Der „Dealmaker“brachte keinen neuen Krieg, aber viel Zoff
Diplomatie. Donald Trump läutete einen härteren ChinaKurs ein und moderierte Israels Annäherung an Golfstaaten. Sonst bleiben unterm Strich kaum außenpolitische Erfolge.
Als neulich das Nobelpreiskomitee in Oslo den Friedensnobelpreis dem UN-Welternährungsprogramm zuerkannte, machte Donald Trump kein Hehl aus seiner Enttäuschung. Er hatte Shinzo¯ Abe, den damaligen japanischen Premier, dazu motiviert, ihn wegen seiner NordkoreaPolitik für die Auszeichnung vorzuschlagen. Die bombastische Gipfelshow mit dem nordkoreanischen Diktator Kim Jong-un brachte dem Präsidenten fette Schlagzeilen und eine Brieffreundschaft mit Kim ein, aber unter dem Strich blieb substanziell nichts übrig.
Die Annäherung entpuppte sich bisher als Flop, und von einer nuklearen Abrüstung Pjöngjangs ist keine Spur. Kritiker wie sein damaliger Sicherheitsberater John Bolton hatten Trump davor explizit gewarnt – was den Hardliner letztlich den Job kostete. Außenpolitik aus einem Impuls heraus, getrieben vom Überraschungsmoment, bei dem Feinde plötzlich zu potenziellen Freunden mutieren – das ist ein Markenzeichen der Außenpolitik Trumps, die von Konventionen wenig hält.
Frühere Mitarbeiter wie Bolton oder Ex-Verteidigungsminister James Mattis enthüllten die eklatanten Wissenslücken und das notorische Misstrauen gegenüber den Geheimdiensten und den Militärs, mithin die Klasse des Establishments. Donald Trump, der Business-Zampano, sieht sich vielmehr als von Wirtschaftsinteressen geleiteter Dealmaker, der alles auf den Prüfstand stellt.
Warten auf den „Jahrhundertdeal“
Für 2021 rechnet sich Trump neuerlich Chancen auf den Friedenslorbeer aus. Der lauthals postulierte „Jahrhundertdeal“im Nahen Osten hat sich zwar nicht materialisiert, doch Trump besiegelte im Weißen Haus den Friedensvertrag zwischen Israel mit den Vereinigten Arabischen Emiraten und Bahrain. Ein Erfolg. Mit den Golf-Emiraten hatte Jerusalem freilich hinter den Kulissen längst diplomatische Kontakte geknüpft. Stärker und offener als seine Vorgänger hatte Trump Partei für den Verbündeten Israel ergriffen: Er verlegte die US-Botschaft symbolisch nach Jerusalem und billigte so den Status der Hauptstadt. Dass er die Golanhöhen Israel zuschlug, war folgerichtig und ein Wahlgeschenk für Benjamin Netanjahu.
Am Horizont zeichnet sich ab, dass sich bald auch ein weiterer arabischer Staat dieser Allianz anschließen könnte, unter anderem zusammengehalten vom gemeinsamen Feind Iran. Mit der Aufkündigung des Atompakts mit dem Regime in Teheran hat sich Trump an die Spitze der Anti-Iran-Front gesetzt. Und mit der Kommandoaktion gegen Qasem Suleimani, dem Mastermind der aggressiven außenpolitischen Strategie des Iran in der Region, hat er den harten Kurs seiner Regierung gegen die Mullahs bekräftigt. Vor einem Vergeltungsschlag im Konflikt am Persischen Golf war er zuvor noch in quasi letzter Minute zurückgeschreckt, als er den Angriffsbefehl revidierte.
Abzug aus Afghanistan
Jüngst sorgte Trump via Twitter mit seiner Ankündigung, die US-Truppen aus Afghanistan bis Weihnachten zurückzuberufen, für Irritationen im Pentagon. Abgesegnet ist indes ein Teilabzug im 20. Kriegsjahr seit der US-Invasion. Sein Sonderberater Zalmay Khalilzad hat die Verhandlungen mit den Taliban vorangetrieben – mit der Prämisse, die USIntervention zu beenden. In Syrien löste er mit seinem Zickzack-Kurs Verwirrung aus. Die kurdischen Verbündeten stieß er vor den Kopf, als er der Türkei im Norden Syriens grünes Licht für eine Offensive gab. Recep Tayyip Erdogan˘ hatte ihn telefonisch bezirzt.
