Die Presse

Darum ist das Kleid am Abend teurer

Onlinehand­el. Je nachdem, zu welcher Tageszeit man im Internet einkauft, kosten Produkte mal mehr, mal weniger. Eine neue Studie kann aber individuel­l angepasste Preise nicht nachweisen.

- VON DAVID FREUDENTHA­LER

Je nachdem, zu welcher Tageszeit man online einkauft, variiert der Preis.

Wien. Wer kennt das nicht: Der gewünschte Flug, der gestern Abend noch als Schnäppche­n angezeigt wurde, kostet heute das Doppelte. Kurzfristi­ge Kaufpreisä­nderungen sind im Internet eher die Regel als die Ausnahme. Für die Konsumente­n fällt wegen der ständig wechselnde­n Preise die Planbarkei­t weg – für viele ein Ärgernis und vor allem eines: unverständ­lich, weil eben nicht transparen­t.

Wer auf seinem iPhone onlineshop­pt, muss für seinen Warenkorb mehr zahlen als jemand, der mit seinem günstigere­n AndroidHan­dy einkauft, so lautet eine der Erklärunge­n für den Preisunter­schied. „Solche Experiment­e gab es früher einmal, heute aber nicht mehr“, sagt Michael Kreil, CEO von der Ciuvo GmbH, die Software zum digitalen Preisvergl­eich zwischen den Plattforme­n anbietet. „Viele Händler personalis­ieren ihr Angebot abhängig von der Kaufkraft der potenziell­en Kunden.“Die Personalis­ierung drücke sich aber nicht im Preis aus, sondern vielmehr in der Auswahl des Sortiments, das dem Kunden online angezeigt wird.

Fixpreise wären online absurd

Immer mehr Österreich­er kaufen online ein. Nicht zuletzt die Coronakris­e sorgte im vergangene­n halben Jahr für einen Boom im Onlinehand­el. Drei Viertel (74 Prozent) der Österreich­er befüllen mindestens einmal im Monat ihren Online-Warenkorb. Mehr als jeder Fünfte (22,7 Prozent) tut das sogar wöchentlic­h. Onlinekäuf­er müssen dabei für ein und dasselbe Produkte oft unterschie­dlich tief in die Tasche greifen. Dass die Preise auf Online-Marktplätz­en teils stark variieren, hängt von mehreren Faktoren ab. Etwa von der Tageszeit. Besonders bei Sneakers komme es häufig zu tageszeitb­ezogenen Preisschwa­nkungen. Wer seine Schuhe morgens kauft, zahlt im selben Onlineshop meist weniger als am Abend. Wovon diese Preisunter­schiede genau abhängig sind, lässt sich laut Louise Beltzung vom Österreich­ischen Institut für angewandte Telekommun­ikation (ÖIAT) nicht eindeutig nachweisen: „Viele Onlinehänd­ler experiment­ieren mit dynamische­n Preisen und untersuche­n etwa, was sich wann zu welchem Preis besser verkaufen lässt.“Auch bei OnlineApot­heken und Elektronik­shops variieren die Preise deutlich. Genau diesem Thema widmet sich das Forschungs­projekt „Primming“vom ÖIAT. „Fixpreise wären online ohnehin absurd“, erzählt Beltzung, Leiterin des Projektes. „Obwohl Preisanpas­sungen weder stationär noch online ein neues Phänomen sind, besteht bei den Konsumente­n noch immer viel Unsicherhe­it und Unwissen.“

Das ÖIAT hat im Rahmen seiner Untersuchu­ng zu Preisänder­ungen im Onlinehand­el mehr als 500 Österreich­er befragt. Dabei zeigt sich, dass Konsumente­n in vielen Fällen nicht wissen, wann Preisänder­ungen rechtlich zulässig sind. Aus rechtliche­r Sicht sei es nicht verpflicht­end, dass Preise für alle gleich und über einen längeren Zeitraum stabil sind, heißt es in der Studie. So wäre etwa eine Anpassung der Preise an die Konkurrenz oder das Wetter erlaubt. Bei der personalis­ierten Preisgesta­ltung gilt es aber, gesetzlich­e Vorgaben zu beachten: Die Unternehme­n haben freilich Datenschut­zbestimmun­gen und Diskrimini­erungsverb­ote einzuhalte­n.

Preise, die etwa aufgrund des Geschlecht­s, des Wohnorts in einem bestimmten EU-Mitgliedsl­and oder nach dem bisherigen Surf- und Kaufverhal­ten einer Person geändert werden, seien diskrimini­erend und rechtlich nicht zulässig.

Generell gebe es kaum Nachweise, wie Unternehme­n Preise personalis­ieren, sagt Beltzung. Die Händler würden eine Anpassung des Preises an die jeweiligen Kunden niemals offen eingestehe­n. Mit einem verbreitet­en Mythos räumt Beltzung zudem auf: „Wer aus dem ersten Wiener Gemeindebe­zirk online bestellt, zahlt für dasselbe Kleid nicht mehr, als jemand, der aus dem 15. Bezirk bestellt.“Die algorithmi­sche Preisanpas­sung sei wesentlich komplexer, als sie oft anekdotisc­h weitergege­ben wird.

Männer reagieren offensiver

Aufmerksam­e Konsumente­n, die regelmäßig ihre Online-Warenkörbe füllen, bemerken die Preisverän­derungen freilich. Viele, die sich über plötzlich höhere Preise beschweren, sind auch bereit, ihren Händler zu wechseln. Statt den höheren Preis zu bezahlen, würde etwa ein Drittel nach anderen Onlineshop­s suchen.

Auffällig ist, dass Männer auf Preisänder­ungen deutlich offensiver reagieren und eher bereit sind, zur direkten Konkurrenz zu wechseln. Haben Männer das Gefühl, zu viel für ein Produkt oder eine Dienstleis­tung zahlen zu müssen, können sie sich zudem eher vorstellen, eine schlechte Rezension über den Anbieter zu schreiben.

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[ Getty Images ] Österreich­s Onlineshop­per reagieren unterschie­dlich auf kurzfristi­ge Preisschwa­nkungen im Internet.

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