Kann die Wirtschaft Trump retten?
US-Wahl. Die Konjunktur übertraf im dritten Quartal – nach dem Einbruch durch Corona – die Erwartungen. Der Präsident wird sich in den Tagen bis zur Wahl auf das Thema stürzen.
New York. Auf das schlechteste Quartal seit Beginn der Aufzeichnungen folgte das beste: Die USKonjunktur wuchs im Zeitraum von Juli bis September um 33,1 Prozent. Damit übertrafen die vom Wirtschaftsministerium veröffentlichten Zahlen die Erwartungen der Ökonomen. Die größte Volkswirtschaft der Welt hat einen großen Teil des Einbruchs der ersten Jahreshälfte wieder wettgemacht. Und Donald Trump hat Munition für den Intensivwahlkampf vor der Präsidentschaftswahl am 3. November geliefert bekommen.
Die Wirtschaftszahlen sind ein Musterbeispiel dafür, wie Daten interpretiert werden können – je nachdem, in welchem Licht man sie darstellen will. Die USA rechnen die Quartalszahlen auf einen hypothetischen Jahreswert hoch. In normalen Zeiten eignet sich diese Methode, um das Jahreswachstum darzustellen, weil davon ausgegangen werden kann, dass sich die Konjunktur in einem vergleichbaren Tempo weiterentwickeln wird.
Diese Hypothese hat das Coronavirus zunichtegemacht. Niemand ging nach dem Einbruch im zweiten Quartal davon aus, dass die Talfahrt ähnlich rasant weitergehen wird. Und niemand glaubt, dass das Wachstum des dritten Quartals gehalten werden kann.
Warnung vor „Sozialismus“
Besser eignet sich deshalb das nicht hochgerechnete Plus im Vergleich zum Vorquartal. Es belief sich im dritten Jahresviertel auf 7,4 Prozent, nach einem Minus von neun Prozent in den Monaten von April bis Juni. In absoluten Zahlen beträgt das Bruttoinlandsprodukt der USA 18,58 Billionen Dollar, vor der Pandemie Ende 2019 stand es bei 19,25 Billionen Dollar. Die Wirtschaftsleistung liegt also um 3,5 Prozent unter jenem Wert, den die USA vor den Lockdowns verbuchten. Dieses Minus kann im vierten Quartal nicht wettgemacht werden. Die US-Wirtschaft wird im letzten Jahr von Trumps erster Amtszeit schrumpfen.
Trotzdem wird sich der Präsident in den Tagen bis zur Wahl auf das Thema stürzen. „Schaut euch die großartigen Wirtschaftszahlen an“, sagte Trump vor Veröffentlichung der Daten während eines Wahlkampfauftritts in Wisconsin. Das Weiße Haus warnt davor, dass die USA im Fall eines Sieges von Joe Biden dem „linksradikalen Sozialismus“verfallen würden. Vor der Pandemie verwendete Trumps Kampagne die Wirtschaftskompetenz des Immobilientycoons als wichtigstes Argument für seine Wiederwahl. Nun liefern die aktuellen Konjunkturzahlen Trump eine Waffe für das Wahlkampf-Finish.
Biden, in den Umfragen voran, betont, dass der Einbruch des zweiten Quartals nicht nötig gewesen wäre, wenn Trump früher drakonische Maßnahmen gesetzt und die Gefahr nicht heruntergespielt hätte. Knapp 230.000 Menschen starben bisher in den USA an Covid-19. Die Infektionszahlen gingen zuletzt wieder nach oben, allerdings weniger deutlich als in Europa. Trump spricht sich stets für eine weitere Öffnung der Wirtschaft aus. Die Maßnahmen zur Eindämmung der Krankheit dürften nicht mehr Schaden als das Virus selbst anrichten, so Trump. 22 Millionen Jobs gingen zu Beginn der Pandemie in den USA verloren, die Hälfte davon wurde mittlerweile wieder gewonnen. Die Arbeitslosenrate liegt bei 7,9 Prozent.
Auf Twitter schrieb Trump nach Bekanntgabe der Wirtschaftszahlen von „den größten und besten in der Geschichte unseres Landes“. Bidens Wahlsieg würde alles zunichtemachen. Biden ignorierte den Report zunächst. Er wird sich weiterhin auf die Coronakrise konzentrieren, um den Vorsprung über die Ziellinie zu bringen.
Teuer bezahltes Wachstum
Rein ökonomisch sind die USA vorerst besser durch die Pandemie gekommen als Europa. In der Eurozone brach die Wirtschaftsleistung im zweiten Quartal um 12,1 Prozent ein – deutlich mehr als das Minus von neun Prozent in den USA. Die ersten Schätzungen für das dritte Jahresviertel sollen am Freitag präsentiert werden. Washington hat sich das hohe Wachstum im dritten Quartal jedoch teuer erkauft. Das Stimuluspaket in Höhe von 2,2 Billionen Dollar ließ das Budgetdefizit auf 15 Prozent und die Staatsverschuldung auf mehr als 100 Prozent des Bruttoinlandsprodukts ansteigen. Eine Mammutaufgabe für den nächsten Präsidenten: die Verschuldung unter Kontrolle zu bringen, ohne das Wachstum gleich abzuwürgen.