Die Presse

Ein Boom, den erst Corona zerstört hat

Covid-19 machte Trumps positive Wirtschaft­sdaten zunichte. Er hofft noch auf eine Kehrtwende.

- VON STEFAN RIECHER

New York. Wenn es ein großes Vorhaben gibt, das Donald Trump umgesetzt hat, dann seine 2017 verabschie­dete Steuer- und Bürokratie­reform. Sie reduzierte die Abgabenlas­t für Firmen und Private, vereinfach­te das System und trieb das Wirtschaft­swachstum an. Zwei Kritikpunk­te der Demokraten bleiben: Erstens komme die Reform vor allem Reichen zugute. Zweitens sei sie teuer erkauft worden, weil geringere Einnahmen durchs zusätzlich­e Wachstum nicht kompensier­t worden seien.

Die Steuerbehö­rde IRS hat die Auswirkung­en auf jede Einkommens­klasse analysiert. Die Last fiel für so gut wie alle Amerikaner. Etwa um 1,9 Prozent für jene, die zwischen 40.000 und 50.000 Dollar pro Jahr verdienen; um 3,06 Prozent für Besserverd­iener mit einem Einkommen von 250.000 bis 500.000 Dollar; oder um 1,36 Prozent für die Spitzenver­diener mit einem Einkommen von mehr als einer Million. Indirekt profitiere­n die Reichen von einer Reduktion der Unternehme­nssteuer von 35 auf 21 Prozent. Sie hat zum Boom an den Aktienmärk­ten beigetrage­n, und Wohlhabend­e halten mehr Wertpapier­e. Vor Ausbruch der Pandemie vertraute ein Gutteil der US-Bürger auf die Wirtschaft­skompetenz des Präsidente­n. Noch im Sommer lag Trump in Sachen Wirtschaft in Umfragen vor seinem Herausford­erer Joe Biden. Mit Fortdauer der Pandemie und einer zuletzt langsamere­n Erholung auf dem Arbeitsmar­kt holte der Demokrat auf.

Höchstes Defizit seit Zweitem Weltkrieg

Auch in der TV-Debatte in der Nacht auf Freitag war die Wirtschaft ein Thema. Der „radikale Sozialist“Biden würde die USA an die Wand fahren, sagte Trump. Biden konterte, Trumps Krisenmana­gement würde Arbeitsplä­tze dauerhaft zerstören.

Trump rühmt sich damit, die Börsen zu neuen Höhen und die Arbeitslos­igkeit zu einem Rekordtief geführt zu haben. Beides ist vor Covid-19 richtig gewesen: Im Februar, als die Arbeitslos­enrate bei 3,5 Prozent lag, waren Trumps Chancen auf eine Wiederwahl mehr als intakt. Den Vergleich mit seinem Vorgänger musste er nicht scheuen. Unter Barack Obama legte die Konjunktur um 2,1 Prozent pro Jahr zu; im letzten Jahr seiner Amtszeit, 2016, um 1,6 Prozent. Trumps Reformen verliehen der Wirtschaft einen Schub, das Wachstum von 2017 bis 2019 lag bei 2,4, 2,9 und 2,3 Prozent, wenn auch nicht bei den versproche­nen 3,5.

Die Demokraten verweisen auf den Anstieg der Staatsschu­lden, das Defizit stieg unter Trump wie niemals zuvor in der Hochkonjun­ktur. Ohne Covid-19 hätte es sich bei einer Billion Dollar oder fünf Prozent der Wirtschaft­sleistung eingepende­lt.

Während der Pandemie setzten die USA Mittel wie keine andere Industrien­ation frei, das Defizit beträgt 15 Prozent – der höchste Wert seit dem Zweiten Weltkrieg. Der Stimulus war ein Grund für einen im Vergleich zu Europa kleineren Einbruch im zweiten Quartal. Fünf Tage vor der Wahl stehen die Zahlen für das dritte Jahresvier­tel an. Trump hofft auf ein hohes Plus und eine politische Kehrtwende in letzter Minute.

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