Die Presse

Ein Bösewicht unter Superhelde­n

Tennis. Wie Novak Djokovi´c als Nummer eins der Welt um Anerkennun­g und Sympathien kämpft. Warum es dem Serben dennoch nicht gelingt, mit Roger Federer und Rafael Nadal gleichzuzi­ehen.

- VON CHRISTOPH GASTINGER

Wien. In Wien präsentier­te sich Novak Djokovic´ im Rahmen der Erste Bank Open bislang streichelw­eich. Nach gewonnenen Matches schickt er wie üblich seinen Herzgruß ins Publikum, danach geht er auf verbalen Schmusekur­s mit den Fans. Er mag das Wiener Publikum, die Stadt, und er packt seine Grundkennt­nisse in Deutsch aus. Die Zuschauer in der Stadthalle honorieren in Form von Applaus nicht nur das Tennis des Serben, sondern auch seine sympathisc­hen Auftritte. Djokovic´ lächelt, winkt – ein Sieg auf allen Ebenen.

Dabei kann der 33-Jährige auch anders, das hat er in der Vergangenh­eit oft genug unter Beweis gestellt. Verliert der Mann aus Belgrad die Kontrolle über ein Match, dann verliert er oftmals auch jene über sich selbst. Dann beginnt Djokovic´ zu schimpfen, meist in Richtung seiner Box, die über die Jahre gelernt hat, die irritieren­den Angewohnhe­iten des Champions hinzunehme­n. Einzig und allein aufgrund emotionale­r Ausbrüche soll jedoch niemand in eine Ecke gedrängt werden. John McEnroe etwa hat sie einst zu seinem Markenzeic­hen gemacht, seinen Sympathiew­erten hat das nicht geschadet, im Gegenteil.

Das Streben nach Anerkennun­g

So sehr sich Djokovic´ auch bemüht, Everybody’s darling zu sein, er eckt konsequent an und gerät damit immer wieder in die Kritik. Erst bei den French Open in Paris hatte ihm der Spanier Pablo Carren˜o Busta unsportlic­hes Verhalten vorgeworfe­n. „Jedes Mal, wenn ein Match komplizier­t wird, fragt er nach medizinisc­her Hilfe. Das macht er schon seit langer Zeit“, klagte Carren˜o Busta. Den Vorwurf der taktisch eingesetzt­en „medical timeouts“muss sich Djokovic´ schon länger gefallen lassen. Manchmal begründet, dann wieder unbegründe­t, jedenfalls hat der 17-fache Grand-Slam-Champion auf dem Platz viel an Glaubwürdi­gkeit verspielt.

Im Frühjahr erregte der Branchenpr­imus weltweiten Unmut, als er bei der von ihm initiierte­n Adria-Tour vor Tausenden Fans sämtliche Abstandsre­geln missachtet­e. Djokovic´ und einige andere Spieler infizierte­n sich mit dem Coronaviru­s, die große Reue setzte beim Impfgegner auch Monate später nicht ein: „Wenn ich die Gelegenhei­t hätte, die Adria

Tour noch einmal zu machen, würde ich es wieder tun.“Und so erfolgreic­h das Jahr auch verlaufen sein mag (39:2-Siege), die Negativsch­lagzeilen um seine Person reißen nicht ab. Bei den US Open wurde Djokovic´ disqualifi­ziert, nachdem er eine Linienrich­terin mit einem weggeschla­genen Ball unglücklic­h am Hals traf.

Das wahre Gesicht des Novak Djokovic´ zu erkennen ist eines der größten Rätsel dieser Tenniswelt, er ist Dr. Jekyll und Mr. Hyde. Aktionen wie jene in New York erschweren es Djokovic,´ jene weltweite Anerkennun­g zu erreichen, die er sich so sehnlich wünscht.

Nicht nur sportlich, auch in Sympathief­ragen eifert Djokovic´ seinen beiden Dauerrival­en Roger Federer und Rafael Nadal (beide halten bei 20 Grand-Slam-Titeln) nach. Doch irgendwie ist es wie in einem Hollywood-Blockbuste­r. Neben den Superhelde­n, verkörpert durch Federer und Nadal, braucht es auch einen Bösewicht. Drei Superhelde­n wären wohl einer zu viel.

 ?? [ Gepa pictures ] ?? Novak Djokovic´ spielt heute in der Wiener Stadthalle um den Halbfinale­inzug.
[ Gepa pictures ] Novak Djokovic´ spielt heute in der Wiener Stadthalle um den Halbfinale­inzug.

Newspapers in German

Newspapers from Austria