Banken flüchten aus der Einlagensicherung
Bankenskandale. Rund 550 Millionen Euro hat es die Bankbranche heuer gekostet, für die Verfehlungen der Commerzialbank und Ex-Meinl-Bank einzustehen. Raiffeisen und Volksbanken haben genug und ziehen die Konsequenzen.
Wien. Der Betrug bei der Commerzialbank Mattersburg hat die österreichische Finanzbranche tief erschüttert. Vor allem Banker können sich nicht erklären, wie die Regionalbank so lang unbemerkt ihre Bilanzen fälschen konnte. Als sich dann herausstellte, dass die Einlagensicherung Hunderte Millionen Euro an geschädigte Sparer auszahlen muss, wandelte sich die Fassungslosigkeit in Wut – denn es sind die Kreditinstitute, die diesen Topf auffüllen müssen. Nun folgen die Konsequenzen: Die Raiffeisen und Volksbanken wollen aus der gemeinsamen Einlagensicherung Austria (ESA) austreten.
Für Raiffeisen ist die Geschichte etwas heikler als für die Volksbanken. Erstens tragen sie mit rund 220 Millionen Euro die Hauptlast der CommerzialbankPleite. Die ESA hat nach eigenen Angaben bis dato 470 Mio. Euro der gesicherten Einlagen der Commerzialbank-Kunden ausgezahlt, am Ende werden es 489 Mio. Euro sein. Zwar wird die ESA beim Insolvenzverfahren gesetzlich bevorzugt – das heißt, sie bekommt vor allen anderen Gläubigern das, was an Vermögenswerten der Commerzialbank noch übrig bleibt –, aber in Anbetracht der Überschuldung von 705,4 Mio. Euro wird da nicht mehr viel zu holen sein. Zudem hat der Masseverwalter bisher nur einen Teil der ESA-Auszahlungen anerkannt, da verdächtig viele (anonyme) Losungswortsparbücher darunter waren.
Sektorinterne Diskussionen
Der Schaden erhöht sich zudem wegen der zweiten Bankenpleite im März: Aufgrund der Anglo Austrian Bank, ehemalige Meinl Bank, musste die ESA weitere 60 Mio. Euro an garantierten Guthaben auszahlen, 27 Mio. Euro davon entfallen auf Raiffeisen. Das macht insgesamt 247 Mio. Euro an unerwarteten Belastungen für den Sektor in ohnehin schwierigen Zeiten.
Der zweite Grund, wieso Raiffeisen dieser Schritt etwas unangenehm ist, liegt an der Vorgeschichte: Während der Vorbereitungen für die – auf eine EU-Richtlinie zurückgehende – einheitliche Einlagensicherung 2018 wollte Raiffeisen eine eigene Einlagensicherung aufstellen, ähnlich wie es die Erste Bank und Sparkassen gemacht haben. Jedoch kam es intern zu Meinungsunterschieden: Die Raiffeisenlandesbank (RLB) Oberösterreich wollte in die gemeinsame
ESA, die RLB NÖ-Wien in eine eigene. Die Oberösterreicher setzten sich durch und der Sektor trat 2019 in die ESA ein, zusammen mit den Volksbanken, Aktienbanken wie Bank Austria und Bawag, 3-Banken-Gruppe, Hypos und vielen kleinen selbstständigen Kreditinstituten wie der Commerzialbank.
Im Sommer kam mit dem Auffliegen der Commerzialbank-Pleite das böse Erwachen – und auch die Oberösterreicher ließen sich nun überreden, eine eigene Einlagensicherung zu gründen. Vor rund zwei Wochen fiel die finale Entscheidung, die strittige Aufteilung der Lasten innerhalb des Sektors dürfte im Groben geklärt sein. Derzeit werden die nötigen Unterlagen vorbereitet, heißt es bei Raiffeisen, offiziell bezieht freilich niemand Stellung. Die Anträge gehen zuerst an die Finanzmarktaufsicht (FMA), werden von der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB) begutachtet und der EZB abgesegnet.
Kein Vorteil für Volksbanken
Vor demselben Prozedere stehen auch die Volksbanken: „Wir bereiten auch einen solchen Antrag vor“, bestätigt Gerald Fleischmann, Generaldirektor der Volksbank Wien gegenüber der „Presse“. „Wir haben im Verbund sowieso wechselseitige Haftungen und Liquiditätsgarantien. Deswegen sehen wir keinen Vorteil darin, für eine Gruppe von Banken einzustehen, von denen wir nichts wissen. Das ist die logische Folge nach der Commerzialbank-Sache.“
Der Volksbankenverbund, dem Fleischmann samt Weisungsrecht vorsteht, muss mit rund 40
Mio. Euro für die gesicherten Commerzialbank-Guthaben mitzahlen, hinzu kommen acht Mio. Euro wegen der Anglo Austrian Bank.
„Durch die vielen EZB-Vorgaben wird für so große Banken wie Raiffeisen, Volksbanken oder Erste die Einlagensicherung mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit nicht schlagend. In dem Sinne sind unsere Einzahlungen in die ESA Solidarbeiträge für die anderen Banken“, sagt der Volksbank-Chef – und schätzt, dass die Umsetzung des Umstiegs rund ein Jahr dauern wird.
In den eigenen Topf zahlen
Ein möglichst rascher Austritt würde beiden Instituten auch die Kosten für das Wiederauffüllen des ESA-Topfs ersparen. Denn sobald die Vorschreibung für heuer kommt, haben sie ein Jahr Zeit, um diesen Betrag in die eigene Einlagensicherung zu übertragen. Bei Raiffeisen wären das 50 Mio., bei den Volksbanken 20 Mio. Euro.
Wir sehen keinen Vorteil darin, für Banken zu haften, von denen wir nichts wissen.“
Gerald Fleischmann, CEO Volksbank Wien