Sparen in Zeiten der Krise
Weltspartag. Das Geldvermögen der Österreicher befindet sich auf einem Rekordhoch, die Sparquote schickt sich an, Werte aus den 90er-Jahren zu erreichen. Was das bedeutet.
Wien. Angesichts steigender Corona-Neuinfektionen und flächendeckender Lockdowns in einigen europäischen Staaten rückt der am Freitag stattfindende Weltspartag in den Hintergrund. Dennoch hinterlässt die Krise bereits ihre Spuren auf den Bankkonten der Österreicher. Wie diese aussehen, wer sparen kann, und ob es Sinn hat, in Aktien zu investieren – „Die Presse“gibt einen Überblick.
1 Wie hoch ist die Sparquote derzeit in Österreich?
Die Sparquote lag zuletzt bei 10,4 Prozent und ist der Anteil des verfügbaren Einkommens, der nicht in den Konsum fließt. Im Zuge der Coronakrise zeigte sich, dass die Österreicher um ein Fünftel mehr auf die Seite legen als noch vor einem Jahr. Das Wirtschaftsforschungsinstitut Wifo prognostiziert für 2020 eine Sparquote von 15 Prozent. Im kommenden Jahr sollte sich die Lage dann wieder etwas entspannen.
Die Sparquote ist derzeit aus zweierlei Gründen hoch: Aus Angst vor der Zukunft und dem Verlust des Arbeitsplatzes fingen die Menschen an, unnötige Ausgaben hintanzuhalten. Andererseits wurde die Bevölkerung im Frühjahr zum Konsumverzicht gezwungen. Und selbst wer derzeit beispielsweise die finanziellen Möglichkeiten hätte, auf Urlaub zu fahren, kann dies aufgrund der äußeren Umstände nicht tun. Und somit auch kein Geld ausgeben.
2 Sind die Österreicher jetzt also reich?
Betrachtet man das Geldvermögen der Haushalte, so ist dieses zum Ende des zweiten Quartals krisenbedingt tatsächlich auf ein neues Rekordhoch von rund 731,5 Mrd. Euro geklettert. Das ist in erster Linie dem Zuwachs bei Bargeld- und Einlagenbeständen geschuldet. Die künftige Entwicklung des Geldvermögens wird vor allem vom weiteren Verlauf der Pandemie abhängen. Und davon, ob der private Konsum anspringt oder die drohende Insolvenzwelle zu rollen beginnt.
3 Wer kann in Österreich überhaupt sparen?
Grundsätzlich sind Haushalte mit geringerem Einkommen in dieser Hinsicht benachteiligt, da ihr Fixkostenanteil in Relation größer ist. „Da bleibt wenig freies Einkommen übrig, über das man entscheiden kann“, sagt Wifo-Ökonom Thomas Url. Besonders die niedrigen Zinsen erweisen sich da als Nachteil: Das angesammelte Vermögen ist in dieser Gruppe ohnehin gering, die Realzinsen sind negativ, „da wird es schwierig, sich über den Zinseszins ein Vermögen aufzubauen“, so Url.
Im Median (50 Prozent liegen darüber, 50 Prozent liegen darunter) sparen die Österreicher laut Angaben der Nationalbank 200 Euro monatlich (inklusive Kreditrückzahlungen). Die Hauptmotivation der Österreicher ist nicht der Aufbau von Vermögen, sondern sie wollen für den Notfall vorsorgen. Rund ein Drittel der Österreicher spart überhaupt nicht.
4 Ist das auch der Grund, warum so wenige in Aktien investieren?
Hierzulande sind rund 15 Prozent der Österreicher entweder direkt oder indirekt im Aktienmarkt investiert. Der Anteil jener, die Wertpapiere halten, konzentriert sich dabei auf die höchsten Einkommensklassen. Aktienbesitz korreliert also sehr stark mit dem Verdienst und dem Vermögen. Das heißt im Umkehrschluss aber auch nicht, dass alle, die im Schnitt besser verdienen, ihr Geld zur Gänze in Aktien stecken. Jene aus den unteren Einkommensschichten, die Wertpapiere besitzen, sind wiederum oft in einem ähnlichen Ausmaß investiert wie der vermögendere Teil der Bevölkerung. Weil Aktien aber eine risikoreichere Veranlagungsform sind, „bei der innerhalb von kurzer Zeit ein dramatischer Wertverfall oder Gewinn eintreten kann, sind Menschen mit einem geringeren Vermögen auch nicht risikofreudig“, sagt Url. Weshalb vielfach klassische Spareinlagen bevorzugt werden, bei denen es zu keinen Schwankungen kommt. Die Einlagensicherung schafft zusätzliche Sicherheit.
5 Ist es trotzdem sinnvoll, in Aktien zu investieren?
Ja, allerdings sollte es sich um Geld handeln, das man in nächster Zeit nicht dringend braucht. Wer auf dem Kapitalmarkt tätig sein will, sollte einen langen Anlagehorizont anstreben, sagt der Chef der Wiener Börse, Christoph Boschan. Und auf Gebühren achten, die die Rendite anknabbern. Boschan plädiert aber auch für mehr Finanzbildung. „Sie ist noch immer der beste Anlegerschutz.“