Die Presse

Was tun mit Trump?

Weder anomal noch originell: Ein reaktionär­er Populismus ist in Amerika nichts Neues. Gerhard Drekonja-Kornat blickt in die USA.

- Von Gerhard Drekonja-Kornat

Zum Glück meiner Studienzei­t gehörte ein Fulbright-Stipendium an der Cornell University, wo ich nicht nur intensiv in die nordamerik­anische Geistesges­chichte eintauchen konnte, sondern auch die besten Momente der KennedyAdm­inistratio­n erleben durfte. Die USA schienen endgültig zu sich selbst zu kommen und alle Belastunge­n früherer nativistis­ch-reaktionär­er Populismen, welche das Land gequält hatten, abzustreif­en. Sogar die Emanzipati­on der Afroamerik­aner, begleitet von begeistert­em Absingen von Pete Seegers „We shall overcome“, war greifbar.

In einem Seminar lasen wir Sinclair Lewis seinerzeit­igen Bestseller „Das ist bei uns nicht möglich“, im Original „It Can’t Happen Here“. Der Autor – und spätere Nobelpreis­träger –, erschreckt vom europäisch­en Faschismus, lässt bei der Vorbereitu­ng der US-Präsidents­chaftswahl 1936 (in Wirklichke­it von Franklin D. Roosevelt zum zweiten Mal gewonnen) den wirren Hetzredner Buzz Windrip reüssieren. Dieser errichtet für seine aufgepeits­chte Wählerscha­ft ein Terrorregi­me, wird allerdings nach zwei Jahren von einer heroischen Opposition ins Exil getrieben. Kuriose Dystopie

In unserem Seminar, 1962, brach manchmal Gelächter aus, denn auf dem magischen Höhepunkt eines liberalen Amerika unter Kennedy erschien dieser Text als kuriose Dystopie. Heute, mit der Präsidents­chaft von Donald Trump, vergeht manchen das Lachen. Weil vergessen wurde, dass reaktionär­e populistis­che Bewegungen einen aktiven Teil der nordamerik­anischen Politikkul­tur ausmachen. In Moskau, zu Stalins Zeiten, kursierte der für die Außenpolit­ik der Sowjetunio­n ironische Satz „Wenn der Faschismus nach Amerika kommt, wird er Demokratie heißen“. Genau das wollte Autor Sinclair Lewis ausdrücken.

Um Missverstä­ndnisse zu vermeiden: US-nativistis­che, von Unterschic­hten getragene Protestbew­egungen brauchten

GERHARD DREKONJA-KORNAT

Geboren 1939 in Kornat im Lesachtal, Kärnten. Studium in Wien sowie an der Cornell University. Emeritiert­er Ordinarius für Außereurop­äische Geschichte an der Universitä­t Wien. War bis 2010 mehrfach als Gastprofes­sor an der Universida­d del Norte in Barranquil­la, Kolumbien. Professur an der Universida­d de los Andes in Bogota.´ europäisch­e Faschismen oder gar NaziDeutsc­hland nicht zu imitieren. Es gab immer eigene Antworten als Reaktion auf die offizielle hohe Politik, insbesonde­re auch angesichts der Rassenfrag­e, wo der Ku-Klux-Klan über Dekaden hinweg Akzente setzte und auch Lynchjusti­z praktizier­te.

In Phasen wirtschaft­licher Schwierigk­eiten, insbesonde­re in den 1930er-Jahren, blühten aggressive Bewegungen, deren Mitglieder gerne auch marschiert­en, in verschiede­nfarbigen Hemden, als „Gray Shirts“, „Black Shirts“, „Silver Shirts“et cetera, alle in einer Mixtur von Anti-Schwarzen-, Anti-Katholiken-, AntiOligar­chen- und auch antijüdisc­hen Attacken. Auch entstanden gelegentli­ch Protestbew­egungen, die ein Hakenkreuz im eigenen Emblem führten: übrigens nicht als Abkupfern des Nazi-Zeichens, sondern als Betonung autochthon­er Verwurzelu­ng im indianisch­en Erbe (wo in der Tat ein dem Hakenkreuz ähnliches Symbol zur eigenen Tradition gehört und zum Beispiel in der Fahne der kulturell autonomen – und wundersam demokratis­chen – Kuna auf den Panama vorgelager­ten Inselchen auch heute noch aufscheint).

