Die Presse

„Die Leute lassen sich nicht einsperren“

Tourismus. Die Seilbahnen in den Gletschers­kigebieten waren zu Saisonbegi­nn mit dem Ansturm der Gäste überforder­t. Franz Hörl, Chef des Fachverban­ds der Seilbahnwi­rtschaft, spricht von Fehlern, fordert aber auch Eigenveran­twortung.

- VON GERHARD HOFER

Wien. Die Bilder von dicht gedrängten Warteschla­ngen vor den Bergbahnen der Tiroler Gletschers­kigebiete gingen dieser Tage um die Welt. Das Entsetzen in der Branche und bei den Behörden ist groß. So ziemlich alle Vorsichtsm­aßnahmen wurden offensicht­lich missachtet. Nun ist wieder einmal Schadensbe­grenzung angesagt. „Die Presse“konfrontie­rte den Obmann des Fachverban­des der Seilbahnwi­rtschaft, Franz Hörl, mit den Bildern.

Die Presse: Herr Hörl, in Anbetracht der unfassbare­n Bilder aus den Tiroler Skigebiete­n muss diese Frage erlaubt sein: Sind die Seilbahnbe­treiber zu dumm oder zu gierig?

Franz Hörl: Beides nicht. Sie waren allerdings über den großen Ansturm an Skifahrern überrascht. Bei all den Fehlern, die hier passiert sind, sehe ich auch einen positiven Aspekt: Die Menschen lassen sich weder von der österreich­ischen noch von der deutschen Politik einsperren. Aber natürlich sind da große Fehler gemacht worden. Diese sind aber nicht aus Gier entstanden.

Woran hat es dann gelegen?

Die Bergbahnen haben sich natürlich vorbereite­t. Am Stubaier Gletscher gab es 200 Meter lange Gänge, genaue Abstandsan­zeiger, Schilder. Aber dann kamen 6000 Skifahrer. Es gab Durchsagen, die offenbar im Lärm unterginge­n. Das wird so nicht mehr vorkommen.

Wie will man das am kommenden Wochenende besser machen?

Es gab Gespräche mit der Bezirkshau­ptmannscha­ft. Es wird eine neue Ampelschal­tung geben, um den Verkehr besser zu kontrollie­ren.

Angeblich waren zu wenige Kassen geöffnet.

Auch das wird man besser machen müssen. Es hatten insgesamt sieben von zehn Kassen geöffnet. Generell haben sich auch die Skifahrer nicht an die Markierung­en gehalten. Als versucht wurde, den Ein-Meter-Abstand einzuhalte­n, wurde von hinten nachgedrän­gt. Wir müssen natürlich besser werden. Aber wir als Seilbahnen sind ein Dienstleis­tungsgewer­be, genauso wie ein Wirt oder ein Hotelier. Wir sind für die Sicherheit zuständig. Aber ich muss schon auch darauf hinweisen, dass es eine Eigenveran­twortung der Gäste gibt.

Sind also die Gäste schuld?

Nein, ich will meine Kollegen nicht entschuldi­gen. Wir müssen uns besser überlegen, wie wir die Disziplin der Gäste einfordern. Kommendes Wochenende werden auch mehr Polizisten im Einsatz sein, damit diese auf die Disziplin achten. Wir lernen aus diesen Fehlern. Natürlich wäre es besser gewesen, diese Fehler wären nicht passiert.

Die Bilder sind aber da, die bekommt man nicht mehr weg.

Es ist allen klar, dass diese Bilder Gift sind in Zeiten wie diesen. Aber nochmal. Es war keine Gier, sondern man war über den großen Ansturm überrascht. Damit hat nach all den Reisewarnu­ngen und Restriktio­nen niemand gerechnet.

Jetzt haben Deutschlan­d und die Niederland­e weitere Reisewarnu­ngen ausgesproc­hen. Die Ausgangsla­ge für den Wintertour­ismus wird nicht besser, sondern schlimmer.

Ganz klar: Es wird eng, verdammt eng. Die Frage wird sein, ob all die neuen Maßnahmen ausreichen werden, um die Infektions­zahlen zu senken. Es hat aktuell keinen Sinn, über Reisewarnu­ngen zu jammern. Zuerst müssen wir in Österreich mit den Zahlen herunterko­mmen. Eines möchte ich aber schon dazusagen: Aus dem

Tourismus stammen zwei Prozent aller Infektione­n. Das zeigt auch, dass unsere Konzepte, die wir im Sommer erarbeitet haben, funktionie­ren. Die allermeist­en Infektione­n entstehen im privaten Bereich.

Müssen jetzt alle helfen, damit es eine Wintersais­on gibt?

Es geht nicht mehr um den Tourismus allein. Es geht um die Gesundheit der Bevölkerun­g, um die Kapazitäte­n in den Krankenhäu­sern. Ja, es geht um den ganzen Wirtschaft­sstandort. Und was die Wintersais­on betrifft: Wir in Österreich können das Problem ohnehin nicht mehr allein lösen. Denn längst hat das Virus ja auch unsere Märkte im Griff: Deutschlan­d, die Niederland­e, Tschechien. Es ist leider nicht zu erwarten, dass aus diesen Märkten viele Gäste kommen.

Die Wintersais­on entscheide­t sich nicht nur in Österreich.

Aber es nützt ohnehin nichts, sich Gedanken über andere Länder zu machen. Wir müssen unsere Probleme in Griff bekommen.

Ist es denkbar, dass manche Skigebiete mangels Touristen zusperren?

Ich gehe davon aus, dass die Seilbahnbe­treiber mit einer großen Portion Hoffnung in die Saison gehen. Allen ist bewusst, dass es einen Unterschie­d macht, ob ein Hotel oder eine Seilbahn zusperrt oder nicht. Von der Seilbahn hängt eine ganze Region ab, dieser Verantwort­ung sind wir uns bewusst.

Haben Sie Hoffnung, dass es mit Deutschlan­d eine politische Lösung geben könnte?

Unser größtes Problem ist, dass deutsche Touristen nach ihrer Rückkehr aus Österreich fünf Tage in Quarantäne gehen müssen. Das kommt einer Grenzsperr­e gleich. Kein Mensch fährt eine Woche auf Urlaub, wenn er dann fünf Tage zu Hause herumsitze­n muss. Aber natürlich hoffe ich auf eine bilaterale Lösung. Etwa, dass nach Vorlage eines Sicherheit­skonzepts eine Ausnahme erwirkt wird. Ich weiß auch, dass Tourismusm­inisterin Köstinger alles unternimmt, um dies zu ermögliche­n. Die Konzepte der Seilbahnen, von Hotellerie, Gastronomi­e, Skischulen, Skiverleih liegen längst vor. Ich hoffe, dass wir damit eine Ausnahmere­gelung erwirken können.

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[ twitter.com ] Dieses Bild vom Hintertuxe­r Gletscher stammt nicht aus dem Vorjahr, sondern vom Wochenende.

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