Igor Matovicˇ, Premier der Slowakei, im Interview über Corona
Slowakei. Ab Samstag soll fast die gesamte Bevölkerung auf Corona getestet werden. Premier Igor Matoviˇc verteidigt im „Presse“-Interview die Maßnahme. Österreicher brauchen Test für Einreise.
Die Presse: Die slowakische Regierung will an zwei Wochenenden ab Samstag fast die gesamte Bevölkerung auf Corona durchtesten. Noch dazu haben Sie Ihr Vorhaben erst vor knapp zwei Wochen angekündigt. Das sei viel zu kurzfristig und unausgegoren, kritisieren viele Experten. Igor Matovic:ˇ Wir haben am vergangenen Wochenende ein Pilotprojekt in zunächst vier Bezirken im Norden der Slowakei durchgeführt. Und da hat es gut funktioniert. Rund 90 Prozent der Leute haben sich testen lassen. Und diese 90 Prozent werden sich nun frei bewegen können – sofern ihr Testergebnis negativ war. Die anderen werden eben eine eingeschränkte Bewegungsfreiheit haben.
Damit sind wir bei einem weiteren Kritikpunkt: Sie haben zwar erklärt, die Teilnahme an den Tests sei freiwillig. Aber wer sich nicht testen lässt, muss in Quarantäne und darf nicht einmal mehr an seinen Arbeitsplatz fahren. Wie lässt sich da von Freiwilligkeit sprechen?
Wir sind in einer wirklich außerordentlichen Situation, da muss man sich eben entscheiden. Daher gebe ich zu, dass das keine völlige Freiwilligkeit ist. Es hat jeder die freie Wahl, den kostenlosen staatlichen Test zu absolvieren – oder sich auf eigene Kosten privat testen zu lassen. Aber wir wollen nicht akzeptieren, dass sich jemand „freiwillig“entscheidet, das Virus unter den Menschen zu verbreiten, die verantwortungsvoller agieren.
Wie werden Österreicher und andere Ausländer, die künftig in die Slowakei reisen wollen, von der Testaktion und den damit verbundenen Quarantänevorschriften betroffen sein?
Es gibt nach der bereits abgeschlossenen, regional begrenzten Pilotphase in der Nordslowakei zwei landesweite Testwellen an den beiden kommenden Wochenenden. Nach Abschluss der zweiten landesweiten Testung wollen wir an den Grenzübergängen Barrierestellen für Tests und Kontrollen einrichten. Natürlich haben alle weiterhin die Möglichkeit, frei in die Slowakei und innerhalb der Slowakei zu reisen. Aber zuerst wollen wir schon an der Grenze ein negatives Corona-Testergebnis sehen. Wer keines vorweisen kann, hat die Möglichkeit, sich direkt an der Grenze kostenlos testen zu lassen.
Und wer sich nicht testen lassen will, darf nicht einreisen?
Wer keinen negativen Test hat, wird leider nicht in die Slowakei einreisen dürfen.
Was ist denn schiefgelaufen, dass die Slowakei vom fast gar nicht von der Pandemie betroffenen Vorbild in der ersten Infektionswelle im Frühling nun zu einem der – gemessen an der Bevölkerungszahl – am schlimmsten betroffenen Länder Europas geworden ist?
Im Frühling haben noch 90 Prozent der Menschen geglaubt, dass Covid-19 für uns alle gefährlich sein kann, und sie haben sich dementsprechend verhalten. Während des Sommers sind aber auch die Leute, die sich eigentlich der Gefahren bewusst waren, nachlässiger geworden. Wir haben unsere Kommunikation vernachlässigt und damit das Feld allerhand Verschwörungstheorien und Fake News im Internet überlassen.
Ihre Popularität ist in den jüngsten Meinungsumfragen stark gesunken. Liegt das nur an der Unzufriedenheit der Menschen mit Ihrer Corona-Politik oder sehen Sie auch andere Gründe?
Erstens wirkt sich hier ganz sicher die Coronakrise aus. Zweitens habe ich aber auch manche Kommunikationsfehler gemacht. Und drittens habe ich so einen speziellen Koalitionspartner, der gerade in schwierigen Situationen querschießt und damit auch schlechtere Umfragewerte für mich verursacht.
Sie haben eigene Fehler angesprochen. Was würden Sie im Nachhinein anders machen?
Zum Beispiel war es sicher falsch, dass ich im Sommer selbst ohne
Mund-Nasen-Schutz bei einer Hochzeit war. Das hatte natürlich eine verheerend schlechte Signalwirkung.
Es gibt aber auch andere Kritik: So wirft man Ihnen vor, mit zweierlei Maß zu messen, wenn es um Vergehen der Vorgängerregierung und jetzt Ihrer eigenen Koalition geht. Sie reagierten heftig, als der ehemalige Parlamentspräsident eines Plagiats überführt wurde. Jetzt gehen Sie ganz anders mit den gleichen Vorwürfen um, wenn sie gegen Sie selbst und Ihre Koalitionspartner gerichtet sind.
Ja, ganz sicher. Eigentlich wundere ich mich, dass die Umfragewerte meiner Bewegung nicht noch schlechter sind. Schließlich kriegen wir von den Medien seit unserem Regierungsantritt vor sieben Monaten ja einen Prügel nach dem anderen zwischen die Beine geworfen. Als wir lobenswert gute Arbeit machten, hat uns niemand gelobt. Als wir die besten Ergebnisse im Kampf gegen das Coronavirus in ganz Europa hatten, da hat das niemand besonders anerkannt. Aber sobald es auch nur den kleinsten Fehltritt gab, wurde das gleich zu einer großen Story hochgespielt.