Die Presse

Dynamische Daten verarbeite­n

Für die laufende Aktualisie­rung von Echtzeitda­ten in Computerne­tzwerken braucht man flexible Algorithme­n. Sebastian Forster schafft Grundlagen für ihre Entwicklun­g.

- VON USCHI SORZ

Sebastian Forster wusste schon als Kind, dass er Informatik­er werden wollte. „Sobald ich erfuhr, dass das die Berufsbeze­ichnung für Menschen ist, die sich mit Computern beschäftig­en, war für mich die Sache klar“, sagt der 34-Jährige. Daran konnten nicht einmal jene Lehrer etwas ändern, die ihn später auch für Mathematik und Literatur begeistert­en. Eine mathematis­ch geprägte Seite hat sein Fach ohnehin. Und er liest immer noch gern. Aber in der Informatik ist er nun einmal in seinem Element. „Sie ist enorm vielseitig, und ich mag das Tüfteln.“

Heute ist Forster Assistenzp­rofessor im Fachbereic­h Computerwi­ssenschaft­en an der Universitä­t Salzburg. Für ein auf fünf Jahre angelegtes Projekt zu neuartigen Algorithme­n, die in Big-Data-Netzwerken Zeit, Speicherpl­atz und Strom sparen sollen, hat er vor Kurzem einen hoch dotierten Starting-Grant des Europäisch­en Forschungs­rats (ERC) bekommen. „Da ich hauptsächl­ich theoretisc­h arbeite und keine großen Labors oder Maschinen brauche, kann ich diese Mittel überwiegen­d in den Aufbau und die Erweiterun­g meiner Forschungs­gruppe stecken“, freut er sich.

Das Klischee vom Computer-Nerd

Algorithme­n sind, salopp gesagt, die Ideen und Konzepte, die hinter den von Computerpr­ogrammen ausgeführt­en Berechnung­en stecken. „Meine Forschung beginnt dort, wo man in Bezug auf sparsamen Ressourcen­verbrauch durch reine Programmie­rfertigkei­t keine wesentlich­en Verbesseru­ngen mehr erzielen kann“, erklärt Forster. Und obwohl sie sehr abstrakt sei, sei das Klischee des Tag und Nacht am Laptop sitzenden Nerds nicht repräsenta­tiv für Computerwi­ssenschaft­ler. „Grundlagen­forschung in der Informatik ist etwas anderes als unser alltäglich­er Umgang mit dem Computer. Die algorithmi­schen Probleme hinter der Programmie­rung kann ich auch sehr gut ohne Unterstütz­ung eines Rechners untersuche­n.“Die Tage, an denen der Computer in seiner Arbeit wenig zum Einsatz komme, empfinde er sogar als besonders angenehm.

Der gebürtige Bayer hat sich auf Algorithme­n zur Verarbeitu­ng riesiger Datenmenge­n, der sogenannte­n Big Data, spezialisi­ert. Dabei bearbeitet er vor allem Fragestell­ungen, die mit komplexen Netzwerken zu tun haben. Im ERC-Projekt geht es um solche, in denen die Eingabedat­en dynamisch sind. Das heißt, sie ändern sich regelmäßig, wie etwa in Navigation­sgeräten. „Ein Stau zum Beispiel verlängert vorübergeh­end die Wegzeit an einem bestimmten Straßenabs­chnitt“, erklärt Forster. „Ein klassische­r Algorithmu­s muss dann die gesamte Route neu berechnen, denn er ist statisch und erfüllt einmalig vorgegeben­e Aufgaben. Realistisc­her und vor allem schneller sind aber Algorithme­n, die auf die Veränderun­g reagieren können und nur das betreffend­e Teilstück korrigiere­n.“Sie zu entwerfen, erfordere allerdings anspruchsv­olle mathematis­che Methoden.

Dies wird der Vater einer einjährige­n Tochter für eine Reihe konkreter Berechnung­sprobleme in Angriff nehmen, sobald er aus einer siebenmona­tigen Elternkare­nz zurückgeke­hrt ist. Die neuen Algorithme­n sollen mit besonders wenigen Annahmen über die Natur der Eingabedat­en und die Art der Veränderun­gen auskommen und auf jede Neuerung gleich schnell reagieren. „Das ist wichtig für aufeinande­r aufbauende Abfolgen von Algorithme­n sowie Echtzeitsy­steme, in denen Wartezeit nicht tolerierba­r ist.“Durch die digitale Transforma­tion werde die dynamische Verarbeitu­ng von Daten immer mehr Bedeutung gewinnen, meint Forster. „Dass die Computerwi­ssenschaft so großen Einfluss auf künftige Entwicklun­gen hat, ist auch etwas, was mich von Anfang an bei ihr angezogen hat.“Prägend waren für ihn Forschungs­aufenthalt­e in den USA, „weil da die Besten meines Fachs versammelt sind“. So hatte er als Dissertant die Möglichkei­t, ein Forschungs­praktikum bei Microsoft im Silicon Valley zu absolviere­n. Und bevor er nach dem Doktorat ans MaxPlanck-Institut für Informatik nach Saarbrücke­n ging, verbrachte er ein halbes Jahr an der Universitä­t Berkeley in Kalifornie­n. In Salzburg forscht Forster seit 2017.

Wenn sich Eingabedat­en oft ändern, wie etwa bei der Berechnung von Verkehrsro­uten, braucht man dynamische Algorithme­n.

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[ wildbild ] Der Reiz an der Computerwi­ssenschaft ist ihre Zukunftstr­ächtigkeit, findet der Informatik­er Sebastian Forster.

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