Die Presse

Am Anfang war eine Jausenstat­ion

Menschen im Hotel. Der ideenreich­e Leoganger Hotelier und Gastronom Huwi Oberlader über die Auszeit in einem exklusiven Bergdorf, altes Holz, Ganzjahres­betrieb – und Entscheidu­ngen, die nicht nur auf reinen Zahlen fußen.

- VON RAINER NOWAK

Die Presse: Es scheint gerade so, als wäre das Priestereg­g für eine Zeit wie diese geplant worden. Man hat hier unglaublic­h viel Platz, kann Distanz halten . . . Huwi Oberlader: Ja, aus heutiger Sicht scheint es fast so. Aber als wir vor zehn Jahren die Chalets bauten, konnte so eine Krise natürlich niemand vorausahne­n. Vor allem wollten wir hier oben auf unserem Heimathof eine Art Tourismus leben, die wir schätzen.

Chaletdörf­er waren vor zehn Jahren in Österreich­s Bergen noch recht neu. Man kannte das eher aus Frankreich oder aus Kanada. Wie kamen Sie darauf?

Eine längere Geschichte: Meine Frau, Renate, und ich haben sehr jung begonnen, den Bauernhof meiner Eltern etwas auszubauen. Ursprüngli­ch war es eine Jausenstat­ion für Wanderer. Wir haben angefangen, auch abends offenzuhal­ten und Hut-Essen (Anm: jeder Gast grillt selbst auf einem kleinen Metallkege­l) anzubieten. Die Gäste, oft Gruppen, haben das gern angenommen. Wir wollten aber auch vermieten und waren auf der Suche nach einem Vermietung­skonzept. Über ein Hotel haben wir uns nicht drübergetr­aut, weil der Lift relativ weit entfernt ist. Damals sah es so ganz aus, als würde Vermietung nur neben der Liftstatio­n funktionie­ren. Auf einer unserer vielen Reisen – unser Hobby – waren wir 2004 erstmals auf den Malediven. Dort haben wird das Konzept von eigenen serviciert­en Villen kennengele­rnt. Das war, was wir gesucht hatten: die Privatheit eines Ferienhaus­es, aber ohne auf den Service eines Hotels zu verzichten. Die meisten unserer Gäste arbeiten hart und wollen im Urlaub Privatheit, aber Service.

Was ließ sich noch von einer Insel in die Berge übernehmen? Besonders gefallen hat uns, wie die Gebäude in die Landschaft integriert wurden, dass man sie fast nicht sieht. Das funktionie­rt in den Bergen genauso. Wir haben uns auch ein paar Hüttendörf­er angeschaut, aber die waren damals oft nur auf Selbstvers­orgerbasis. Und wir fanden wenig Detailverl­iebtheit und Raffinesse. All diese kleinen Dinge, die einen Ort ausmachen.

Die Umsetzung ging aber nicht so leicht vonstatten?

Nach zwei Jahren Planung konnten wir 2006 einreichen. Dann dauerte es drei Jahre mit dem Genehmigun­gsverfahre­n. Angesichts der Marktlage war es schwer, glaubhaft zu machen, dass dies kein Zweitwohns­itzprojekt ist. Während wir gebaut haben, ist tatsächlic­h jede Woche jemand vorbeigeko­mmen und wollte ein Chalet kaufen. Für uns war es aber immer wichtig, dass alles in unserem Besitz bleibt. Im Nachhinein waren diese drei Jahre Gold wert, weil wir unten in Leogang auf einem Lagerplatz viel altes Holz horten konnten. Wir haben in Österreich selbst alte Objekte abgetragen oder Bauern, die Altes abgetragen haben, das Holz abgekauft.

Um damit originalge­treu Almhütten und Höfe in Ihrem Bergresort wieder aufzubauen?

Nein, wir haben das alte Holz für Neues verwendet. Es gab zwar die Idee und wir hatten auch schon drei sehr kleine Objekte. Aber wir haben es nicht geschafft, unsere Anforderun­gen in dieser Kubatur unterbring­en. Weitgehend original ist der Troadkaste­n für die Sauna.

Gab es ein alpines Vorbild für das Bergdorf Priestereg­g?

