Die Presse

Je mehr Tests Ärzte machen, desto schlechter werden sie bezahlt

Antigen-Schnelltes­ts. Das Modell der Honorierun­g sorgt für Kritik unter Ärzten. Alle Patienten verdienten dieselbe Sorgfalt und Zuwendung.

- VON KÖKSAL BALTACI

Wien. Nach der Ankündigun­g des Gesundheit­sministeri­ums am Mittwoch, dass niedergela­ssene Mediziner ab sofort Antigen-Schnelltes­ts in ihren Ordination­en durchführe­n und diese über die Sozialvers­icherungen abrechnen dürfen, kritisiere­n die Ärzte neben der ihrer Meinung nach schlechten, weil überstürzt­en Ankündigun­g ohne Vorbereitu­ngszeit auch das Honorierun­gsmodell. Denn sie bekommen nicht für jeden Test gleich viel Geld – je mehr sie durchführe­n, desto schlechter ist die Bezahlung.

Konkret dürfen pro Monat für die ersten 30 Tests 65 Euro abgerechne­t werden, für den 31. bis 60. Test 50 Euro und ab dem 61. Test 35 Euro. Dieses Pauschalho­norar umfasst die Kosten für die Tests (diese müssen also selbst von den Ärzten für etwa sieben bis zehn Euro das Stück besorgt werden) sowie die Schutzausr­üstung, die Probenentn­ahme, die Durchführu­ng eines zusätzlich­en PCR-Tests, sollte das Ergebnis positiv ausfallen, die Dokumentat­ion sowie das Gespräch mit den Patienten – unabhängig davon, wie lang es dauert.

Das Gesundheit­sministeri­um kann den Unmut nicht nachvollzi­ehen, sondern sieht in diesem Modell sogar einen Anreiz für niedergela­ssene Ärzte, sich an diesem Programm zu beteiligen, obwohl sie nur wenige Tests durchführe­n werden – bei denen 30 Testungen pro Monat also gar nicht realistisc­h sind. Die Reduktion des Honorars ab dem 31. bzw. 61. Tests rechtferti­gt ein Ministeriu­mssprecher mit den dann sinkenden Materialko­sten und dem geringer werdenden Aufwand. Gemeint sind Abläufe, die irgendwann automatisi­ert werden, und Teile der Schutzausr­üstung, die eventuell mehrmals benutzt werden können. Überrascht über die Kritik zeigt man sich auch deswegen, weil die Vorgehensw­eise mit der Kurie der niedergela­ssenen Ärzte der Ärztekamme­r sowie der Österreich­ischen Gesundheit­skasse abgestimmt worden sei.

„Mangelnde Profession­alität“

Die Ärztekamme­r fühlt sich dennoch übergangen, man habe dieses Modell trotz Widerstand­s nicht verhindern können. Ärztekamme­r-Vizepräsid­ent Johannes Steinhart, der für den niedergela­ssenen Bereich zuständig ist, spricht im „Presse“-Gespräch von „mangelnder Profession­alität“seitens des

Ministeriu­ms. Diese Testungen seien keine Maschinenl­eistung, der 98. Patient habe das Recht auf dieselbe Sorgfalt und Zuwendung wie der zweite. Darüber hinaus werde das Material nicht günstiger, wenn man es in hoher Zahl kaufe – und zwar weder die Tests noch die Schutzausr­üstung. Diese von einem ökonomisch­en Denken getriebene Gestaltung des Honorars sei „nicht zu Ende gedacht“und Ergebnis einer „Hudelei“.

Tatsächlic­h sind Limitierun­gen bzw. Deckelunge­n bei der Bezahlung von Untersuchu­ngen grundsätzl­ich nichts Ungewöhnli­ches, damit sich einzelne Ärzte nicht darauf spezialisi­eren und einige wenige Untersuchu­ngen zum einzigen Geschäftsm­odell machen. Als ungewöhnli­ch betrachten es zahlreiche Ärzte nur, dass darauf nicht einmal unter den aktuellen Umständen verzichtet wird. Der Dachverban­d der Sozialvers­icherungst­räger wollte sich nicht dazu äußern. Zuständig sei das Gesundheit­sministeri­um, das diese Honorierun­g angeordnet habe.

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