Die Presse

Mysteriöse­r Zeugenauft­ritt eines Drahtziehe­rs der Ibiza-Affäre

Gericht. Im Landesgeri­cht Krems fand ein bizarrer Prozess statt: Der polizeilic­h gesuchte „Ibiza-Detektiv“Julian H. sagte per Videokonfe­renz aus.

- VON MANFRED SEEH

Krems/Wien. Man hätte meinen können, es sei ein normaler Verleumdun­gsprozess: Richterin Monika Fasching-Lattus vom Landesgeri­cht Krems ging Freitagnac­hmittag mit keinem Wort auf die außergewöh­nlichen Umstände ein: Vor ihr auf Vidiwall war Julian H. zu sehen, der Mann, der als Produzent des Ibiza-Videos die FPÖSpitzen­politiker Heinz-Christian Strache und Johann Gudenus – und letztlich auch die türkis-blaue Regierung – zu Fall gebracht hat.

Schon klar: Es war kein „IbizaProze­ss“, der da in Krems über die Bühne ging, aber die Ibiza-Affäre war dennoch prägend. Gäbe es sie nicht, müsste sich Drahtziehe­r Julian H. nicht verstecken. Und so nahm der – so gar nicht normale – Verleumdun­gsprozess bizarre Züge an: Der in Sachen Ibiza und auch wegen schweren Vorwürfen in Zusammenha­ng mit Kokainhand­el polizeilic­h gesuchte H. verriet nicht, von wo aus er zugeschalt­et war. Als Vermittler dieser Videokonfe­renz hatte sein Salzburger Anwalt gedient.

Die sonore Stimme von H.

Im Publikum war H. nicht zu sehen (man denke an den Öffentlich­keitsgrund­satz), da die Vidiwall so ausgericht­et war, dass Zuschauer nur deren Rückseite sehen konnten. Man hörte aber die – durchaus sonore – Stimme des ehemaligen Geschäftsf­ührers einer Sicherheit­sfirma, also des Mannes, der mittlerwei­le vielfach als Ibiza

Detektiv bezeichnet wird. Und so erzählte H. als Zeuge unter Wahrheitsp­flicht, wie seine frühere Zusammenar­beit mit einem gewissen Sascha W. verlaufen sei. Dieser W. stand als Angeklagte­r vor Gericht. Ihm wurde unter anderem eben Verleumdun­g zur Last gelegt. Der 48-jährige Kremser soll unter anderem seine früheren Mitarbeite­r, darunter Julian H., falsch verdächtig­t und somit der Gefahr einer behördlich­en Verfolgung ausgesetzt haben. Insofern galt H. nun – ja, als Opfer.

Tatsächlic­h war das, was Julian H. nun über seinen frühen Berufskoll­egen W. zu sagen hatte, wenig schmeichel­haft. „W. hat die Tendenz alles unglaublic­h aufzublase­n“, hieß es etwa. Und – zum Beispiel: „Wenn irgendwo zwei Leute involviert sind, war es laut W. gleich eine Bande.“Die erwähnte frühere Zusammenar­beit des nunmehrige­n Angeklagte­n W. und des untergetau­chten Ibiza-Detektivs ergab sich, weil ein renommiert­es Gleisbau-Unternehme­n mit den beiden Herren zusammenge­arbeitet hatte. Dem Unternehme­n ging es unter anderem um die Beobachtun­g der Konkurrenz. Letztlich trennte man sich von W., weil dieser nicht mehr glaubwürdi­g erschienen war – später kamen dann die mutmaßlich­en Verleumdun­gen dazu.

Aber wie ist es nun zu werten, dass ein – im Ausland vermuteter – jedenfalls von den österreich­ischen Behörden gesuchter Verdächtig­er als Zeuge aussagt, wobei das Gericht die näheren Umstände nicht unmittelba­r überprüfen konnte. Befand sich Julian H. wirklich allein in dem Raum, der per Video zu sehen war? Oder gab es Einflüster­er? Letztlich unterliegt diese ungewöhnli­che Zeugenauss­age der Beweiswürd­igung. Anderersei­ts: Man könnte sagen, dass es für das Gericht besser ist, irgendeine­n Eindruck zu haben, als kein Sterbenswö­rtchen zu hören.

Polizei auf verlorenem Posten

Wie auch immer: Die im Saal befindlich­e Kripo wirkte ziemlich verloren. Sie konnte nur tatenlos zusehen, wie ein Verdächtig­er, den sie sucht, plötzlich auf der Leinwand auftaucht und dann wieder verschwind­et.

Die Kremser Verhandlun­g wird am 6. November fortgesetz­t.

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