„Onegin ist nicht berechnend“
Sänger im Gespräch. Bariton Andr`e Schuen debütiert in der StaatsopernPremiere am Sonntag als Eugen Onegin. Der „Presse“erzählte er, was ihn an dieser Rolle reizt.
Er fiel als Guglielmo in der „Cos`ı fan tutte“der heurigen Salzburger Festspiele auf, sorgte im September in derselben Partie sowie als Papageno in der „Zauberflöte“an der Bayerischen Staatsoper für Freude und Kritikerlob. Nun folgt das Debüt an der Wiener Staatsoper – und das gibt Andr`e Schuen gleich in der Titelrolle von „Eugen Onegin“: Die Karriere des Südtiroler Baritons ist auf einem Höhepunkt, auf dem ihn Staatsoperndirektor Bogdan Rosˇciˇc´ fix als Ensemblemitglied ans Haus am Ring holt.
Ein Faktum, das Schuen, der am Salzburger Mozarteum ausgebildet wurde und später Teil des Young Singer Projects der Festspiele war, nicht nur mit Stolz, sondern auch mit Ehrfurcht erfüllt. Von seinem Charakter her tendiere er eher nicht zu dem Gedanken „Jetzt habe ich es geschafft“, sondern vielmehr zu „Jetzt wird es besonders anspruchsvoll“, sagt er bescheiden. Dabei kann der 36-Jährige auf beachtliche Erfolge verweisen.
Kennern fiel er schon im Ensemble der Oper Graz sowie als Gast bei den Salzburger Festspielen und im Theater an der Wien auf – etwa in den Da-Ponte-Opern unter Nikolaus Harnoncourt als Figaro, Guglielmo und Don Giovanni oder aber als Hamlet in der Uraufführung von Anno Schreiers gleichnamiger Oper. Der aus einer musikalischen Familie stammende Schuen, der auch professionell Cello spielte und dessen Schwestern
Mitglieder des Poptrios Ganes sind, war zuletzt als Marcello in „La Boh`eme“in Genf, als Don Giovanni in Nancy, Hamburg und Luxemburg und als Olivier in „Capriccio“in Madrid unter der Regie von Christof Loy zu sehen. Auch als Lied- und Oratoriensänger ist er gefragt. Die Hauptrolle in Tschaikowskys „Eugen Onegin“hat er bereits konzertant in Lissabon gesungen.
Inszenierung im Speisesaal
Schuens erste szenische Interpretation der Rolle findet somit in Tcherniakovs berühmtberüchtigter Inszenierung statt, die 2006 am Bolschoi-Theater in Moskau Premiere hatte, ausschließlich in einem klassizistischen, hermetisch abgeriegelt wirkenden Speisesaal spielt und nach Aufführungen in Paris, London, New York und Tokio nun in Wien gezeigt wird. Schuen strebt eine besonders differenzierte Darstellung des Charakters an, der eine Gratwanderung zwischen überheblichem Egomanen und Identifikationsfigur erfordert: „Ich habe oft das Gefühl, dass Onegin zu unsympathisch dargestellt wird. Ich empfinde ihn anfangs als jungen Mann auf der Suche. Als Dandy, der wirklich glaubt, dass er zu einer Beziehung nicht fähig ist. Das sagt er in aller Offenheit und natürlich nicht mit großer Sensibilität. Aber ich denke nicht, dass Onegin dies berechnend tut.“Wie Onegin Wärme und Eleganz, aber zugleich Distanziertheit ausstrahlen könne? „Ich denke, dass ein großer Teil dieses Zwiespalts schon in der Musik Tschaikowskys hineinkomponiert ist und man daraus schöpfen kann. Besonders reizvoll ist der Bruch zwischen dem jungen, distanzierten Onegin und dem reiferen Onegin, der nun selbst bitterste Abweisung erfährt.“
Demnächst Marcello und Papageno
In dieser Saison wird Schuen an der Staatsoper auch den Marcello in der „Boh`eme“, den Grafen Almaviva in „Le Nozze di Figaro“und den Papageno interpretieren. Er sei froh, sagt er, mit lauter Rollen in Wien anzutreten, die er bereits gesungen hat – und darüber, „dass es Partien aus verschiedenen Fächern und in verschiedenen Sprachen sind. Für mich ist es wichtig, Partien mit Bedacht zu wählen, gesangstechnisch und musikalisch zu reifen. Meine Hoffnung ist, an der Staatsoper eine Heimat zu finden, die eine lange künstlerische Zusammenarbeit ermöglicht.“
Mozart-Opern sind derzeit sein Kernrepertoire. Jedoch: „Ich denke, dass es für mich gut ist, mein Repertoire von diesen ausgehend langsam zu erweitern, etwa in Richtung Wolfram in ,Tannhäuser‘ und Posa in ,Don Carlo‘. Ansonsten wären z. B. Malatesta in ,Don Pasquale‘, Enrico in ,Lucia di Lammermoor‘ und Valentin in ,Faust‘ weitere Ideen, die ich gut fände.“Und für die fernere Zukunft? „Traumrollen sind Johanaan, Mandryka, Jago, Conte di Luna, Wozzeck, . . . Ob und wann es dazu kommen wird, muss aber die stimmliche Entwicklung zeigen“, sagt Schuen – und wirkt dabei einmal mehr besonders bescheiden.
Premiere: 25. 10., 19 Uhr, es dirigiert Toma´ˇs Hanus.