Trump oder Biden? Warum Europa mitfiebern muss
Gastkommentar. Ist eine Erneuerung der transatlantischen Partnerschaft möglich?
Millionen Amerikaner haben bereits abgestimmt. Die US-Präsidentschaftswahl nächste Woche ist ohne Zweifel das wichtigste politische Ereignis des Jahres. Ihre Wichtigkeit hat auch direkt mit Europa und der Zukunft der transatlantischen Beziehungen zu tun.
Trump oder Biden? Beide Kandidaten verfolgen in fast allen wichtigen außenpolitischen Fragen unterschiedliche Strategien. Die Beziehung zu Europa bleibt eines der Themen, das sie nicht eint. Dabei war seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs die Zusammenarbeit mit Europa nie eine Frage, die die Präsidentschaftskandidaten grundsätzlich getrennt hätte. Dieses Mal ist das der Fall, auch weil die Kandidaten so „anders“sind: Trump, der nie ein öffentliches oder politisches Amt vor seiner Wahl zum Präsidenten bekleidet hat; und Biden, der seit 47 Jahren in der Politik tätig ist.
Die „Keep America Great“Rhetorik bedeutet konkret den Rückzug der USA aus multilateralen Organisationen und eine Abkehr von der Strategie des Multilateralismus und der Globalisierung. Die Trump-Regierung hat bereits zahlreiche internationale Abkommen aufgekündigt und Organisationen verlassen, darunter das Transpazifische Partnerschaftsabkommen (2017), das Pariser Klimaabkommen (2017); die Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft pausiert (2017).
Biden verspricht Kehrtwende
Es folgte der Austritt aus der Unesco (2017) und aus dem Atomabkommen mit dem Iran (2018); der Rückzug aus dem UN-Menschenrechtsrat (2018) und dem INF-Vertrag (2019); schließlich Austritt aus dem Luftüberwachungsvertrag „Offener Himmel“(2020) sowie die Ankündigung des Austritts aus der Weltgesundheitsorganisation. Zudem hat Trump die EU als „Gegner“und die Nato als „obsolet“bezeichnet. Alle diese Maßnahmen hatten Auswirkungen auf und in Europa. Im Gegensatz zu Trump hat Biden versprochen, dass die USA ihre Rolle als Hauptakteur im multilateralen System wieder aufnehmen werden. Wie er in „Foreign Affairs“schrieb, will er die USA „wieder an die Spitze des Tisches setzen, um mit ihren Verbündeten und Partnern zusammenzuarbeiten und kollektive Maßnahmen gegen globale Bedrohungen zu mobilisieren“.
Unberechenbare Zukunft
Eine Biden-Präsidentschaft wäre für die Europäer äußerst beruhigend. Biden versprach, dass er während seines ersten Amtsjahrs zu einem globalen Gipfel für Demokratie einladen wird, um den Geist und die Zusammenarbeit der Nationen in der freien Welt zu erneuern.
Vor dem Hintergrund, dass sich das internationale System gewandelt hat und unberechenbarer geworden ist, wird ein Präsident Biden bestimmt nicht alle Wünsche der Europäer einfach so erfüllen. Für die Europäer stellt sich viel mehr die Frage, ob sie zu einer erneuerten Partnerschaft mit den USA bereit sein würden: Eine neue transatlantische Partnerschaft müsste berücksichtigen, dass sich der Schwerpunkt der Weltpolitik vom euroatlantischen in den indopazifischen Raum verlagert ebenso wie die Tatsache, dass sich Autoritarismus und Illiberalismus in der Welt immer weiter ausbreiten.
Die US-Wahl am 3. November wird Weichen stellen. Und sie wird Antwort auf die von Daniel Hamilton, einem anerkannten amerikanischen Europa-Experten gestellte Frage geben, ob die Vereinigten Staaten von einer „europäischen Macht“künftig zu einer „Macht in Europa“werden. Das hängt freilich auch davon ab, ob Europa bereit ist für ein „anderes Amerika“.
Dr. Faruk Ajeti ist Austrian Marshall Plan Foundation Visiting Scholar an der Johns Hopkins University in Washington und Affiliated Researcher im Österreichischen Institut für Internationale Politik (OIIP) in Wien.
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