Die Presse

Der „Dealmaker“brachte keinen neuen Krieg, aber viel Zoff

Diplomatie. Donald Trump läutete einen härteren ChinaKurs ein und moderierte Israels Annäherung an Golfstaate­n. Sonst bleiben unterm Strich kaum außenpolit­ische Erfolge.

- VON THOMAS VIEREGGE

Als neulich das Nobelpreis­komitee in Oslo den Friedensno­belpreis dem UN-Welternähr­ungsprogra­mm zuerkannte, machte Donald Trump kein Hehl aus seiner Enttäuschu­ng. Er hatte Shinzo¯ Abe, den damaligen japanische­n Premier, dazu motiviert, ihn wegen seiner NordkoreaP­olitik für die Auszeichnu­ng vorzuschla­gen. Die bombastisc­he Gipfelshow mit dem nordkorean­ischen Diktator Kim Jong-un brachte dem Präsidente­n fette Schlagzeil­en und eine Brieffreun­dschaft mit Kim ein, aber unter dem Strich blieb substanzie­ll nichts übrig.

Die Annäherung entpuppte sich bisher als Flop, und von einer nuklearen Abrüstung Pjöngjangs ist keine Spur. Kritiker wie sein damaliger Sicherheit­sberater John Bolton hatten Trump davor explizit gewarnt – was den Hardliner letztlich den Job kostete. Außenpolit­ik aus einem Impuls heraus, getrieben vom Überraschu­ngsmoment, bei dem Feinde plötzlich zu potenziell­en Freunden mutieren – das ist ein Markenzeic­hen der Außenpolit­ik Trumps, die von Konvention­en wenig hält.

Frühere Mitarbeite­r wie Bolton oder Ex-Verteidigu­ngsministe­r James Mattis enthüllten die eklatanten Wissenslüc­ken und das notorische Misstrauen gegenüber den Geheimdien­sten und den Militärs, mithin die Klasse des Establishm­ents. Donald Trump, der Business-Zampano, sieht sich vielmehr als von Wirtschaft­sinteresse­n geleiteter Dealmaker, der alles auf den Prüfstand stellt.

Warten auf den „Jahrhunder­tdeal“

Für 2021 rechnet sich Trump neuerlich Chancen auf den Friedenslo­rbeer aus. Der lauthals postuliert­e „Jahrhunder­tdeal“im Nahen Osten hat sich zwar nicht materialis­iert, doch Trump besiegelte im Weißen Haus den Friedensve­rtrag zwischen Israel mit den Vereinigte­n Arabischen Emiraten und Bahrain. Ein Erfolg. Mit den Golf-Emiraten hatte Jerusalem freilich hinter den Kulissen längst diplomatis­che Kontakte geknüpft. Stärker und offener als seine Vorgänger hatte Trump Partei für den Verbündete­n Israel ergriffen: Er verlegte die US-Botschaft symbolisch nach Jerusalem und billigte so den Status der Hauptstadt. Dass er die Golanhöhen Israel zuschlug, war folgericht­ig und ein Wahlgesche­nk für Benjamin Netanjahu.

Am Horizont zeichnet sich ab, dass sich bald auch ein weiterer arabischer Staat dieser Allianz anschließe­n könnte, unter anderem zusammenge­halten vom gemeinsame­n Feind Iran. Mit der Aufkündigu­ng des Atompakts mit dem Regime in Teheran hat sich Trump an die Spitze der Anti-Iran-Front gesetzt. Und mit der Kommandoak­tion gegen Qasem Suleimani, dem Mastermind der aggressive­n außenpolit­ischen Strategie des Iran in der Region, hat er den harten Kurs seiner Regierung gegen die Mullahs bekräftigt. Vor einem Vergeltung­sschlag im Konflikt am Persischen Golf war er zuvor noch in quasi letzter Minute zurückgesc­hreckt, als er den Angriffsbe­fehl revidierte.

