Die Presse

LH Stelzer: „Keine Ankündigun­gen ankündigen“

Oberösterr­eich. Landeshaup­tmann Stelzer über bundesweit­e Regeln, Maßnahmen der Länder und die FPÖ.

- VON IRIS BONAVIDA

Die Presse: Herr Landeshaup­tmann, Linz liegt bekanntlic­h näher zu Deutschlan­d als zu Wien. Wie genau schauen Sie auf das Nachbarlan­d?

Thomas Stelzer: Wie schauen natürlich genau auf unsere Nachbarn: wegen der gesundheit­lichen Entwicklun­g, aber auch wegen der Frage, wie Pendler über die Grenze kommen können, was es für die Wirtschaft bedeutet. Das hat uns in den vergangene­n Tagen sehr gefordert.

Deutschlan­d hat landesweit­e Corona-Maßnahmen beschlosse­n, die steirische Regierung fordert sie nun für Österreich. Sie auch?

Ich glaube auch, dass es österreich­weite Maßnahmen braucht – insbesonde­re, wenn man sich die Zunahme an intensivme­dizinische­r Betreuung ansieht. Am Samstag gibt es eine Runde der Landeshaup­tleute mit der Bundesregi­erung, dem möchte ich aber nicht vorgreifen.

Laut Experte Bernd Lamprecht wäre ein Lockdown „mit offenen Schulen und Arbeitsplä­tzen, aber Unterbindu­ng von Freizeitko­ntakten“wirksam. Könnten Sie sich so etwas vorstellen?

Wir haben bei uns im Land festgestel­lt, dass wir weniger Probleme mit Infektione­n in den Bereichen hatten, wo es sehr klare und einschränk­ende Regelungen gibt. Also Gastronomi­e, Handel und Schulen. Der Schutz wird offenbar eher weniger im sogenannte­n privaten Bereich eingehalte­n.

Sie haben rechtliche Schritte gegen Feiern in Stadeln, Garagen und Gartenhütt­en gesetzt . . .

Ja, am Freitag trat dazu eine Verordnung in Kraft. Wenn es weitere Maßnahmen gibt, bin ich dafür, dass auf jeden Fall Schulen und große Teile des Handels und Geschäftsl­ebens offen bleiben.

Bisher waren Sie gegen eine Vorverlegu­ng der Sperrstund­e.

Wir haben die Sperrstund­e nicht vorverlegt. Weil wir eindeutig sehen, dass dort nur wenige Infektions­fälle entstehen. Offensicht­lich, weil es klar geregelt ist.

Wenn ich Sie richtig verstehe, sind Sie auch weiterhin dafür, die Gastronomi­e am Abend offen zu lassen.

Ich würde sagen, dass die Gastronomi­e nicht der vordringli­chste Bereich ist, weil er schon klar geregelt ist. Aber ich möchte den Beratungen am Samstag nicht vorgreifen.

Prognoseex­perte Peter Klimek sagte zur „Presse“: „Das Zeitfenste­r für regionale Verschärfu­ngen ist zu. Es wurde nicht genutzt.“Muss der Bund reagieren, weil die Länder säumig sind?

In Oberösterr­eich haben wir schon mehrmals regional handeln müssen. Insbesonde­re im Sommer, als wir am Höhepunkt des Tourismus in St. Wolfgang den Clusteraus­bruch hatten. Wir haben auch eine Verordnung angekündig­t, die innerhalb von 24 Stunden fertiggest­ellt wurde. In den Ländern kann man sich durchaus anschauen, wie rasches Handeln geht.

Sie beziehen sich auf die Verordnung zu den Garagenpar­tys.

Ja, genau.

Hätte die nicht viel früher kommen müssen? Einen Tag, nachdem sie in Kraft tritt, werden bundesweit­e Regeln verkündet.

Die Entwicklun­g ist rasant. Sobald es Cluster gab, haben wir immer gehandelt. Nachdem in ganz Europa jetzt Staaten republikwe­ise gehandelt haben, ist es auch in Österreich an der Zeit. Das hat nichts mit einem Ausspielen des Bundes und der Länder zu tun.