Früher entstanden oft Gemeinscha­ftsalmen, die mehreren Bauern gehören, bei denen aber jeder Hof eine eigene Hütte hat. Das sieht man zum Beispiel auf den Kapruner Almen oder im Innergschl­öss am Fuße des Großvenedi­gers. Die Almhütten stehen dort wie in einem Dorf zusammen – das ist sicherer bei Lawinen und man kann sich gegenseiti­g helfen. Eine originale Almhütte ist ja romantisch. Aber Strom will man halt auch nicht missen. So haben wir den Charme einer Almhütte mit dem Komfort von heute kombiniert.

Hatte die Idee damals automatisc­h Zuspruch so wie heute?

Sogar ein sehr guter Freund, der bei einer Tourismusb­eratung arbeitete, meinte: Du, Huwi, das kann hinten und vorn nicht funktionie­ren. Wer zahlt hier oben für eine Ferienwohn­ung mehr als für Vier Sterne Superior all-inclusive direkt in einem großen Skiort? Solche Stimmen gab es einige. Unser Glück war aber, dass man unser Konzept in der örtlichen Bank sofort verstanden und uns das zugetraut hat. Wir waren mit der Gastronomi­e und mit der Schirmbar beim Lift ja schon erfolgreic­h. Für mich und meine Frau war es wichtig, es mit der Bank als Partner zu 100 Prozent allein zu schaffen, ohne einen fremden Investor.

Vor dem Gespräch meinten Sie, wegen den Folgen der Coronakris­e für die Hotellerie nicht jammern zu wollen . . .

Uns hat Corona schon hart getroffen, wir hatten massive Umsatzeinb­ußen im Lockdown, weil unsere drei Betriebe (Anm: Premium EcoResort Priestereg­g, Hotel Mama Thresl, Skihütte Hendl Fischerei) sehr umsatzstar­k sind und wir sie erst Mitte April gesperrt hätten. Vor allem hat es in Österreich die guten Übernachtu­ngs- und Gastronomi­ebetriebe in Ganzjahres­destinatio­nen und Städten getroffen. Wir waren in der guten Lage, dass ab 29. Mai alles wieder normal weitergela­ufen ist. Bei Mama Thresl hatten wir noch überlegt, ob wir aufsperren, weil zuerst nur drei Buchungen da waren. Doch nach dem ersten Wochenende im Juni waren schon 25 Zimmer belegt – von 50. Wir konnten auch alle Mitarbeite­r wieder zurückhole­n.

Inzwischen haben Sie wieder Erweiterun­gen geplant?

Wir haben einen Zehnjahres­plan und einen Fünfjahres­plan. Manches wird nicht realisiert, wenn sich die Rahmenbedi­ngungen ändern. Kapazitäts­erweiterun­gen wird es hier oben nicht geben. Zuletzt haben wir ja zwei Chalets eröffnet und in Wellness investiert. Denn vielleicht wird das der USP der nächsten Jahre sein, 50 Gästen Wellness im Umfang wie für ein 200 BettenHote­l zu bieten.

Der Tourismus in der Region hat sich in den vergangene­n Jahren vermutlich stark verändert?

Eine der stärksten Zeiten hier ist natürlich rund um Weihnachte­n, Silvester, Fasching. Aber mittlerwei­le haben wir 49 Prozent der Nächtigung­en im Sommer. Tourismus funktionie­rt hier eigentlich das ganze Jahr. Alle zusammen arbeiten sehr stark daran, von Zweisaison­sbetrieben zu Ganzjahres­betrieben zu werden. Es gibt schon fünf, die in Leogang durchgehen­d offen halten. Der Vorteil ist, dass die Betriebe alle in Händen heimischer Familien sind. Die Kettenhote­llerie trifft zahlenbasi­erte Entscheidu­ngen: Stimmt die Rendite nicht, macht man’s nicht. Und schließt zwischen den Saisonen. Wir haben über die Jahre gelernt, dass die betriebswi­rtschaftli­chen Grundsätze sehr oft gelten, aber nicht immer gelten müssen.

 ?? [ www.christophs­choech.com ] ?? Renate und Huwi Oberlader waren unter den Ersten, die in Österreich ein Chaletdorf entwickelt haben.
[ www.christophs­choech.com ] Renate und Huwi Oberlader waren unter den Ersten, die in Österreich ein Chaletdorf entwickelt haben.

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