Donald Trump, der Lebensschützer?
Gastkommentar. Kein US-Präsident vor Donald Trump setzte derart starke Signale an die „Pro-Life“-Bewegung.
Man mag sich an der Person Donald Trump aufgrund seines Auftretens bzw. Kommunikationsstils noch so sehr echauffieren. Eines steht fest: Trump wird als „Lebensschutzpräsident“in die bisherige US-Präsidentschaftsgeschichte eingehen. Eine übertriebene Behauptung? Keineswegs.
Bereits unmittelbar nach Amtsantritt führte Trump die unter Präsident Ronald Reagan im Jahr 1984 begonnene „Mexico City Policy“, nach der sämtlichen NGOs, die Informationen und Dienstleistungen bezüglich Schwangerschaftsabbrüchen anbieten, die finanziellen Mittel gestrichen werden, wieder ein. Durch diesen Schritt setzte der Präsident eine deutliche gesellschaftspolitische Positionierung zum Thema Abtreibung. Eine noch stärkere Signalwirkung war die Teilnahme Trumps als erster US-Präsident überhaupt beim „March for Life“am 24. Jänner 2020 in Washington, bei dem der Präsident zum Abschluss folgende Worte sprach: „Und vor allem wissen wir, dass jede Seele göttlich ist und jedes menschliche Leben, ob geboren oder ungeboren, im heiligen Antlitz des Allmächtigen Gottes erschaffen wurde“. Auch das ist Präsident Trump!
Dass diese Worte keine reinen Lippenbekenntnisse eines Heuchlers sind, zeigt sich insbesondere an der jüngsten Ernennung von der siebenfachen Mutter und Katholikin Amy Coney Barrett als Nachfolgerichterin für das US-Höchstgericht. Sollte der Senat die Bestellung von Barett bestätigen (wofür aufgrund der republikanischen Mehrheit alles hindeutet), dann könnte diese Entscheidung weitreichende Folgen für die Rechtsprechung im US-Höchstgericht in den nächsten Jahren nach sich ziehen. Denn das Grundsatzurteil „Roe vs Wade“aus dem Jahr 1973, in welcher der Gerichtshof entschieden hatte, dass die damaligen Abtreibungsbestimmungen einiger US-Bundesstaaten gegen das Verfassungsrecht auf Privatsphäre verstießen, erhitzt auch noch nach fast 50 Jahren die Gemüter. „Pro-Life“auf der einen Seite, „Pro-Choice“auf der anderen. Durch die Neuausrichtung des US-Höchstgerichts mit nunmehr eindeutig konservativem Überhang, erhoffen sich insbesondere christlich-konservativ eingestellte Wählergruppen einschneidende Änderungen in der Abtreibungsgesetzgebung, bis hin zu einer Totalkorrektur von „Roe vs Wade“, was zur Folge hätte, dass die US-Bundesstaaten wieder unabhängig ihre eigenen strafrechtlichen Regelungen zur Abtreibung treffen könnten.
Kann Wahl (mit)entscheiden
Zwar erscheint ein vollständiges Kippen dieser Grundsatzentscheidung in näherer Zukunft als sehr unwahrscheinlich. Dennoch: Lebensschützer verspüren in den USA wieder Aufwind. Und ganz im Gegensatz zu fast allen europäischen Ländern, in denen das Thema Abtreibung längst „durch“ist und demzufolge eine kritische Diskussion gar nicht mehr stattfindet (bzw. nicht stattfinden darf ), ist kein US-Wahlkampf vorstellbar, ohne eine klare Positionierung des jeweiligen Präsidentschaftskandidaten zur Abtreibungsfrage. Mehr noch: Das Thema Abtreibung kann eine Wahl (mit)entscheiden. Beispielsweise wurde George W. Bush nicht trotz, sondern gerade wegen seiner damaligen AntiAbtreibungsposition im Jahr 2004 (wieder)gewählt.
Auf einen solchen Effekt scheint auch Donald Trump für seine Wiederwahl zu setzen und sich damit ganz bewusst von seinem Herausforderer Joe Biden bzw. dessen Kandidatin für die Vizepräsidentschaft Kamela Harris inhaltlich abzugrenzen. Und so viel ist sicher: Im Fall eines Sieges von Biden würde kein Versuch unterbleiben, die Bemühungen von Donald Trump für den Lebensschutz rückgängig zu machen.
Dr. Michael Etlinger ist Jurist und seit 1999 in verschiedenen Institutionen für den öffentlichen Dienst tätig.
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