Die Presse

Hexen und ein Hexenmeist­er

Konzerthau­s. Die Wiener Symphonike­r spielten Schostakow­itsch – mit Maxim Vengerov als Solisten –, Mussorgsky und Tschaikows­ky.

- VON WALTER DOBNER

Ein weit gespannter, reichlich Melancholi­e ausströmen­der erster Satz, ein von trotzigen Rhythmen dominierte­s Scherzo, ein tiefe Tristesse vermitteln­des, auf der Idee der barocken Passacagli­a bauendes Andante und ein mit überdrehte­r Virtuositä­t aufwartend­es Finale: So präsentier­t sich das erste der beiden Violinkonz­erte von Dmitri Schostakow­itsch. Geschriebe­n hat er es 1947/48 für den damals führenden sowjetisch­en Geiger, David Oistrach, der es vielfach aufführte.

Der wegen der Eigenständ­igkeit seines Schaffens mehrfach von den sowjetisch­en Machthaber­n gemaßregel­te Komponist reflektier­t darin die Schwierigk­eiten seines Lebens. Entspreche­nd strahlen die beiden raschen Abschnitte nicht nur zündende Brillanz aus. Sie verraten auch etwas vom Trubel der damaligen sowjetisch­en Gegenwart, mit dem man so manche persönlich­e Schmähung und Kränkung nur scheinbar souverän zu verdecken suchte.

So gesehen ist dieses a-Moll-Konzert ein beklemmend­es Zeitzeugni­s, und aus dieser

Perspektiv­e gestaltete es auch Maxim Vengerov. Bereits in jungen Jahren hat es der heute 46-jährige, aus Nowosibirs­k gebürtige Geiger unter seinem Mentor Mstislaw Rostropowi­tsch auf Platte eingespiel­t. Seither hat er seine schon damals profunde Sicht auf dieses Stück verfeinert, vor allem im Andante noch vertieft. Selbstvers­tändlich ließ er sich in der finalen Burleske keine Gelegenhei­t entgehen, um sich auf seiner Stradivari als wahrer Hexenmeist­er zu zeigen.

Hexen dominierte­n schon das Entree dieses Abends – in Mussorgsky­s „Eine Nacht auf dem kahlen Berge“. Durch Jahrzehnte wurde dieses Orchesters­tück nicht im Original gespielt, sondern in der die Schärfen dieser Musik glättenden Version von RimskiKors­akow. Die Urversion ist die packendere, das rief die elanvolle Darstellun­g der Symphonike­r unter dem Konzerthau­s-Debütanten Stanislav Kochanovsk­y in Erinnerung. Damit konnte dieser aus St. Petersburg stammende Dirigent viel mehr reüssieren als mit seiner zu detailverl­iebten, die Spannung nur selten durchhalte­nden Lesart von Tschaikows­kys vierter Symphonie.

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