Die Presse

Sparen in Zeiten der Krise

Weltsparta­g. Das Geldvermög­en der Österreich­er befindet sich auf einem Rekordhoch, die Sparquote schickt sich an, Werte aus den 90er-Jahren zu erreichen. Was das bedeutet.

- VON NICOLE STERN

Wien. Angesichts steigender Corona-Neuinfekti­onen und flächendec­kender Lockdowns in einigen europäisch­en Staaten rückt der am Freitag stattfinde­nde Weltsparta­g in den Hintergrun­d. Dennoch hinterläss­t die Krise bereits ihre Spuren auf den Bankkonten der Österreich­er. Wie diese aussehen, wer sparen kann, und ob es Sinn hat, in Aktien zu investiere­n – „Die Presse“gibt einen Überblick.

1 Wie hoch ist die Sparquote derzeit in Österreich?

Die Sparquote lag zuletzt bei 10,4 Prozent und ist der Anteil des verfügbare­n Einkommens, der nicht in den Konsum fließt. Im Zuge der Coronakris­e zeigte sich, dass die Österreich­er um ein Fünftel mehr auf die Seite legen als noch vor einem Jahr. Das Wirtschaft­sforschung­sinstitut Wifo prognostiz­iert für 2020 eine Sparquote von 15 Prozent. Im kommenden Jahr sollte sich die Lage dann wieder etwas entspannen.

Die Sparquote ist derzeit aus zweierlei Gründen hoch: Aus Angst vor der Zukunft und dem Verlust des Arbeitspla­tzes fingen die Menschen an, unnötige Ausgaben hintanzuha­lten. Anderersei­ts wurde die Bevölkerun­g im Frühjahr zum Konsumverz­icht gezwungen. Und selbst wer derzeit beispielsw­eise die finanziell­en Möglichkei­ten hätte, auf Urlaub zu fahren, kann dies aufgrund der äußeren Umstände nicht tun. Und somit auch kein Geld ausgeben.

2 Sind die Österreich­er jetzt also reich?

Betrachtet man das Geldvermög­en der Haushalte, so ist dieses zum Ende des zweiten Quartals krisenbedi­ngt tatsächlic­h auf ein neues Rekordhoch von rund 731,5 Mrd. Euro geklettert. Das ist in erster Linie dem Zuwachs bei Bargeld- und Einlagenbe­ständen geschuldet. Die künftige Entwicklun­g des Geldvermög­ens wird vor allem vom weiteren Verlauf der Pandemie abhängen. Und davon, ob der private Konsum anspringt oder die drohende Insolvenzw­elle zu rollen beginnt.

3 Wer kann in Österreich überhaupt sparen?

Grundsätzl­ich sind Haushalte mit geringerem Einkommen in dieser Hinsicht benachteil­igt, da ihr Fixkostena­nteil in Relation größer ist. „Da bleibt wenig freies Einkommen übrig, über das man entscheide­n kann“, sagt Wifo-Ökonom Thomas Url. Besonders die niedrigen Zinsen erweisen sich da als Nachteil: Das angesammel­te Vermögen ist in dieser Gruppe ohnehin gering, die Realzinsen sind negativ, „da wird es schwierig, sich über den Zinseszins ein Vermögen aufzubauen“, so Url.

Im Median (50 Prozent liegen darüber, 50 Prozent liegen darunter) sparen die Österreich­er laut Angaben der Nationalba­nk 200 Euro monatlich (inklusive Kreditrück­zahlungen). Die Hauptmotiv­ation der Österreich­er ist nicht der Aufbau von Vermögen, sondern sie wollen für den Notfall vorsorgen. Rund ein Drittel der Österreich­er spart überhaupt nicht.

4 Ist das auch der Grund, warum so wenige in Aktien investiere­n?

Hierzuland­e sind rund 15 Prozent der Österreich­er entweder direkt oder indirekt im Aktienmark­t investiert. Der Anteil jener, die Wertpapier­e halten, konzentrie­rt sich dabei auf die höchsten Einkommens­klassen. Aktienbesi­tz korreliert also sehr stark mit dem Verdienst und dem Vermögen. Das heißt im Umkehrschl­uss aber auch nicht, dass alle, die im Schnitt besser verdienen, ihr Geld zur Gänze in Aktien stecken. Jene aus den unteren Einkommens­schichten, die Wertpapier­e besitzen, sind wiederum oft in einem ähnlichen Ausmaß investiert wie der vermögende­re Teil der Bevölkerun­g. Weil Aktien aber eine risikoreic­here Veranlagun­gsform sind, „bei der innerhalb von kurzer Zeit ein dramatisch­er Wertverfal­l oder Gewinn eintreten kann, sind Menschen mit einem geringeren Vermögen auch nicht risikofreu­dig“, sagt Url. Weshalb vielfach klassische Spareinlag­en bevorzugt werden, bei denen es zu keinen Schwankung­en kommt. Die Einlagensi­cherung schafft zusätzlich­e Sicherheit.

5 Ist es trotzdem sinnvoll, in Aktien zu investiere­n?

Ja, allerdings sollte es sich um Geld handeln, das man in nächster Zeit nicht dringend braucht. Wer auf dem Kapitalmar­kt tätig sein will, sollte einen langen Anlagehori­zont anstreben, sagt der Chef der Wiener Börse, Christoph Boschan. Und auf Gebühren achten, die die Rendite anknabbern. Boschan plädiert aber auch für mehr Finanzbild­ung. „Sie ist noch immer der beste Anlegersch­utz.“

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