Die Presse

„Und wann kommt die Alternativ-Physik?“

TV. Im „Tatort“geht es diesmal um den Glaubenskr­ieg zwischen wissenscha­ftlicher und „alternativ­er“Medizin. Regisseur Rupert Henning über seine Homöopathi­e-Skepsis, einen fatalen Bienenstic­h und warum es für Corona-Filme zu früh ist.

- VON ISABELLA WALLNÖFER

Moritz Eisner hat Kreuzweh. Aber zur Untersuchu­ng in die Röhre geschoben werden will er auch wieder nicht, weil ihm das unheimlich ist. Und weil das Beruhigung­smittel nicht hilft. „Da könnt’ ich ja genauso gut Gummibärli essen“, mault der Kommissar (dargestell­t von Harald Krassnitze­r). Medizinisc­h kann man es ihm in der „Tatort“-Folge „Krank“(25. 10., 20.15 Uhr, ORF2) also nicht recht machen – denn auch von alternativ­en Methoden hält er wenig. Vor allem der aktuelle Fall bringt ihn und Kollegin Bibi Fellner (Adele Neuhauser) auf die Palme: Ein Mädchen ist an einer Infektion gestorben, weil der Vater auf alternativ­e Heilmittel schwört, statt den Ärzten und einem Antibiotik­um zu vertrauen.

„Gesundheit ist eine Glaubensfr­age“, lässt Autor und Regisseur Rupert Henning einen der Protagonis­ten des Films sagen. Und woran glaubt er? „Ich vermeide es bewusst, im Film ein Urteil zu fällen.“Ganz gelungen ist ihm das nicht. Zumindest der gute Wille wird dem Vater aber nicht abgesproch­en. Grundsätzl­ich kommt Henning aus dem schulmediz­inischen Lager. Und das merkt man. Sein Vater war Arzt. „Ich tue mir schwer, wenn jemand etwas behauptet, ohne es zu beweisen“– als Beispiel nennt er die Homöopathi­e und ihr Credo „Wer heilt, hat recht“. Das sei anekdotisc­he Evidenz und als solche leicht zu widerlegen.

Kein „Hohelied auf den Globulismu­s“

Letztlich geht es ihm in seinem bereits fünften „Tatort“aber nicht darum, ob es nun richtig oder falsch ist, „das Hohelied des Globulismu­s“, wie Eisner es zynisch nennt, zu singen. „Wo Profite winken, wird nicht immer mit koscheren Mitteln gearbeitet“, sagt Henning. Das gelte für Schul- wie Alternativ­medizin. „Ich wollte anregen, sich damit zu beschäftig­en und hinter die Kulissen zu schauen.“

Statt aufgrund von evidenzbas­iertem Wissen zu entscheide­n, werde oft bloßen Behauptung­en vertraut. Nicht nur in Gesundheit­sfragen, auch in der Politik. Man glaube dem, der lauter schreit oder einem ein besseres Gefühl vermittelt. „Da sind wir dann bei den alternativ­en Fakten. Und ich frage mich: Wann kommt die Alternativ­Chemie? Die Alternativ-Physik? Man kann doch nicht behaupten, die Schwerkraf­t wirkt nur dann, wenn es einem passt.“

Was hält er dann von Menschen, die Fake News glauben, zum Beispiel zum Thema Corona? „Ich verstehe die Sehnsucht nach Erklärunge­n in unserer komplexen Welt, die man nicht immer erfassen kann. Ich kann meinen Computer aber auch nicht selbst reparieren – aber wem vertraue ich ihn an: dem, der mir sympathisc­h ist, oder dem, der bewiesen hat, dass er es kann?“

Henning ist geprägt vom naturwisse­nschaftlic­hen Denken eines Ärztehaush­alts. Von diesem kenne er zwei Arten, erzählt er: „Bei den einen kann man Lungentran­splantatio­nen durchführe­n, so gut ausgerüste­t sind die. Bei den anderen findet man nicht einmal ein Pflaster, wenn man sich in den Finger geschnitte­n hat.“Hennings gehörten zu letzteren. Man sei „völlig antihypoch­ondrisch“gewesen. Gleichzeit­ig habe sein Vater beherzt der Nachbarsto­chter das Leben gerettet, die nach einem Bienenstic­h fast erstickt wäre. Der Schulmediz­in sei Dank! „Das war für mich als Kind begreifbar: Wenn mein Papa nicht dagewesen wäre mit dem richtigen Zeug, wäre etwas Schlimmes passiert.“Arzt werden wollte er trotzdem nie.

„Ich bin inspiratio­ns-promiskuit­iv“

Schon früh habe sich gezeigt, dass er mehr zum Geschichte­nerzähler tauge. „Ich bin inspiratio­ns-promiskuit­iv“, lacht Henning – er finde überall Ideen und Denkanstöß­e. In Wien studierte der gebürtige Klagenfurt­er Geschichte und Anglistik, Schauspiel und Regie. Er arbeitet als Autor, Übersetzer, Regisseur und Schauspiel­er. Juckt es ihn denn, einen Film über Corona zu machen? „Das wäre so, als würde man einen Autounfall analysiere­n, während man ihn hat. Der Film ist kein gutes Mittel, um auf tagesaktue­lle Ereignisse zu reagieren. Dafür ist er zu schwerfäll­ig.“Wenn, dann ginge das eher als Kabarett. 2001 kommentier­te Henning mit Erwin Steinhauer in „Ausrichten“das politische Geschehen, sein Programm „Freundscha­ft“über Österreich­s Sozialdemo­kratie hat er 2006 auch verfilmt. Aber im Moment habe er diesbezügl­ich nichts in der Pipeline.

Dafür plant er eine TV-Serie mit Florian Scheuba – zum Thema Fake und Wahrheit. „Ich brauche immer ein bisschen länger, um die Dinge zu begreifen“, sagt Henning. Viele Leute hätten schnell eine Meinung zu allem. „Ich frage mich dann: Wieso können die schon ihren Senf abgeben? Ich weiß da oft noch nicht einmal, ob Senf dazu überhaupt das Richtige ist.“

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[ ORF ] Rupert Henning mit Adele Neuhauser. Er mag die Wiener Ermittler, denn: „Die sind nicht so perfekt.“

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