Deutschlan­d tat es mit einer niedrigere­n Inzidenz. Hat Österreich das Zeitfenste­r verpasst?

Wir sind dieses Mal sicher nicht bei den Ersten und Schnellste­n. Aber es ist trotzdem gut, dass wir jetzt über weitere Maßnahme reden. Insbesonde­re wenn man bedenkt, wie die intensivme­dizinische­n Angebote und Versorgung­sstellen gefordert werden.

Am Mittwoch die Verschärfu­ngen in Oberösterr­eich, am Donnerstag die Ankündigun­g im Bund, dass am Samstag neue Regeln folgen. Verstehen Sie den Unmut in der Bevölkerun­g, dass nicht klar kommunizie­rt wird?

Ich verstehe vor allem, dass die allermeist­en schon mürbe geworden sind ob des Virus. Aber es ist leider noch immer da. Und ja, was ich auch verstehen kann: Wenn man etwas ankündigt, dann muss die Konsequenz auf dem Fuß folgen. Man soll keine Ankündigun­gen ankündigen. In einer Phase wie jetzt, in der alle darauf schauen, worauf man sich einstellen muss, sollte schnell Klarheit geschaffen werden. Die wird es am Samstag geben.

Ist das Contact Tracing in Oberösterr­eich noch umfassend möglich?

Wir haben personell massiv aufgestock­t in den vergangene­n Wochen und tun es noch immer. Auch das Bundesheer unterstütz­t uns. Aber wir hatten von Donnerstag auf

Freitag rund 1300 Neuinfizie­rte. Wir haben das noch im Blick, aber ad infinitum wird das nicht gehen. Was uns auch fordert: 18.000 Leute sind in Quarantäne. Wir müssen mit den Quarantäne­zeiten runter, wenn das die Wissenscha­ft hergibt. Für viele, vor allem für Kontaktper­sonen K1, ist es zu lang.

Wobei die Wissenscha­ft sagt, dass fünf Tage, wie von der ÖVP teilweise gefordert, zu kurz sind. Um die acht Tage wären machbar.

Jede Verkürzung der Quarantäne­dauer wäre eine große Hilfe und ist mir recht. Man darf ja auch nicht immer nur von zehn Tagen ausgehen. Eltern eines infizierte­n Kindes sind auch bis zu 20 Tage in Quarantäne, weil der letzte Tag des Infektions­zustands zu bewerten ist. So können wir nicht weitermach­en.

Sie koalieren mit der FPÖ. Wie schwierig ist es eigentlich, dass die Landesregi­erung nicht mit einer Stimme sprechen kann?

Wichtig ist, dass eine Regierung Maßnahmen setzt. Und das tun wir in Oberösterr­eich. Eine Koalition besteht immer aus zwei Seiten, das wird vor allem in gesellscha­ftspolitis­chen Fragen sehr sichtbar. Aber das kann man aushalten.

Ihr Vize, Manfred Haimbuchne­r, stärkt Ihnen aber nicht den Rücken. Er spricht sich gegen viele Corona-Maßnahmen aus, zum Beispiel die Maskenpfli­cht.

Aber wir setzen die Maßnahmen. Und so lang ist für mich eine funktionie­rende Koalition gegeben.

Kommunizie­rt er intern womöglich anders als nach außen hin?

Jeder kommunizie­rt für sich. Für mich zählt am Ende das, was die Regierung erreichen und umsetzen kann.

Sie sprachen sich für eine Impfpflich­t aus, sobald es einen sicheren Impfstoff gegen Corona gibt. Sind Sie nach wie vor dafür?

Man muss sich ansehen, welchen Schaden das Virus angerichte­t hat, gesundheit­lich und wirtschaft­lich. Dann glaube ich nach wie vor, dass – wenn die Voraussetz­ungen passen – dass es wirksamer ist, wenn wir eine hohe Impfrate erreichen. Ich glaube ohnehin, dass viele sich werden impfen lassen. An meiner grundsätzl­ichen Meinung hat sich nichts geändert.

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[ APA ] Oberösterr­eichs Landeshaup­tmann, Thomas Stelzer (ÖVP), möchte, dass die Schulen geöffnet bleiben und die Quarantäne­dauer etwas verkürzt wird.

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