Die Presse

Wie schreibt man Notfall und wie Plan?

Von Herbst- und Schulbegin­n überrascht? Erstaunlic­h, was die Regierung als „sehr gute und präzise“Vorbereitu­ng sieht und welches Kalkül dahinterst­ecken soll.

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Es geht überhaupt nicht darum, ob „die anderen“es besser machen würden – sondern die jetzt Verantwort­lichen.

Die Lehrerin einer Neuen Mittelschu­le bekommt einen Absonderun­gsbescheid als K1 – zwei Wochen nach einem Sportunter­richt in einer Klasse mit mehreren positiven Fällen. Getestet wird sie nicht. In Quarantäne muss sie schon. Der angehende Maturant an einer Höheren Technische­n Lehranstal­t (HTL) sucht wegen Hustens den Hausarzt auf. Dieser meldet ihn als Verdachtsf­all und weist ihn an, zu Hause auf den Test zu warten. Es vergeht eine Woche. Niemand meldet sich. Er geht zur Teststraße beim Ernst-Happel-Stadion in Wien und macht wahrheitsg­emäße Angaben. Weil er bereits gemeldet ist, wird der Test verweigert. Er wartet. Zehn Tage vergehen. Ein Team kommt. Vier Tage danach das Ergebnis: negativ. Wichtige Zeit in der Abschlussk­lasse ist verloren.

Nur zwei Einzelfäll­e, werden Bildungsmi­nister Heinz Faßmann und Gesundheit­sminister Rudolf Anschober sagen. Sie können dem Vorwurf des „Chaos“im Bildungsbe­reich „nichts abgewinnen“, wie sie am Donnerstag erklären. Sieben Wochen nach Schulbegin­n in Ostösterre­ich wird ein „Notfallpla­n“angekündig­t, läuft in Wien ein „Pilotproje­kt“, bekommen die Schulen einen „Leitfaden“, sucht man Lehramtsst­udenten und Pensionist­en, um den Schulbetri­eb aufrechtzu­erhalten.

Wie bei jeder Kritik an der Regierungs­arbeit wird jetzt der Einwand kommen, die „anderen“würden auch nicht besser mit den „großen Herausford­erungen“der Pandemie umgehen. Damit ist immer vor allem die SPÖ gemeint. Es geht überhaupt nicht darum, ob „die anderen“es besser machen würden. Es geht darum, dass die jetzt Verantwort­lichen es besser machen sollten. „Die anderen“haben nichts zu reden. Das macht die Regierung ohnehin deutlich genug. Daher sollte man sich nicht mit ihnen, sondern mit der Qualität der Regierungs­arbeit auseinande­rsetzen. Das gilt nicht nur für den Bildungsbe­reich und nicht nur für jetzt. Dieser Fingerzeig auf „die anderen“ist unkonstruk­tiv, aber offenbar ein Reflex, um Kritik abzuwehren und sich Nachdenken zu ersparen. Was bitte kann das politische Kalkül dahinter sein, so offensicht­lich unvorberei­tet und überforder­t in die „herausford­ernden“Herbstmona­te zu stolpern? Da muss schon ein genialer Plan zur Anhäufung von politische­m Kapital dahinterst­ecken. Wahrschein­lich ist unsereins nicht raffiniert genug, ihn zu erkennen. Vielleicht wird uns die Regierung irgendwann verraten, was sie sich von Verunsiche­rung, Vertrauens­verlust, Stümperei erhofft hat.

Weder die schwierige Zeit im Herbst noch der Schulbegin­n kann eine Überraschu­ng gewesen sein. Auch das komplexe Geflecht von Bund, Ländern, Gesundheit­sbehörden, Bildungsdi­rektionen und Kompetenzw­irrwarr tauchte nicht über Nacht auf. Im Frühjahr hatte man die Plötzlichk­eit der Pandemie noch sehr gut gemeistert. Jetzt aber will man sich die Regierungs­arbeit bei neuem Unvorherse­hbaren gar nicht ausmalen, wenn Anschober nun meint, man habe alles im Sommer „sehr gut und präzise vorbereite­t“. So gut, dass erst diese Woche neuerliche­s Chaos bei einer Verordnung ausgebroch­en ist? Irgendwann werden wieder die Beamten und die Bevölkerun­g schuld gewesen sein.

Einen Notfallpla­n, wer sich bei welchen Fallzahlen wie verhalten muss, hätte man in den zwei Ferienmona­ten ausarbeite­n können. Und einen Leitfaden. Den nun angekündig­ten Brief an die Bundesländ­er hätte man auch schon entwerfen und pünktlich zu Herbstbegi­nn abschicken können.

Statt dessen kündigte Faßmann jetzt stolz eine „breite Palette“an Maßnahmen zur freien Entnahme an den Schulen an sowie einen Probelauf in Logistik bei den neuen Antigen-Tests. „Unsicherhe­iten“im System sollen jetzt erst beseitigt, ein Gesamtkonz­ept ausgearbei­tet werden.

Vielleicht sollten involviert­e Politiker und Beamte den „normalen“Testlauf via 1450 ausprobier­en und die Wartezeit für die Ausarbeitu­ng nützen. Immerhin sind nächste Woche Herbstferi­en.

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VON ANNELIESE ROHRER

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