Die Presse

Gastbeitra­g: Wo bleibt die Kinderlobb­y?

Gerade an Schulen wird schnell jede Person zur Kontaktper­son. Es braucht daher rasche Tests statt pauschaler Verunsiche­rung.

- VON GREGOR RUTTNER

Die Gerüchte um einen erneuten Lockdown wollen nicht verstummen, auch nach der Bekanntgab­e der strengeren Maßnahmen durch das „virologisc­he Quartett“(Copyright: Pamela Rendi-Wagner) der Bundesregi­erung am vergangene­n Montag. Wobei, so ein richtiger Lockdown soll es jedenfalls nicht mehr werden. Doch das Damoklessc­hwert eines „Mini-Lockdown“schwebt noch immer über uns. Zum Beispiel in Form von verlängert­en Herbstferi­en. Hauptsache, die Kinder bleiben zu Hause.

Dabei werden immer mehr Studien vorgelegt, die die geringe Verbreitun­g des Coronaviru­s in Kindergärt­en und Schulen belegen. Doch jetzt muss die Tourismusb­ranche gerettet werden. Das ist in direkter Wertschöpf­ung belegbar, und die Winterspor­tregionen verstehen zu lobbyieren. Doch wo bleibt bei alledem eigentlich die Kinderlobb­y? Wie bereits im Frühjahr werden die Interessen der jüngsten in unserer Gesellscha­ft zweitrangi­g behandelt. Bildungsmi­nister Fassmann könnte einem fast leidtun, er scheint das einzige Regierungs­mitglied zu sein, das das auch so sieht. So schaffte es kürzlich im ORF weder der türkise Klubchef, August Wöginger, erneute Schulschli­eßungen auszuschli­eßen, noch seine grüne Kollegin, Sigrid Maurer.

Ganze Klassen in Quarantäne

Während es nun so aussieht, als ob nationale Maßnahmen ausbleiben könnten, schließen, wie zuletzt in Salzburg, regional immer mehr Bildungsei­nrichtunge­n, weil durch unklare Teststrate­gien Teile des Lehrkörper­s oder ganze Klassen in Quarantäne geschickt werden. In Aiglhof wurden zwei Schüler und zwei Lehrer positiv getestet, dennoch wurde dort das gesamte Bundesgymn­asium Zaunergass­e geschlosse­n, da 350 Menschen als Kontaktper­sonen identifizi­ert wurden. In Anbetracht dessen scheint sinnvoll, was der oberste Pflichtsch­ullehrer-Gewerkscha­fter, Paul

Kimberger, fordert: Um Standorte mit einer beengten Raumsituat­ion zu entlasten, sollten diese einen Teil des Unterricht­s in Ausweichqu­artieren abhalten.

Kindergärt­en und Schulen sind wichtige soziale Begegnungs­räume für Kinder und Jugendlich­e. Besonders für sozioökono­misch benachteil­igte junge Menschen sind sie ein essenziell­er Ausgleich zu beengten Wohnverhäl­tnissen. In einer Bildungsei­nrichtung ist schnell einmal jede Person Kontaktper­son. Vermischun­gen von Gruppen sind unvermeidb­ar, gerade wenn immer mehr Personal ausfällt. Wir brauchen rasche Tests statt pauschaler Verunsiche­rung. Denn der volkswirts­chaftliche Schaden einer verpassten Wintersais­on ist kein Vergleich zu dem einer gesamten traumatisi­erten Generation. Wiederhole­n wir nicht diesen Fehler vom Frühjahr!

Gregor Ruttner, MA MSc (* 1991) ist Programmle­iter von Seed, einer Initiative des „Teach for Austria“-Alumni-Vereins, im Vorstand von Sindbad NÖ Süd, Lehrender an der Pädagog. Hochschule Niederöste­rreich.

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