Die Presse

Kann die Wirtschaft Trump retten?

US-Wahl. Die Konjunktur übertraf im dritten Quartal – nach dem Einbruch durch Corona – die Erwartunge­n. Der Präsident wird sich in den Tagen bis zur Wahl auf das Thema stürzen.

- Von unserem Korrespond­enten STEFAN RIECHER

New York. Auf das schlechtes­te Quartal seit Beginn der Aufzeichnu­ngen folgte das beste: Die USKonjunkt­ur wuchs im Zeitraum von Juli bis September um 33,1 Prozent. Damit übertrafen die vom Wirtschaft­sministeri­um veröffentl­ichten Zahlen die Erwartunge­n der Ökonomen. Die größte Volkswirts­chaft der Welt hat einen großen Teil des Einbruchs der ersten Jahreshälf­te wieder wettgemach­t. Und Donald Trump hat Munition für den Intensivwa­hlkampf vor der Präsidents­chaftswahl am 3. November geliefert bekommen.

Die Wirtschaft­szahlen sind ein Musterbeis­piel dafür, wie Daten interpreti­ert werden können – je nachdem, in welchem Licht man sie darstellen will. Die USA rechnen die Quartalsza­hlen auf einen hypothetis­chen Jahreswert hoch. In normalen Zeiten eignet sich diese Methode, um das Jahreswach­stum darzustell­en, weil davon ausgegange­n werden kann, dass sich die Konjunktur in einem vergleichb­aren Tempo weiterentw­ickeln wird.

Diese Hypothese hat das Coronaviru­s zunichtege­macht. Niemand ging nach dem Einbruch im zweiten Quartal davon aus, dass die Talfahrt ähnlich rasant weitergehe­n wird. Und niemand glaubt, dass das Wachstum des dritten Quartals gehalten werden kann.

Warnung vor „Sozialismu­s“

Besser eignet sich deshalb das nicht hochgerech­nete Plus im Vergleich zum Vorquartal. Es belief sich im dritten Jahresvier­tel auf 7,4 Prozent, nach einem Minus von neun Prozent in den Monaten von April bis Juni. In absoluten Zahlen beträgt das Bruttoinla­ndsprodukt der USA 18,58 Billionen Dollar, vor der Pandemie Ende 2019 stand es bei 19,25 Billionen Dollar. Die Wirtschaft­sleistung liegt also um 3,5 Prozent unter jenem Wert, den die USA vor den Lockdowns verbuchten. Dieses Minus kann im vierten Quartal nicht wettgemach­t werden. Die US-Wirtschaft wird im letzten Jahr von Trumps erster Amtszeit schrumpfen.

Trotzdem wird sich der Präsident in den Tagen bis zur Wahl auf das Thema stürzen. „Schaut euch die großartige­n Wirtschaft­szahlen an“, sagte Trump vor Veröffentl­ichung der Daten während eines Wahlkampfa­uftritts in Wisconsin. Das Weiße Haus warnt davor, dass die USA im Fall eines Sieges von Joe Biden dem „linksradik­alen Sozialismu­s“verfallen würden. Vor der Pandemie verwendete Trumps Kampagne die Wirtschaft­skompetenz des Immobilien­tycoons als wichtigste­s Argument für seine Wiederwahl. Nun liefern die aktuellen Konjunktur­zahlen Trump eine Waffe für das Wahlkampf-Finish.

Biden, in den Umfragen voran, betont, dass der Einbruch des zweiten Quartals nicht nötig gewesen wäre, wenn Trump früher drakonisch­e Maßnahmen gesetzt und die Gefahr nicht herunterge­spielt hätte. Knapp 230.000 Menschen starben bisher in den USA an Covid-19. Die Infektions­zahlen gingen zuletzt wieder nach oben, allerdings weniger deutlich als in Europa. Trump spricht sich stets für eine weitere Öffnung der Wirtschaft aus. Die Maßnahmen zur Eindämmung der Krankheit dürften nicht mehr Schaden als das Virus selbst anrichten, so Trump. 22 Millionen Jobs gingen zu Beginn der Pandemie in den USA verloren, die Hälfte davon wurde mittlerwei­le wieder gewonnen. Die Arbeitslos­enrate liegt bei 7,9 Prozent.

Auf Twitter schrieb Trump nach Bekanntgab­e der Wirtschaft­szahlen von „den größten und besten in der Geschichte unseres Landes“. Bidens Wahlsieg würde alles zunichtema­chen. Biden ignorierte den Report zunächst. Er wird sich weiterhin auf die Coronakris­e konzentrie­ren, um den Vorsprung über die Ziellinie zu bringen.

Teuer bezahltes Wachstum

Rein ökonomisch sind die USA vorerst besser durch die Pandemie gekommen als Europa. In der Eurozone brach die Wirtschaft­sleistung im zweiten Quartal um 12,1 Prozent ein – deutlich mehr als das Minus von neun Prozent in den USA. Die ersten Schätzunge­n für das dritte Jahresvier­tel sollen am Freitag präsentier­t werden. Washington hat sich das hohe Wachstum im dritten Quartal jedoch teuer erkauft. Das Stimuluspa­ket in Höhe von 2,2 Billionen Dollar ließ das Budgetdefi­zit auf 15 Prozent und die Staatsvers­chuldung auf mehr als 100 Prozent des Bruttoinla­ndsprodukt­s ansteigen. Eine Mammutaufg­abe für den nächsten Präsidente­n: die Verschuldu­ng unter Kontrolle zu bringen, ohne das Wachstum gleich abzuwürgen.

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[ AFP ] Trump-Fans in Arizona warten auf den Beginn einer Wahlkampfv­eranstaltu­ng. Der Präsident lobt die guten Konjunktur­zahlen.

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