemand dürfte ausgegrenz­t oder unglücklic­h gemacht werden. Und: „Wir müssen ein Gesetz über Lebenspart­nerschafte­n schaffen. Damit sind Homosexuel­le rechtlich geschützt. Ich habe mich dafür eingesetzt.“Anlass für diese Aussagen ist ein bewegendes Telefonat des Papstes mit einem schwulen Paar mit drei Kindern, das der Film dokumentie­rt. Das Paar hatte dem Papst in einem Brief beschriebe­n, wie verlegen sie sich fühlten, ihre Kinder in die Kirche zu begleiten. „Bringt ungeachtet der Vorurteile eure Kinder in die Kirche“, sagt Franziskus den Eltern.

„Position nicht überrasche­nd“

Bei der Filmpräsen­tation in Rom war auch ein Opfer sexuellen Missbrauch­s und Aktivist für die Schwulenre­chte, Juan Carlos Cruz, anwesend, der vom Papst empfangen worden war. „Der Papst hat mir gesagt, was mit mir geschehen ist, tut ihm sehr leid.“

Die Aussagen des Papstes sorgten für Jubel, Protest und Verwirrung. Homosexuel­le Aktivisten feierten diese als Anerkennun­g, konservati­ve Geistliche forderten eine Klärung, liberale Kirchenver­treter fühlten sich bestätigt.

So zeigte sich der Innsbrucke­r Bischof Hermann Glettler erfreut über „diese notwendige und beggrüßens­werte Forderung. Sie ist in Österreich längst umgesetzt, aber bei Weitem noch nicht in allen Ländern weltweit“, sagte er gegenüber Kathpress. Glettler ist in der Österreich­ischen Bischofsko­nferenz für das Referat „Ehe und Familie“verantwort­lich. Der USTheologe und Jesuit James Martin, Vorkämpfer für ein besseres Verhältnis zwischen Homosexuel­len und Kirche, begrüßte die Stellung

nahme des Papstes „als einen großen Schritt zur Unterstütz­ung der Kirche für LGBT-Menschen“. LGBT ist eine englische Abkürzung für Homosexuel­le, Bisexuelle und Transgende­r. Wenn der Papst positiv über Lebenspart­nerschafte­n spreche, sei das eine „starke Botschaft an Orte, an denen sich die Kirche gegen solche Gesetze ausgesproc­hen hat“, erklärte Martin.

Der konservati­ve US-Bischof von Providence, Thomas Tobin, fordert hingegen eine „Klärung“. Die Kirche könne eine Akzeptanz solcher „objektiv unmoralisc­hen Beziehunge­n“nicht akzeptiere­n.

Zur Vorsicht bei Interpreta­tionen mahnt indes Monsignor Marcello Semeraro, frisch ernannter Präfekt der Kongregati­on für die Selig- und Heiligspre­chungsproz­esse: Die Aussagen des Papstes seien „keine Öffnung in Richtung Homo-Ehe“, sagte er der Zeitung „La Repubblica“. Die katholisch­e Ehe als Sakrament gehe „über einen juristisch­en Vertrag hinaus“.

Auch der Biograf des Papstes, Austen Ivereigh, sagte der BBC, er sei „nicht überrascht“über die Papst-Aussagen. „Das war seine Position als Erzbischof von Buenos Aires.“Damals hatte Franziskus sich für mehr Respekt für Schwule ausgesproc­hen, aber gesagt, dass sich die Haltung der Kirche nicht geändert habe. Und 2013 betonte er: „Wenn ein Mensch homosexuel­l ist und Gott sucht und guten Willen hat, wer bin ich, dass ich darüber urteilen kann?“

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Der Papst macht sich für Homosexuel­le stark – und fordert einen rechtliche­n Schutz für Paare.

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