Vergesst die graue Theorie, baut Kartenhäuser!
Die Coronapandemie gefährdet den Schulbetrieb. Warum verkürzt man ihn nicht auf ein erträgliches Maß? Wetten, dass die Schüler nicht dümmer werden, sondern nur ausgeglichen?
Wie so vieles Deprimierende kommt auch diese Meldung aus den USA: Eine Studie der Universität von Michigan ergab, dass die Schüler 2004 pro Woche um 7,5 Stunden mehr Zeit mit Unterricht und Hausübungen verbrachten als jene 20 Jahre zuvor. Das dürfte in der Zwischenzeit eher schlimmer geworden sein. In unserer schönen digitalen Welt wird Kindern außerhalb der pädagogischen Anstalten ebenfalls Termindruck aufgeladen. Ihr Tagesablauf ähnelt dem der Erwachsenen – durchgetaktet, voll unter Kontrolle.
Auch Aufmunterndes kommt jedoch aus den USA: „Reason“, ein libertäres Magazin, das die Studie aus Michigan zitiert, fordert mehr Freizeit für Kinder, damit sie spielerisch jene Leidenschaften entdecken, die sie für ihre Entwicklung brauchen.
Der Gegengift- Seniorenklub, dessen Mitglieder vereinzelt noch immer auf dem Heimweg von der Arbeit „School’s out“von Alice Cooper herausbrüllen (obwohl die Siebzigerjahre längst passe´ sind), pflichtet diesem Vorschlag der Vernunft bei. Haben wir die jüngeren Generationen nicht allzu wild darauf trainiert, sich so zu benehmen, als wären sie bereits kleine Manager? Wird den Kindern heute nicht eine allzu strikte Agenda auferlegt? Die derart Gedrillten glauben es kaum, wenn Boomer erzählen, dass sie einst völlig ohne Aufsicht ihre Nachmittage in Scharen verplemperten – scheinbar absichtslos, ziellos. Doch das waren die wunderbaren Jahre. Die Musicbox inklusive.
Vielleicht ergibt sich gerade aus der gegenwärtigen Krise die Chance für eine radikale Reform. Verzagte Beamte jammern, dass der Schulbetrieb durch die Coronapandemie gefährdet sei. Wie wäre es mit folgenden Vorbeugemaßnahmen, liebes Unterrichtsministerium, liebe Landesschulräte, Elternvertreter, Direktoren, Lehrer und Gewerkschafter: Entrümpelt den Lehrplan zumindest für ein Jahr auf das Allernotwendigste. Drei oder vier statt fünf Tage Unterricht pro Woche, die Stunden auf erträgliche 35 Minuten verkürzt (die aber höchst intensiv). Zum Chillen gibt es weit längere Pausen. Und viel Zeit für Sport, Musik und allerlei andere Hobbys – ohne Smartphones et cetera. Lassen wir mehr Gedankenfreiheit! Wetten, dass die Schüler nicht dümmer werden, sondern nur ausgeglichen?
Albert Einstein hat seine Freizeit als Kind übrigens gern mit dem Bau von Kartenhäusern zugebracht, liest man in „Reason“. Ob ihm das später speziell bei seinen bahnbrechenden Theorien geholfen hat, ist relativ egal. Hauptsache, der Bub hatte Spaß bei dieser Passion. Und Jeff Bezos sammelte beim Herumstreunen in Florida Obst auf, das von Bäumen im öffentlichen Raum fiel, verkaufte es dann auf der Straße. Zum globalen Versandhandel war es nicht mehr so weit.