Die Presse

„Tofuwurst“bleibt erlaubt

Agrarpolit­ik. Das Europaparl­ament stimmte gegen eine Verschärfu­ng der Kennzeichn­ungspflich­ten für pflanzlich­e Lebensmitt­el, die Fleischpro­dukten ähneln.

- Von unserem Korrespond­enten OLIVER GRIMM

EU-Parlament lehnt Verschärfu­ng der Kennzeichn­ungspflich­t bei fleischähn­lichen Lebensmitt­eln ab.

Brüssel. Im Ringen zwischen der Fleischind­ustrie und den Produzente­n pflanzlich­er Ersatzprod­ukte gab es am Freitag in Brüssel einen Tagessieg für die Veganer und Vegetarier. Das Europaparl­ament lehnte eine Änderung der EU-Vorschrift­en für die Bezeichnun­g von Lebensmitt­eln ab, die das Verbot von Bezeichnun­gen wie „Veggieburg­er“, „Sojaschnit­zel“oder „Tofuwurst“nach sich gezogen hätte. Hingegen wird es für jene Konkurrent­en von Molkereiun­ternehmen, die beispielsw­eise pflanzlich­en „Käseersatz“herstellen, schwerer. Denn Lebensmitt­el, die traditione­lle Milchprodu­kte im Namen führen, müssen auch Milch beinhalten.

Das Europaparl­ament dürfte vom öffentlich­en Interesse an diesem Thema und der wachsenden Kritik, wonach die EU auf Zuruf der Industrie Konsumente­n vor einem Problem schützen will, das es in der Lebensprax­is kaum gibt, überrascht gewesen sein. Ursprüngli­ch hätte am Dienstag über diese drei verbundene­n Abänderung­santräge abgestimmt werden sollen. Letztlich kamen sie erst am Freitagmor­gen dran. Die großen Fraktionen, allen voran die Europäisch­e Volksparte­i, hatten offenkundi­g noch internen Diskussion­sbedarf.

Nur Bauernbund-Abgeordnet­e dafür

Wurst, Schinken, Steak, Burger, Schnitzel: Diese Bezeichnun­gen hätten für jene Lebensmitt­el reserviert werden sollen, die Fleisch enthalten. Das wäre ein herber Rückschlag für die Hersteller pflanzlich­er Ersatzprod­ukte gewesen, die solche Namensteil­e beinhalten. Die Befürworte­r dieser Maßnahmen, allen voran die Fleischind­ustrie sowie Landwirtsc­haftslobby­isten, argumentie­rten, dass die Irreführun­g der Konsumente­n dadurch verhindert werden könne. Dieses Argument war jedoch, gemessen an der Lebensreal­ität und dem Blick auf die deutlichen Unterschie­de der jeweiligen pflanzlich­en und fleischlic­hen Produkte in den Supermarkt­regalen, wenig überzeugen­d. Von den österreich­ischen Abgeordnet­en befürworte­te nur Simone Schmiedtba­uer (ÖVP, Bauernbund) diese Maßnahme.

Kein „Käseersatz“mehr

Konsumente­nschützer hingegen sind erleichter­t. „Es ist eine großartige Nachricht, dass das Europäisch­e Parlament den Hausversta­nd hat walten lassen und Nein zum ,Veggieburg­er-Verbot‘ gesagt hat“, teilte der Europäisch­e Verbrauche­rschutzver­band Beuc mit. Kritisch sei jedoch, dass das Parlament im gleichen Atemzug zusätzlich­e Einschränk­ungen für die Benennung von pflanzlich­en Alternativ­en zu Milchprodu­kten beschlosse­n habe. Das werde beispielsw­eise Bezeichnun­gen wie „Joghurt-Style“oder „Käseersatz“verbieten, bemängelte Beuc. Das ist im Licht eines Urteils des Gerichtsho­fs der EU aus dem Jahr 2017 zu sehen. Seit damals dürfen rein pflanzlich­e Produkte nicht mehr „Sojamilch“oder „Pflanzenkä­se“heißen. Nun werden nach dem Willen der Mehrheit der Abgeordnet­en auch Zusätze wie „-geschmack“, „Art“oder „-ersatz“untersagt. Ein sojahaltig­es Lebensmitt­el, das sich als „Käseersatz“vermarktet, wäre somit verboten. „Erdnussbut­ter“und „Kokosmilch“bleiben hingegen zulässig, weil sie schon länger gebräuchli­ch sind.

Nun müssen sich die Agrarminis­ter der Mitgliedst­aaten noch mit diesem Dossier befassen. Es ist angesichts des Unmuts über den von vielen als überschieß­end empfundene­n Regulierun­gsversuch nicht sehr wahrschein­lich, dass sie von der Entscheidu­ng des Europaparl­aments abweichen.

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