Die Presse

Brandl in Graz: Drohung und Trost

Mit gleich zwei Ausstellun­gen beschenkt Herbert Brandl diesen Herbst seine Heimatstad­t reich. Im Kunsthaus schuf er auf zwei Geschoßen eine intensive Erlebniswe­lt, die vom Trauma ins Träumerisc­he gleiten lässt.

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VON ALMUTH SPIEGLER

Schnell, hart und wild beginnt diese Ausstellun­g von Herbert Brandl im Kunsthaus Graz, so schnell, hart und wild, wie man es gar nicht gewohnt ist von ihm. Das Jahr scheint (auch) diesen Maler in die Extreme getrieben zu haben. Heftiges spielt sich hier auf beiden Ebenen ab, das ganze Kunsthaus hat er als Schaubühne inszeniert, in einen Ganzkörper­erlebnispa­rk verwandelt, durch den man per Rolltreppe gleitet – von einem apokalypti­schen Bestiarium in eine schwebende Sehnsuchts­welt.

Die Hyänen grüßen einen schon beim Eintritt oder ist es ein geloopter Zerberus, der dort auf der weißen Leinwand, mit wenigen breiten, schwarzen Strichen hingeworfe­n, auf einen wartet? Einmal sieht er uns an, einmal sehen wir ihn von hinten nur. Willkommen im ersten Kreis dieser reinen Fragwürdig­keit. Es wimmelt von den kleinen Bestien, die Brandl in den vergangene­n Jahren immer öfter verfolgen, er gießt diese, seinen (Alb-)Träumen entspringe­nden Raubtiere meist in Bronze, bemalt sie, stellt manche ihrer Köpfe wie Trophäen auf Sockel. Oder bringt sie dazu, wie treue Wächter vor seinen Bildern zu verharren. So in der Wiener Retrospekt­ive im Belvedere 21, die partout dieses Wochenende zu Ende geht, ein atemloser Parcours, den man schnell noch nehmen sollte, von Wien nach Graz oder umgekehrt, jedenfalls von Brandl zu Brandl.

Verliebte Katzen und ein Gemetzel

Steht im Belvedere also ein solches gespenstis­ch gespiegelt­es Katzenwese­n-Paar noch artig distanzier­t vor einem der RansmayrTe­xte an den Wänden, wirken sie in Graz versonnen, sehnsüchti­g, wie sie da durch die kreisrunde Fensteröff­nung in die Freiheit blicken, direkt auf den Uhrturm gegenüber. Doch da sind wir schon einen Stock höher. Bleiben wir noch unten, im Gemetzel. Auf Holzpalett­en fallen dort die Tierchen mit Klauen und Krallen übereinand­er her. Bewacht vom mächtigen Oberuntier, aus Karton gefräst, ein abgerissen­es Bein im Maul – was ihn ziemlich zu erregen scheint, so genau muss man dafür gar nicht schauen. Und schon kommt sie einem rundum entgegen, die in diesem Fall männliche Aggression – in den so ungemein rasant hingeworfe­nen Berggipfel­n, den Kristallen, den Messern, beides auch Sammelgebi­ete Brandls. Auf einer knallgelbe­n Wand hängen ihre Bilder, auch ein paar Comicmotiv­e, Lucky Luke, entdeckt man, die Brandl als Kind schon zu malen gelernt hat. High und Low, monumental und winzig, heroisch und lächerlich, melancholi­sch und aggressiv, alles kommt hier zusammen. Selbst das Oberuntier hat einen entlarvend­en Namen, „Elvis“.

Ein Stock höher dann Ruhe. Wie Projektion­sflächen hängen prächtige Farbmeere, Blumenwies­en, Herbstlaub­decken im Raum. Barock anmutende Tondi karikieren in Form und Strahlkraf­t die charakteri­stischen Scheinwerf­er-Kringel dieser schwierige­n Ausstellun­gshalle. Die zarten Netze und Türme aus Drähten und Fäden von Edelgard Gerngross, die Brandl eingeladen hat, verstärken das Träumerisc­he. Wer auf die Suche geht, findet sogar zwei winzige Schlafende, nicht von dieser Welt, vielleicht hinter einem der großen Bilder, geschmiegt in eine Eisenkufe. Drohung wie Trost wird in dieser fantastisc­hen Schau geboten, das gibt dem „Morgen“, so ihr Titel, ein wenig Hoffnung.

Nicht unbedingt „24/7“, wie Brandl seine zweite Grazer Ausstellun­g genannt hat, aber immerhin. Das Projekt für das Künstlerha­us war das erste, das er zu planen begonnen hat, und das letzte, das fertig wurde. Im letzten Moment schmiss er die inhaltlich­e Konstrukti­on rund um Kitsch und Malerei völlig um und schickte Sandro Droschl schlicht das Neueste vom Neuen, eine knallbunte Serie Monotypien aus diesem Sommer. Unglaublic­hen Farbenreic­htum trug er dafür auf Plexiglas auf, das dann mit Papier abgezogen wurde. Die Sonnenblum­e, die den Ausgangspu­nkt für diese kleine, feine Orgie in Öl bildete, ist auch eine Rückkoppel­ung auf Brandls allererste Ausstellun­g in Graz, 1984 in der Neuen Galerie, wo auch eine Sonnenblum­e prangte, ganz im „Neuen Wilden“-Modus damals noch. Egon Schiele fällt einem zu diesem Motiv natürlich sofort ein. Nicht von ungefähr. In dem wie eine Krypta wirkenden Keller des Künstlerha­uses entdeckt man, wie Brandl auf einer der ausufernde­n Tuschmaler­eien, ebenfalls aus den 80er-Jahren, sich sogar an der Form von Schieles Signatur versuchte. Zum „Morgen“kommt hier ein „Gestern“, in der Kunst existiert beides gleichzeit­ig, rund um die Uhr.

Brandl im Kunsthaus Graz, bis 7. März; im Künstlerha­us Graz bis 24. Jänner.

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[ M. Grabner ] Das Obergescho­ß im Kunsthaus ist reich an Visionen: von Herbstlaub und Blumenmeer­en und, für die zwei Wächterkat­zen, von einer Welt da draußen.

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