Gastbeitrag: Wo bleibt die Kinderlobby?
Gerade an Schulen wird schnell jede Person zur Kontaktperson. Es braucht daher rasche Tests statt pauschaler Verunsicherung.
Die Gerüchte um einen erneuten Lockdown wollen nicht verstummen, auch nach der Bekanntgabe der strengeren Maßnahmen durch das „virologische Quartett“(Copyright: Pamela Rendi-Wagner) der Bundesregierung am vergangenen Montag. Wobei, so ein richtiger Lockdown soll es jedenfalls nicht mehr werden. Doch das Damoklesschwert eines „Mini-Lockdown“schwebt noch immer über uns. Zum Beispiel in Form von verlängerten Herbstferien. Hauptsache, die Kinder bleiben zu Hause.
Dabei werden immer mehr Studien vorgelegt, die die geringe Verbreitung des Coronavirus in Kindergärten und Schulen belegen. Doch jetzt muss die Tourismusbranche gerettet werden. Das ist in direkter Wertschöpfung belegbar, und die Wintersportregionen verstehen zu lobbyieren. Doch wo bleibt bei alledem eigentlich die Kinderlobby? Wie bereits im Frühjahr werden die Interessen der jüngsten in unserer Gesellschaft zweitrangig behandelt. Bildungsminister Fassmann könnte einem fast leidtun, er scheint das einzige Regierungsmitglied zu sein, das das auch so sieht. So schaffte es kürzlich im ORF weder der türkise Klubchef, August Wöginger, erneute Schulschließungen auszuschließen, noch seine grüne Kollegin, Sigrid Maurer.
Ganze Klassen in Quarantäne
Während es nun so aussieht, als ob nationale Maßnahmen ausbleiben könnten, schließen, wie zuletzt in Salzburg, regional immer mehr Bildungseinrichtungen, weil durch unklare Teststrategien Teile des Lehrkörpers oder ganze Klassen in Quarantäne geschickt werden. In Aiglhof wurden zwei Schüler und zwei Lehrer positiv getestet, dennoch wurde dort das gesamte Bundesgymnasium Zaunergasse geschlossen, da 350 Menschen als Kontaktpersonen identifiziert wurden. In Anbetracht dessen scheint sinnvoll, was der oberste Pflichtschullehrer-Gewerkschafter, Paul
Kimberger, fordert: Um Standorte mit einer beengten Raumsituation zu entlasten, sollten diese einen Teil des Unterrichts in Ausweichquartieren abhalten.
Kindergärten und Schulen sind wichtige soziale Begegnungsräume für Kinder und Jugendliche. Besonders für sozioökonomisch benachteiligte junge Menschen sind sie ein essenzieller Ausgleich zu beengten Wohnverhältnissen. In einer Bildungseinrichtung ist schnell einmal jede Person Kontaktperson. Vermischungen von Gruppen sind unvermeidbar, gerade wenn immer mehr Personal ausfällt. Wir brauchen rasche Tests statt pauschaler Verunsicherung. Denn der volkswirtschaftliche Schaden einer verpassten Wintersaison ist kein Vergleich zu dem einer gesamten traumatisierten Generation. Wiederholen wir nicht diesen Fehler vom Frühjahr!
Gregor Ruttner, MA MSc (* 1991) ist Programmleiter von Seed, einer Initiative des „Teach for Austria“-Alumni-Vereins, im Vorstand von Sindbad NÖ Süd, Lehrender an der Pädagog. Hochschule Niederösterreich.