Darum ist das Kleid am Abend teurer
Onlinehandel. Je nachdem, zu welcher Tageszeit man im Internet einkauft, kosten Produkte mal mehr, mal weniger. Eine neue Studie kann aber individuell angepasste Preise nicht nachweisen.
Je nachdem, zu welcher Tageszeit man online einkauft, variiert der Preis.
Wien. Wer kennt das nicht: Der gewünschte Flug, der gestern Abend noch als Schnäppchen angezeigt wurde, kostet heute das Doppelte. Kurzfristige Kaufpreisänderungen sind im Internet eher die Regel als die Ausnahme. Für die Konsumenten fällt wegen der ständig wechselnden Preise die Planbarkeit weg – für viele ein Ärgernis und vor allem eines: unverständlich, weil eben nicht transparent.
Wer auf seinem iPhone onlineshoppt, muss für seinen Warenkorb mehr zahlen als jemand, der mit seinem günstigeren AndroidHandy einkauft, so lautet eine der Erklärungen für den Preisunterschied. „Solche Experimente gab es früher einmal, heute aber nicht mehr“, sagt Michael Kreil, CEO von der Ciuvo GmbH, die Software zum digitalen Preisvergleich zwischen den Plattformen anbietet. „Viele Händler personalisieren ihr Angebot abhängig von der Kaufkraft der potenziellen Kunden.“Die Personalisierung drücke sich aber nicht im Preis aus, sondern vielmehr in der Auswahl des Sortiments, das dem Kunden online angezeigt wird.
Fixpreise wären online absurd
Immer mehr Österreicher kaufen online ein. Nicht zuletzt die Coronakrise sorgte im vergangenen halben Jahr für einen Boom im Onlinehandel. Drei Viertel (74 Prozent) der Österreicher befüllen mindestens einmal im Monat ihren Online-Warenkorb. Mehr als jeder Fünfte (22,7 Prozent) tut das sogar wöchentlich. Onlinekäufer müssen dabei für ein und dasselbe Produkte oft unterschiedlich tief in die Tasche greifen. Dass die Preise auf Online-Marktplätzen teils stark variieren, hängt von mehreren Faktoren ab. Etwa von der Tageszeit. Besonders bei Sneakers komme es häufig zu tageszeitbezogenen Preisschwankungen. Wer seine Schuhe morgens kauft, zahlt im selben Onlineshop meist weniger als am Abend. Wovon diese Preisunterschiede genau abhängig sind, lässt sich laut Louise Beltzung vom Österreichischen Institut für angewandte Telekommunikation (ÖIAT) nicht eindeutig nachweisen: „Viele Onlinehändler experimentieren mit dynamischen Preisen und untersuchen etwa, was sich wann zu welchem Preis besser verkaufen lässt.“Auch bei OnlineApotheken und Elektronikshops variieren die Preise deutlich. Genau diesem Thema widmet sich das Forschungsprojekt „Primming“vom ÖIAT. „Fixpreise wären online ohnehin absurd“, erzählt Beltzung, Leiterin des Projektes. „Obwohl Preisanpassungen weder stationär noch online ein neues Phänomen sind, besteht bei den Konsumenten noch immer viel Unsicherheit und Unwissen.“
Das ÖIAT hat im Rahmen seiner Untersuchung zu Preisänderungen im Onlinehandel mehr als 500 Österreicher befragt. Dabei zeigt sich, dass Konsumenten in vielen Fällen nicht wissen, wann Preisänderungen rechtlich zulässig sind. Aus rechtlicher Sicht sei es nicht verpflichtend, dass Preise für alle gleich und über einen längeren Zeitraum stabil sind, heißt es in der Studie. So wäre etwa eine Anpassung der Preise an die Konkurrenz oder das Wetter erlaubt. Bei der personalisierten Preisgestaltung gilt es aber, gesetzliche Vorgaben zu beachten: Die Unternehmen haben freilich Datenschutzbestimmungen und Diskriminierungsverbote einzuhalten.
Preise, die etwa aufgrund des Geschlechts, des Wohnorts in einem bestimmten EU-Mitgliedsland oder nach dem bisherigen Surf- und Kaufverhalten einer Person geändert werden, seien diskriminierend und rechtlich nicht zulässig.
Generell gebe es kaum Nachweise, wie Unternehmen Preise personalisieren, sagt Beltzung. Die Händler würden eine Anpassung des Preises an die jeweiligen Kunden niemals offen eingestehen. Mit einem verbreiteten Mythos räumt Beltzung zudem auf: „Wer aus dem ersten Wiener Gemeindebezirk online bestellt, zahlt für dasselbe Kleid nicht mehr, als jemand, der aus dem 15. Bezirk bestellt.“Die algorithmische Preisanpassung sei wesentlich komplexer, als sie oft anekdotisch weitergegeben wird.
Männer reagieren offensiver
Aufmerksame Konsumenten, die regelmäßig ihre Online-Warenkörbe füllen, bemerken die Preisveränderungen freilich. Viele, die sich über plötzlich höhere Preise beschweren, sind auch bereit, ihren Händler zu wechseln. Statt den höheren Preis zu bezahlen, würde etwa ein Drittel nach anderen Onlineshops suchen.
Auffällig ist, dass Männer auf Preisänderungen deutlich offensiver reagieren und eher bereit sind, zur direkten Konkurrenz zu wechseln. Haben Männer das Gefühl, zu viel für ein Produkt oder eine Dienstleistung zahlen zu müssen, können sie sich zudem eher vorstellen, eine schlechte Rezension über den Anbieter zu schreiben.