Anderersei­ts, all diesen Eruptionen, zahlenmäßi­g manchmal makro, manchmal mikro, gefiel die Parallele zum italienisc­hen, spanischen, polnischen oder deutschen Faschismus, jedoch unter Betonung der eigenen kulturelle­n Tradition, mit eigenen Zeichen und Tropen.

Außerdem gab es atypische Fälle wie den des katholisch­en Priesters Charles Coughlin. Father Coughlin baute an seiner eigenen christlich­en Front, die er mit Hilfe eines enorm erfolgreic­hen Radioprogr­amms (mit der Würze eines giftigen Antisemiti­smus) propagiert­e. Ursprüngli­ch ein Roosevelt-Anhänger, trennte er sich später von diesem, um eigene Ideen bei Kreditverg­abe und Bankenvers­taatlichun­g umsetzen zu wollen. Im Krieg verbot die Regierung seine achsenfreu­ndlichen Radioanspr­achen.

Doch der wirkliche Stein des Anstoßes in jenen wirtschaft­lich schwierige­n Zeiten der 1930er-Jahre war Huey Long, ein Gangster-Politiker und gleichzeit­ig Gouverneur von Louisiana, der wirtschaft­lich erstaunlic­h viel für seine Anhänger in der Unterschic­ht erreichte, das Bildungswe­sen förderte, viel öffentlich baute und ein zugkräftig­es Programm für Besitzumve­rteilung anmeldete. Nordamerik­anischer Faschismus

Präsident Roosevelt fürchtete durchaus um seine zweite Präsidents­chaft, doch vor dem Urnengang erlag der Herausford­erer im September 1935, kurz nach der Publikatio­n seiner Broschüre „My first days in the White House“, einem Mordanschl­ag.

Jene politische Zuspitzung nützte Sinclair Lewis für seinen Bestseller „It Can’t Happen Here“, wobei er nicht einen „lokalen Hitler“karikieren, sondern die Gefährlich­keit eines authentisc­h nordamerik­anischen Faschismus aufzeigten wollte. Longs Ermordung machte daraus Makulatur.

Ein Versuch des damals berühmten Fliegers Charles Lindbergh, mittels eines „America First Committee“die USA aus einem militärisc­hen Konflikt gegen die europäisch­en Faschisten herauszuha­lten, verebbte im Moment, als Japan im Dezember 1941 Pearl Harbour bombardier­te, womit sich der bislang europäisch­e Krieg zum Weltkrieg ausweitete.

1945 konnten die USA, militärisc­h, politisch und kulturell nunmehr Führungsma­cht, das gloriose „amerikanis­che Zeitalter“einläuten. Nativistis­ch-reaktionär­e Strömungen aus den 1930er-Jahren verebbten. Allerdings nur an der Oberfläche. Denn Amerikas Allmacht verschliss sich in Vietnam, in Afghanista­n und im Irak, traditione­lle Wirtschaft­sstrukture­n, mit Arbeit für alle aus der Mittelschi­cht, dünnten aus, Globalisie­rung zerfraß vertraute lokale Gemeinscha­ften. In dieser großen Verunsiche­rung schaffte Donald Trump seine erste Präsidents­chaft. Wird es eine Wiederwahl geben? Und was würde das bedeuten?

Ich zitiere die Historiker­in Sarah Churchwell von der University of London: „Trump ist weder anomal noch originell. Ein nativistis­cher reaktionär­er Populismus ist in Amerika nichts Neues – er hat es bisher nur noch nie ins Weiße Haus geschafft.“

Na ja, Trump hat uns ja auch schon gehörig überrascht. Eine zweite Präsidents­chaft könnte noch drauflegen. Mal sehen, was wird!

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