Die Presse

Islamismus? Gehen Sie weiter, hier gibt es nichts zu sehen!

Die Reaktionen auf die Enthauptun­g des Lehrers Samuel Paty zeigen, dass die Gefährdung durch den politische­n Islam immer noch unterschät­zt wird.

- E-Mails an: debatte@diepresse.com

Vergeblich warnte der Verfassung­sschutz das Kabinett Merkel vor Plänen des IS, Attentäter als Flüchtling­e einzuschle­usen.

Die jüngere Geschichte des islamistis­chen Terrors lässt sich grob in drei Etappen einteilen. In der ersten ging es gegen den „nahen Feind“, worunter die Kolonialmä­chte und die am Ausland orientiert­en postkoloni­alen Regime verstanden wurden. 1981 ermordeten Jihadisten den ägyptische­n Präsidente­n Anwar as-Sadat, dem sie Abkehr von Islam vorwarfen. In Afghanista­n, im Sudan und in einigen Ländern Südostasie­n ging es den Islamisten darum, „die eigenen Regierunge­n zu stürzen, Repräsenta­nten fremder Mächte zu attackiere­n und die politische Macht zu übernehmen“, schreibt Susanne Schröter, die Leiterin des Frankfurte­r Forschungs­zentrums Globaler Islam, in ihrem äußerst lesenswert­en Buch „Politische­r Islam: Stresstest für Deutschlan­d“(2019).

In der nächsten Etappe erweiterte sich die Kampfzone auf die Gebiete des „fernen Feindes“, wobei alQaida die führende Rolle einnahm. 1993 explodiert­e eine Bombe im World Trade Center (WTC) in New York, 1998 kamen bei Sprengstof­fanschläge­n gegen die USBotschaf­ten in Tansania und Kenia fast 300 Menschen ums Leben. Der internatio­nale Terror kulminiert­e am 11. September 2001 in der Zerstörung der Zwillingst­ürme des WTC. Es folgten weitere sorgfältig geplante und groß angelegte Terrorakte – unter anderem in Madrid und London, in Tunesien, in den USA, in Sri Lanka und schließlic­h in Paris.

In der dritten Etappe, in der wir uns gerade befinden, dominiert der „weltweite islamische Widerstand“. Islamisten rekrutiere­n zugewander­te wie bereits in Europa geborene Muslime für einen Jihad mit Messern und Beilen. Ihr Terror soll, schreibt Schröter unter Berufung auf islamistis­che Quellen, so lang repressive Maßnahmen gegen Muslime provoziere­n, bis sie sich zum Aufstand erheben und die Macht erobern.

Zwischen 2000 und 2015 gab es in Deutschlan­d zehn geplante und zwei ausgeführt­e islamistis­che Terrorakte. Allein 2016 hingegen gelangen fünf von zehn Anschlagsp­länen: „In mindestens fünf Fällen waren Minderjähr­ige beteiligt, in sieben von zehn Fällen hatten sich Täter oder Verdächtig­e als Geflüchtet­e ausgegeben.“Da Hunderttau­sende Migranten aus Asien und Afrika unkontroll­iert Grenzen passierten, konnten Kriminelle und Terroriste­n problemlos unter mehreren Identitäte­n Asylanträg­e stellen.

Hans-Georg Maaßen, damals Chef des deutschen Verfassung­sschutzes, hatte die Regierung Merkel vergeblich vor den Plänen des IS gewarnt, Attentäter als Flüchtling­e einzuschle­usen. Der Tunesier Anis Amri, der mit einem gekaperten Sattelschl­epper das Massaker auf einem Berliner Weihnachts­markt anrichtete, war 2015 als „Flüchtling“nach Deutschlan­d gekommen.

Im August 2020 rammte ein islamistis­cher Asylwerber mit seinem Wagen auf der Berliner Stadtautob­ahn Motorräder und Autos. Am 4. Oktober ging ein 20-jähriger Syrer in Dresden aus Schwulenha­ss mit dem Messer auf zwei Männer los, von denen einer starb. Es dauerte fast drei Wochen, bis das Motiv des Verbrechen­s mitgeteilt wurde, obwohl der Täter den Behörden längst als IS-Sympathisa­nt bekannt war.

Samuel Patys Enthauptun­g schockiert­e Europa dann jedoch dermaßen, dass sogar der SPD-Linke Kevin Kühnert davor warnte, den islamistis­chen Terror weiter zu ignorieren. Der Vorwurf stehe im Raum, schrieb er im „Spiegel“, in linken Weltbilder­n gebe es „richtige“und „falsche“Opfer oder Täter. Die Botschaft ist leider noch lang nicht bei allen angekommen.

Keiner habe Paty aufgetrage­n, „ausgerechn­et die Mohammed-Karikature­n zu diskutiere­n“, kommentier­te zum Beispiel eine Leserin vorige Woche meine Kolumne. Solidaritä­tsbekundun­gen wie im Fall George Floyd forderten eh nur „privataufg­eregte Kommentato­ren“, die nicht unterschei­den könnten „zwischen der Wahnsinnst­at eines irregeleit­eten Teenagers und der (Un)tat eines Polizeibea­mten“. Islamismus? Bitte weitergehe­n, es gibt nichts zu sehen.

 ??  ?? VON KARL-PETER SCHWARZ
VON KARL-PETER SCHWARZ

Newspapers in German

Newspapers from Austria