Sturmfeste Finanzbranche
Daten zeigen, wie das Leben in Steueroasen nach Unwettern heruntergefahren wird – nur nicht bei Finanzgeschäften. Höchst aufschlussreich für die Fahnder.
Auf der Kaimaninsel in der Karibik gibt es schöne Strände und eine Schildkrötenfarm. Die Schildkrötensuppe gilt dort als Delikatesse. Spannenderes sucht man auf dem 264 km2 großen Fleck vergeblich. Doch etwas fällt dann doch auf. Gleich in der Nähe des Hafens, neben den Bürogebäuden von Unternehmensberatungen, stehen viele Briefkästen – schmutzig und unmotiviert installiert. Die Insel, die erst vor drei Wochen von der Steueroasenliste der EU entfernt wurde, zählt pro registriertem Investmentfonds fünf Einwohner und 33 Millionen US-Dollar internationale Bankpositionen pro Person.
Finanzinstitute in kleinen Jurisdiktionen wie Aruba, Bahamas, Barbados oder den Cook-Inseln setzen Briefkastenfirmen auf, managen Treuhandgesellschaften sowie Bankkonten, und sorgen dafür, neue Regulierungsmaßnahmen in diesen sowieso schon kaum regulierten Ländern zu umgehen. Obwohl auf diesen kleinen Inselstaaten nur etwa 1,8 Prozent der Weltbevölkerung leben, ziehen sie auf dem Papier 40 Prozent aller internationalen Finanzströme an.
Es ist unstrittig, dass Steuerhinterzieher, die ihre Profite verschieben, keine nennenswerte Präsenz in den sonnigen Finanzplätzen brauchen. Doch wo genau die Finanzdienstleistungen tatsächlich stattfinden, liegt im Dunklen.
Bei der Suche nach dem wahren Umschlagplatz helfen nun Sturm- und Satellitendaten. Eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) untersucht, wie sich Unwetterereignisse auf Offshore-Finanzplätze und die dortigen Finanzaktivitäten ausgewirkt haben. Schwere Wirbelstürme, wie die Karibik-Hurrikans Irma und Maria im Jahr 2017, beeinträchtigen das alltägliche Leben, etwa durch Überschwemmungen oder Evakuierungen. Auch die Nachtlichtintensität, die sich durch Satellitenbilder der Nasa nachvollziehen lässt, geht zurück. Für die betrachteten 56 Inseln und Inselgruppen im Atlantischen, Pazifischen und Indischen Ozean, von denen 27 als OffshoreFinanzplätze gelten, fällt im Anschluss an ein extremes Sturmereignis die nächtliche Beleuchtung in den betroffenen Regionen signifikant geringer aus. Dieser Rückgang beträgt in den neun Monaten nach dem Sturm rund 20 Prozent. Dies gilt sowohl für Inseln, die als Offshore-Finanzplätze bekannt sind, als auch für Inseln, die nicht als solche gelten.
Direkter Druck auf Banken
Ein anderes Bild ergibt sich bei den Finanzaktivitäten. Während in der Gruppe der nicht als Schattenfinanzplätze geltenden Inseln die Finanzaktivitäten nach schweren Unwettern deutlich zurückgehen, ist dies bei Offshore-Finanzplätzen nicht der Fall. „Wenn Finanzdienstleistungen tatsächlich nur auf dem Papier offshore stattfinden, aber in Wirklichkeit in den globalen Finanzzentren London, New York, Tokio oder Frankfurt ausgeführt werden, laufen internationale Regulierungsbemühungen Gefahr, einen unnötigen Umweg zu nehmen“, sagt Studienautor Jakob Miethe.
Daher profitiert die Finanzindustrie möglicherweise nicht nur von den Vorteilen in den OffshoreZentren, sondern auch davon, dass die Regierungen reicher Länder darauf verzichten, auf Handlungen in ihren Hoheitsgebieten zu reagieren. „Der Ort des Geschehens ist von zentraler Bedeutung für die Regulierung und Verfolgung von Finanzaktivitäten“, so Miethe. Bisher wurde eher daran gearbeitet, Informationsabfragen auf Schattenfinanzplätzen zu erleichtern.
Eine Alternative sei, direkt auf Finanzinstitutionen abzuzielen. So könnten auch die EU ähnlich wie die USA nicht kooperationsbereiten Finanzdienstleistern mit einem Ausschluss von ihrem Kapitalmarkt drohen. Durch direkten Druck gelang es den USA, 84 Schweizer Banken zu einer Herausgabe vorher verdeckter Positionen amerikanischer Staatsangehöriger zu bewegen.