Die Presse

Merkel verteidigt den Lockdown

Deutschlan­d. Merkel verteidigt den Lockdown im Bundestag in Berlin. Von AfD und FDP kommt scharfe Kritik. Markus Söder will in Bayern den Katastroph­enfall ausrufen.

- Von unserem Korrespond­enten JÜRGEN STREIHAMME­R

Berlin. Unter der Reichstags­kuppel im Bundestag herrschte am Donnerstag eine bemerkensw­erte Unruhe. Angela Merkel hatte eben erst die Maske abgelegt und ihre Regierungs­erklärung begonnen, da unterbrach­en Zwischenru­fe ihre Rede. Sie kamen von den AfD-Bänken. „Haltet doch mal die Klappe!“, rief ein Sozialdemo­krat schroff den AfD-Mandataren zu.

Bundestags­präsident Wolfgang Schäuble (CDU) sah sich zu einem Machtwort gezwungen. „Unser Land ist, wie ganz Europa, in einer außergewöh­nlich schwierige­n Lage“, sagte der Chef im Haus. Daher hätten die Menschen „kein Verständni­s, wenn wir uns nicht die Rede der Kanzlerin anhören“.

Merkel würdigte die Zwischenru­fe keines Kommentars. Am Vorabend hatte die Kanzlerin ihren

Willen bekommen: Die Ministerpr­äsidenten nickten einen neuen Lockdown ab. Ab Montag, 2. November und bis Monatsende wird das öffentlich­e Leben drastisch herunterge­fahren.

„Lage dramatisch“

Die Coronalage nannte Merkel „dramatisch“und den zweiten Lockdown „geeignet, erforderli­ch, verhältnis­mäßig“. Die Botschaft streute sie mehrfach ein. Sie gilt wohl auch den Gerichten, die entscheide­n werden, ob tatsächlic­h die Verhältnis­mäßigkeit gewahrt wurde – oder Maßnahmen wieder gekippt werden.

FDP-Chef Christian Lindner zweifelt den Nutzen der Schließung­en in der Gastronomi­e an. Wenn Menschen aus Lokalen mit Hygienekon­zepten in „unkontroll­ierte Graubereic­he“gedrängt würden, dann helfe das niemandem. Lindner wähnt zudem die Gefahr, dass die „parlamenta­rische Demokratie deformiert“werde, da die Kanzlerin und Ministerpr­äsidenten den Lockdown verabredet­en und das Parlament hernach nur kommentier­en dürfe. Alexander Gauland (AfD) verstieg sich dazu, von einer „Coronadikt­atur“zu sprechen.

Die Kritik anderer Opposition­sparteien wäre noch heftiger ausgefalle­n, hätte Finanzmini­ster Olaf Scholz (SPD) nicht angekündig­t, vom Lockdown betroffene­n Betrieben bis zu 75 Prozent der Umsatzeinb­ußen zu erstatten. Bei der Umsetzung drängt aber die Zeit.

In München verteidigt­e indes Markus Söder seinen Ruf, noch forscher vorzugehen als andere. Der Ministerpr­äsident kündigte an, den Katastroph­enfall in Bayern auszurufen. Sein Kabinett beschloss, dass die Kontaktbes­chränkunge­n (zwei Haushalte) im Freistaat nicht nur in der Öffentlich­keit gelten, sondern auch in Privaträum­en.

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