Ein Traum in Trümmern
„Nebelmaschine“: Elena Messners Theater im Theater. Eine brisante Fallgeschichte und eine Hommage an politische Kunst. Von Sophie Reyer
Dass die allgemeine Wertschätzung des Kulturbetriebs sinkt, ist ja kein Phänomen, mit dem wir in Österreich erst seit der Corona-Krise zu kämpfen haben. Doch mutet die Tatsache, dass Elena Messner genau dieses Phänomen in ihrem spannend geschriebenen Roman „Nebelmaschine“thematisiert, fast ein wenig gruselig an, zumal der natürlich noch vor dem Aufkommen des Covid-19-Virus geschrieben wurde. Prophetin oder nur intuitiv begabte Schreiberin? Dies sei dahingestellt. Eines jedenfalls ist sicher: Mit ihrem Buch liegt Elena Messner genau im Trend.
Der Titel „Nebelmaschine“lässt bereits vermuten, welchem Bereich der Kultur sich die in zwei Handlungssträngen konzipierte Prosa widmet: natürlich dem Theater – ausgerechnet dem Medium, das mit größten Problemen zu kämpfen hat. Aber gewitzt, wie die Autorin ist, erzählt sie nicht die Geschichte eines gescheiterten, hungernden Theatermachers, sondern macht die Krise des Theaters in einem diskursiv gestrickten Kriminalroman zum Gegenstand. So ist „Nebelmaschine“die leidenschaftliche Aufarbeitung einer brisanten Fallgeschichte – und gleichzeitig eine Hommage an die Durchsetzungskraft politischer Kunst.
Doch zurück zum Start: Das Ganze beginnt nämlich im Nichts. Also quasi im Nichts. Ausgangspunkt der Szenerie bildet hier nicht jene „Leerstelle“, wie sie in der Kunst immer wieder gern thematisiert wird, sondern ganz konkret eine leere Industriehalle, in der ein mutiges, junges, engagiertes Theaterteam versucht Fuß zu fassen. „Theater auf Lager“nennt sich dieses neu gegründete Kollektiv. Die Idee des Teams ist es, das Theaterstück einer Autorin umzusetzen, die mit dem Status quo der Banken und des Finanzwesens hart ins Gericht gehen möchte. Die Ausgangslage scheint alles andere als rosig: Für die Kultur ist kein Geld mehr da, denn die Krise einer Großbank hat sämtliche Landesmittel aufgebraucht, und so liegt der Traum vom Theaterbetrieb in Trümmern. Damit nicht genug: Veronika, die Protagonistin dieses Romans, ist auch ein wenig demotiviert: Sie hat die Arbeit an diversen Stadttheatern als Lichttechnikerin satt und sehnt sich nach neuen Aufgaben. Welch ein Glück, dass sie genau da beginnt, mit dem Theater auf Lager zu arbeiten. Oder?
Das Ganze fängt recht vielversprechend an: Mit einem Übermaß an Neugierde entdeckt die junge Frau diese so andere Welt: „Ich sehe mich, wie ich in der Halle stehe und schaue – mit einem besonderen Gefühl von Verbundenheit!“, heißt es zu Anfang. Ähnlich wie ein Zuschauer einem Theaterstück zusieht, so spult sich die Vergangenheit der Protagonistin Veronika vor ihrem inneren Auge ab. Nach und nach werden alle anderen Agierenden eingeführt: die langhaarige Schauspielerin Laura, die Veronika zunächst – klassisch Diva – erst ignoriert, weil sie bloß Lichttechnik macht, der Techniker Edwin, der so gar nichts von sich preisgeben mag, der geheimnisvolle Denker Niko – und einige mehr.
Doch noch bevor man sich in der Theaterwelt wohlfühlen kann, bricht Elena Messner die Form. Im nächsten Kapitel wird das Theaterstück selbst, das das Team zu proben beginnt, abgedruckt. Von nun an würzt ein dramatischer Abschnitt nach einem Prosakapitel, in dem die Erzählung chronologisch voranschreitet, das Buch. Während das Team sich nur mit einem Spielort herumschlagen muss, an dem es an technischen Möglichkeiten fehlt, werden in den dramatischen Passagen ganz andere Dinge abgehandelt: Da geht es um grauenhafte Machenschaften im Banking Business.
Elena Messner verschneidet die beiden Teile aber nicht einfach nur scherenschnittartig, vielmehr wird der Theatertext auch in der Innenschau der Protagonistin beleuchtet und kritisch beäugt. „Ich weiß noch, dass mir der Text, an dem ich mitgearbeitet hatte, während er öffentlich vorgelesen wurde, bissig und fremd erschien.“Und die Spannung steigt. Bald schon spürt man, wie dieses Gefühl von Fremdheit und Verlorensein sich in der Lagerhalle des – nomen est omen –„Theaters auf Lager“auszubreiten beginnt, und ahnt: Das kann nicht gut gehen.
Kurz darauf kommt es tatsächlich zu Kämpfen innerhalb der Gruppe, was den Duktus der Produktion betrifft: Nein, man wolle nichts „sicheres Altes“, sondern „etwas selbstsicheres Neues“, entscheidet das Team schließlich. Dass sich dabei Beamer und Nebelmaschine eine performative Schlacht liefern werden, bei der auch die Polizeigewalt nicht fehlen darf, sei hier noch erwähnt. Den Rest möge der Leser selbst entdecken – es lohnt sich. Ein geistreich geschriebener, intellektueller und trotzdem flott lesbarer Krimi. Q
Elena Messner Nebelmaschine Roman. 216 S., geb., € 21 (Edition Atelier, Wien)