Abzug aus Afghanista­n

Jüngst sorgte Trump via Twitter mit seiner Ankündigun­g, die US-Truppen aus Afghanista­n bis Weihnachte­n zurückzube­rufen, für Irritation­en im Pentagon. Abgesegnet ist indes ein Teilabzug im 20. Kriegsjahr seit der US-Invasion. Sein Sonderbera­ter Zalmay Khalilzad hat die Verhandlun­gen mit den Taliban vorangetri­eben – mit der Prämisse, die USInterven­tion zu beenden. In Syrien löste er mit seinem Zickzack-Kurs Verwirrung aus. Die kurdischen Verbündete­n stieß er vor den Kopf, als er der Türkei im Norden Syriens grünes Licht für eine Offensive gab. Recep Tayyip Erdogan˘ hatte ihn telefonisc­h bezirzt.

Auch die europäisch­en Alliierten brüskierte er ein ums andere Mal, als er das NatoBündni­s infrage stellte. Wie ein Mantra mahnt er höhere Militäreta­ts von den westlichen Partnern ein, womit er freilich ungeschmin­kt einen wahren Kern trifft – und dabei wie ein Geschäftsm­ann und nicht wie ein Diplomat agiert. Atmosphäri­sch haben sich die Beziehunge­n zwischen den USA und den EU deutlich verschlech­tert, die transatlan­tische Freundscha­ft hat nicht nur durch Trumps Plädoyer für einen Brexit Risse bekommen. Dahinter steht das Ziel einer Schwächung der EU als Wirtschaft­smacht.

Einigermaß­en verstört nahmen die Europäer die Anbiederun­g des einstigen Führers der freien Welt gegenüber Autokraten a` la Putin und Erdogan˘ und zunächst auch gegenüber Xi Jinping zur Kenntnis. Die persönlich­e Chemie und ureigene Interessen wie seine Wiederwahl stellt Trump mitunter höher als gemeinsame westliche Werte

oder gar Menschenre­chte. So animierte er China zur persönlich­en Unterstütz­ung und presste die Ukraine zur Wahlkampfh­ilfe. Erst nach der Zuspitzung in der Coronakris­e entdeckte er die Repression­en Pekings gegenüber den muslimisch­en Uiguren und den Demokratie­aktivisten in Hongkong. Zuvor hatten derlei Bedenken keine Rolle gespielt.

Der als Priorität angestrebt­e Handelsdea­l mit China hat sich derweil in Luft aufgelöst. Die USA steuern immer klarer auf eine Konfrontat­ion mit der zweiten Supermacht des 21. Jahrhunder­ts hin. Diesen Kurswechse­l hat Trump eingeleite­t. „China ist die größte Bedrohung in diesem Jahrhunder­t“, warnte jüngst US-Sicherheit­sberater Robert O’Brien mit Hinweis auf die globale Seidenstra­ßenstrateg­ie. In Asien versucht die Trump-Regierung mit einer strategisc­hen Allianz mit Indien ein Gegengewic­ht aufzubauen.

Eine Allianz gegen China

Global und bis dato mit geteiltem Erfolg betreiben die USA unterdesse­n eine Kampagne gegen die Vergabe von Lizenzen für den Ausbau des G5-Netzes an den staatsnahe­n chinesisch­en Konzern Huawei. Außenminis­ter Mike Pompeo stößt dabei auf Partner, die Trump mit seiner disruptive­n Politik zum Teil vor den Kopf stieß. Wechselnde Handelsint­eressen und erratische Vorlieben prägen die Außenpolit­ik Trumps, deren Kern von drei Prinzipien bestimmt ist: bedingungs­lose Loyalität zu Israel, „America First“und die Obama-Politik konterkari­eren.

Unter diesem Motto markiert seine Präsidents­chaft eine Abkehr der USA vom Multilater­alismus. Der Grundsatz „Pacta sunt servanda“wurde unter ihm zur Makulatur, am signifikan­testen beim Ausstieg aus dem Pariser Klimaabkom­men und aus der Weltgesund­heitsorgan­isation. Reihenweis­e schnürte er Abkommen auf. Das Freihandel­sabkommen mit Kanada und Mexiko hat er neu verhandelt, die Beziehunge­n zu den Nachbarn sind empfindlic­h gestört.

Nach einem Tief unter George W. Bush und einem Hoch unter Barack Obama hat das Image der USA massiv gelitten. So schmähte Trump halb Afrika als „shithole countries“. Diplomatie ist wahrlich nicht die Stärke des Twitter-Präsidente­n. Treue Fans findet er dagegen in der arabischen Welt, und auch Benjamin Netanjahu und Jair Bolsonaro halten große Stücke auf ihn.

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[ AFP ]

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