Auch die europäischen Alliierten brüskierte er ein ums andere Mal, als er das NatoBündnis infrage stellte. Wie ein Mantra mahnt er höhere Militäretats von den westlichen Partnern ein, womit er freilich ungeschminkt einen wahren Kern trifft – und dabei wie ein Geschäftsmann und nicht wie ein Diplomat agiert. Atmosphärisch haben sich die Beziehungen zwischen den USA und den EU deutlich verschlechtert, die transatlantische Freundschaft hat nicht nur durch Trumps Plädoyer für einen Brexit Risse bekommen. Dahinter steht das Ziel einer Schwächung der EU als Wirtschaftsmacht.
Einigermaßen verstört nahmen die Europäer die Anbiederung des einstigen Führers der freien Welt gegenüber Autokraten a` la Putin und Erdogan˘ und zunächst auch gegenüber Xi Jinping zur Kenntnis. Die persönliche Chemie und ureigene Interessen wie seine Wiederwahl stellt Trump mitunter höher als gemeinsame westliche Werte
oder gar Menschenrechte. So animierte er China zur persönlichen Unterstützung und presste die Ukraine zur Wahlkampfhilfe. Erst nach der Zuspitzung in der Coronakrise entdeckte er die Repressionen Pekings gegenüber den muslimischen Uiguren und den Demokratieaktivisten in Hongkong. Zuvor hatten derlei Bedenken keine Rolle gespielt.
Der als Priorität angestrebte Handelsdeal mit China hat sich derweil in Luft aufgelöst. Die USA steuern immer klarer auf eine Konfrontation mit der zweiten Supermacht des 21. Jahrhunderts hin. Diesen Kurswechsel hat Trump eingeleitet. „China ist die größte Bedrohung in diesem Jahrhundert“, warnte jüngst US-Sicherheitsberater Robert O’Brien mit Hinweis auf die globale Seidenstraßenstrategie. In Asien versucht die Trump-Regierung mit einer strategischen Allianz mit Indien ein Gegengewicht aufzubauen.
Eine Allianz gegen China
Global und bis dato mit geteiltem Erfolg betreiben die USA unterdessen eine Kampagne gegen die Vergabe von Lizenzen für den Ausbau des G5-Netzes an den staatsnahen chinesischen Konzern Huawei. Außenminister Mike Pompeo stößt dabei auf Partner, die Trump mit seiner disruptiven Politik zum Teil vor den Kopf stieß. Wechselnde Handelsinteressen und erratische Vorlieben prägen die Außenpolitik Trumps, deren Kern von drei Prinzipien bestimmt ist: bedingungslose Loyalität zu Israel, „America First“und die Obama-Politik konterkarieren.
Unter diesem Motto markiert seine Präsidentschaft eine Abkehr der USA vom Multilateralismus. Der Grundsatz „Pacta sunt servanda“wurde unter ihm zur Makulatur, am signifikantesten beim Ausstieg aus dem Pariser Klimaabkommen und aus der Weltgesundheitsorganisation. Reihenweise schnürte er Abkommen auf. Das Freihandelsabkommen mit Kanada und Mexiko hat er neu verhandelt, die Beziehungen zu den Nachbarn sind empfindlich gestört.
Nach einem Tief unter George W. Bush und einem Hoch unter Barack Obama hat das Image der USA massiv gelitten. So schmähte Trump halb Afrika als „shithole countries“. Diplomatie ist wahrlich nicht die Stärke des Twitter-Präsidenten. Treue Fans findet er dagegen in der arabischen Welt, und auch Benjamin Netanjahu und Jair Bolsonaro halten große Stücke auf ihn.