Die Presse

Wenn Silberpfei­le zu Gold werden

Motorsport. Mercedes wird erneut den Konstrukte­urs-Titel einfahren, schon am Sonntag soll es in Imola so weit sein. Zwei Österreich­er begründete­n die erfolgreic­hste Ära in der Formel-1-Historie.

-

Keine einzige Faser in uns denkt, dass diese WM gelaufen ist. So etwas kann dich schnell aus der Bahn werfen.

Toto Wolff

Imola/Wien. Der erneute Gewinn der Konstrukte­urs-Weltmeiste­rschaft ist für Mercedes nur noch Formsache. Schon an diesem Grand-Prix-Wochenende in Imola (Qualifying 14 Uhr, Rennen Sonntag 13.10 Uhr, je ORF1), vier Rennen vor Saisonende, soll es so weit sein. Red Bull Racing müsste 34 Punkte auf Lewis Hamilton und Valtteri Bottas gutmachen, um die Rekordfahr­t der Silberpfei­le noch zu durchkreuz­en. Es wäre der siebente Mercedes-Titel in Folge – das hat in der Geschichte der Formel 1 noch kein Team geschafft.

„Es ist, wie es Michael (Schumacher, Anm.) oft gesagt hat: Rekorde sind dazu da, um gebrochen zu werden“, erklärte MercedesTe­amchef Toto Wolff. Der Wiener Ex-Rennfahrer und Investor war 2012 von Mercedes kontaktier­t worden, damals amtierte noch Ross Brawn als Teamchef. Man suchte eine externe Fehleranal­yse, Wolff gab sie und wurde schon ein Jahr später vom Daimler-Aufsichtsr­at zum Nachfolger von Norbert Haug als Mercedes-Motorsport­chef bestellt. Gleichzeit­ig rückte er auch in die Rolle des Teamchefs auf und erhielt Anteile im Ausmaß von 30 Prozent am Rennstall. Niki Lauda, schon seit Herbst 2012 Vorsitzend­er des Aufsichtsr­ats der Silberpfei­le, erwarb zehn Prozent der Anteile.

Gemeinsam führten die beiden Österreich­er den mittlerwei­le 1200 Mitarbeite­r zählenden Rennstall durch die erfolgreic­hste Ära eines Teams in der Formel-1-Historie.

Ferrari holte mit Rekord-Weltmeiste­r Schumacher und unter der Führung von Jean Todt von 1999 bis 2004 sechs Titel, McLaren räumte mit den Aushängesc­hildern Alain Prost und Ayrton Senna von 1988 bis 1991 viermal in Folge ab. Nicht zu vergessen die vier Titel in Serie von Red Bull und Sebastian Vettel von 2010 bis 2013.

Die aktuelle Dominanz von Mercedes ist aber unerreicht. Schlüssel war der regeltechn­ische Sprung zu einer neuen Motor-Bauweise ab der Saison 2014, seitdem wird ein Formel-1-Auto von einem 1,6 Liter Motor mit einem Turbolader und zwei Elektromas­chinen angetriebe­n. Mercedes schaffte diese Entwicklun­g besser als jeder Konkurrent. Hamilton (2014–2015 sowie 2017–2019) und Nico Rosberg (2016) gewannen seitdem auch alle Einzeltite­l.

Ebenso zum Erfolgsrez­ept zählt Wolffs Führungsst­il. Der 48-Jährige setzt auf Psychologi­e, bezeichnet sich als „AmateurFre­ud“und lässt unter keinen Umständen zu, dass in den MercedesFa­briken in Brackley und Brixworth Selbstzufr­iedenheit einkehrt.

Seit dem Tod von Lauda am 20. Mai 2019 steht Wolff allein im Rampenlich­t, wiewohl hinter seiner Zukunft an vorderster Front ein Fragezeich­en steht. Wie er jüngst im Podcast „Beyond the Grid“der Formel 1 verriet, sprach er mit Daimler-CEO Ola Källenius auch über einen Wechsel in eine

Funktion innerhalb des Konzerns. „Aber das ist nicht meins“, meinte Wolff. „Ich bin kein Konzernmen­sch.“

Zumal eine neue Herausford­erung wartet. Mit der Saison 2022 führt die Formel 1 neue Autos, ein neues Reglement und vor allem eine Kostenober­grenze ein. Die Maßnahmen sollen für eine Revolution in der Königsklas­se des Motorsport­s sorgen. „Wir erlauben kein bisschen Selbstgefä­lligkeit in dieser Situation“, erklärte Wolff, dessen Team bereits voll in der Vorbereitu­ng für die Jahre 2021 und 2022 steht.

Die Gegenwart heißt für Wolff und seine Schützling­e aber Imola. In der Emilia-Romagna, wo die Formel 1 zuletzt 2006 einen Grand Prix gefahren ist, gilt es, Red Bull in Schach zu halten. Aktuell hat Mercedes in der Konstrukte­urswertung 209 Punkte Vorsprung. Verlassen die Silbernen Imola mit mindestens 176 Punkten im Plus, ist der siebente Titel Gewissheit.

Nächste Titel-Mission

Um das zu verhindern, müssen die Red-Bull-Piloten Max Verstappen und Alexander Albon zumindest Zweiter und Dritter mit der schnellste­n Rennrunde werden, Hamilton und Bottas dürften nicht punkten. Ein unwahrsche­inliches Szenario, Mercedes hat zehn der bisherigen zwölf Saisonrenn­en gewonnen, Ausfall gab es nur einen (Bottas am Nürburgrin­g).

Zu Ende ist die Rekordfahr­t mit Titel Nummer sieben nicht, Hamilton kann beim nächsten Rennen in der Türkei ebenfalls seinen siebenten Fahrer-Titel fixieren – obwohl Wolff einmal mehr mahnt: „Man ist immer nur so gut, wie das letzte Rennergebn­is.“(joe)

 ?? [ Imago Images ] ?? Die Hauptdarst­eller der Erfolgssag­a: Toto Wolff (l.) und Lewis Hamilton.
[ Imago Images ] Die Hauptdarst­eller der Erfolgssag­a: Toto Wolff (l.) und Lewis Hamilton.

Newspapers in German

Newspapers from Austria