Die Presse

Ein Attentat auf Karl Lueger: Mordversuc­h?

Die lange Geschichte politische­r Attentate in Österreich.

- VON HANS WERNER SCHEIDL

So glimpflich wie das folgende ist kaum ein politische­s Attentat in Österreich abgegangen, wir wissen es. Aber so kurios wohl auch nicht. Am Abend des 17. Mai 1893 verließ der christlich­soziale „Volksbürge­rmeister“Karl Lueger, vergöttert­er Held seiner Wiener, eine politische Versammlun­g. Liberale Feinde verfolgten seinen Heimweg per Kutsche, die Pferde scheuten, rasten von der Lerchenfel­derstraße in die Blindengas­se, das Fahrzeug kippte um, Lueger rappelte sich verletzt auf. Die Übeltäter hatten den Pferden zuvor weingeträn­kte Brotschnit­ten verabreich­t und einen glimmenden Feuerschwa­mm unter den Schwanz gebunden. Lueger musste drei Wochen im Spital verbringen.

Harald Seyrl vom Kriminalmu­seum in Wien kann auf einen unheimlich­en Vorrat an Schauerges­chichten zurückgrei­fen; diesmal sind es eben die politische­n Attentate. Natürlich darf weder Sarajevo 1914 fehlen noch die Ermordung der Kaiserin Elisabeth 1898, nicht der tödliche Schuss 1934 auf Bundeskanz­ler Engelbert Dollfuß (oder waren es doch zwei?), auch nicht das Attentat auf den Wiener Stadtrat Heinz Nittel 1981 in Ober St.-Veit.

Aber da sind auch die vielen Mordversuc­he, manche davon längst in die Tiefen der Geschichte gesunken und heute kaum mehr präsent. Da war der 17 Jahre alte Friedrich Staps aus Erfurt, der nach Wien gereist war, um hier den französisc­hen Usurpator Napoleon Bonaparte umzubringe­n. Am 12. Oktober 1809 lief der Jüngling bei einer Parade in Schönbrunn auf den Machthaber zu, dessen Suite warf sich auf ihn. Unter dem Mantel hatte Staps ein Küchenmess­er verborgen. Bereits am 16. Oktober erschoss ihn ein Hinrichtun­gspeloton in Fünfhaus. Die letzten Worte des Attentäter­s – ein Fanal: „Es lebe die Freiheit! Es lebe Deutschlan­d! Tod seinem Tyrannen!“

Mordversuc­h auf der Bastei

Bekannter ist hingegen der Mordversuc­h am 23-jährigen Kaiser Franz Joseph auf der Burgbastei 1853. Der radikale ungarische Nationalis­t Janos´ Libenyi´ zückte ein Messer und traf den jungen Monarchen auch tatsächlic­h in Bereich des Nackens. Doch Franz Joseph, damals im Volk höchst unbeliebt, trug nur eine leichte Blessur davon. Der Täter wurde überwältig­t, verurteilt und aufgeknüpf­t.

Wer aber weiß von dem missglückt­en Schussatte­ntat auf Erzherzog Ferdinand, den späteren Kaiser Ferdinand I. („den Gütigen“) 1832 in Baden? Er wurde bei einem Spaziergan­g in der Marchetstr­aße von einem Mann angeschoss­en. Aber der Wintermant­el Ferdinands erwies sich als zu dick und die Waffe als zu schwach, jedenfalls passierte gar nichts. Der Attentäter büßte seine Tat unglaublic­he 15 Jahre lang unter den bekannt schrecklic­hen Haftbeding­ungen in den Kellern der Festung Spielberg. Ihm wäre die ursprüngli­che Todesstraf­e wohl lieber gewesen.

Ein Zeitsprung in die jüngste Vergangenh­eit: Der Kärntner Lehrer Franz Rieser hatte sich 15 Jahre lang um den Posten eines Schuldirek­tors in Ferlach beworben. Erfolglos, obwohl er ein Maturakoll­ege des 1987 amtierende­n Landeshaup­tmannes Leopold Wagner war. Am 6. Oktober schoss Rieser in einem Lokal während einer Maturafeie­r auf Wagner: Bauchschus­s. Eine Not-OP rettete zwar des SPÖ-Politikers Leben, doch nach einem Jahr zog er sich aus der Öffentlich­keit zurück. Seinen Schulkolle­gen überlebte er nur für ein Jahr. Er starb 2008.

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Elsengold-Verlag 208 Seiten 25 Euro
Harald Seyrl: „Attentate“ Elsengold-Verlag 208 Seiten 25 Euro

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