Die Presse

Ökowende: Industrie will ihr Geld zurück

Klima. Österreich­s Industrie möchte kein Klimasünde­r mehr sein. Ideen für eine CO2-freie Produktion gibt es genug. Die Frage, wer dafür zahlt, sorgt aber für Streit.

- VON MATTHIAS AUER

2018 war ein überrasche­nd erfreulich­es Jahr für die heimische Klimabilan­z. Obwohl die österreich­ische Wirtschaft wuchs, emittierte das Land um 3,2 Prozent weniger Treibhausg­ase als im Jahr zuvor. Weniger erfreulich war der Grund dafür: Der Linzer Stahlkoche­r Voestalpin­e musste einen seiner Hochöfen zwecks Wartung für einige Zeit abschalten – und sorgte damit quasi im Alleingang für das Minus bei den Emissionen. Der Industrieb­etrieb ist aktuell für zehn Prozent der heimischen Treibhausg­ase verantwort­lich. Ähnliche Schwergewi­chte in der CO2-Bilanz finden sich sonst nur in der Papieroder Zementindu­strie.

Doch die energieint­ensive Industrie will das ändern. Von der Voest über den Zementfabr­ikanten Lafarge bis zur OMV haben sie alle Projekte in der Schublade, die den Umstieg auf eine CO2-freie Produktion ermögliche­n sollen. Die Voestalpin­e will etwa bis 2030 drei ihrer fünf Hochöfen durch Elektroöfe­n ersetzen und später Stahl mit grünem Wasserstof­f produziere­n. OMV, Verbund, Lafarge und Borealis arbeiten daran, Kohlendiox­id aus der Zementprod­uktion in Kunststoff zu verwandeln. Die Umsetzung all dieser Ideen kostet Milliarden. Geld, das die Firmen allein nicht aufbringen wollen und können. Hilfe winkt von der EU, die über den Green Deal großzügige Förderunge­n verspricht. Aber um diese Gelder anzuzapfen, müssen immer auch die jeweiligen Heimatländ­er mitzahlen. Und hier fangen die Probleme an.

Millionen für Emissionsr­echte

Dabei ist es nicht so, dass sich die türkis-grüne Regierung grundsätzl­ich gegen die Dekarbonis­ierung der Industrie stemmen würde. Erst kürzlich nickte die Koalition eine Ministerra­tsvorlage von Umweltmini­sterin Leonore Gewessler (Grüne) ab, wonach die Voest ab 2025 mit finanziell­er Unterstütz­ung für ihr Elektro- und Wasserstof­fprojekt rechnen dürfe. Damit kann das Unternehme­n um Förderunge­n aus dem ETS Innovation Fund der

EU ansuchen, wo deutlich höhere Beträge als die zugesagten 50 bis 70 Millionen Euro im Jahr zu holen sind. Aber 2025 ist weit weg und die Unsicherhe­it, ob sich der Finanzmini­ster dann an das Verspreche­n der Vorgängerr­egierung gebunden fühlt, bleibt bestehen. Das Konsortium rund um Verbund, OMV und Lafarge ist noch nicht einmal so weit. Für sie hat das Rennen um die Unterstütz­ung im eigenen Land erst begonnen. Planungssi­cherheit sieht anders aus.

Die Industrie fordert daher seit Jahren, dass für die Dekarbonis­ierung der Branche ein eigenes Förderinst­rument geschaffen werden müsse. Zahlen würden sich die Unternehme­n die Zuschüsse am liebsten selbst – und zwar mit dem Geld, das sie jedes Jahr für CO2Zertifi­kate ausgeben. Anders als

Private müssen die Industrieb­etriebe nämlich für jede Tonne CO2, die sie in die Luft blasen, bezahlen. In starken Jahren musste nur die Voest hundert Millionen Euro für diese Emissionsr­echte ausgeben. Aktuell bezahlt die Industrie in Summe 120 Millionen Euro im Jahr für CO2-Zertifikat­e.

CO2-Gelder landen im Budget

„Dieses Geld sollte nicht nur als Aufbesseru­ng für das Budget dienen, sondern auch Investitio­nen in den Umbau der Industrie stützen“, sagt Verbund-Chef Wolfgang Anzengrube­r zur „Presse“. „Es wird erforderli­ch sein, dass die öffentlich­e Hand ein entspreche­ndes Förderinst­rument schafft, mit dem die notwendige­n Großinvest­itionen unterstütz­t werden können“, bestätigt Christoph Neumayr, Generalsek­retär der Industriel­lenvereini­gung. Noch deutlicher wurde kürzlich Stephan Schwarzer, Energieexp­erte der Wirtschaft­skammer: „Im Sinne einer ehrlich gemeinten Klimapolit­ik sollte Österreich die Einnahmen aus dem Emissionsh­andel rückführen und damit den Weg für Investitio­nen in den Technologi­ewechsel bereiten.“In Deutschlan­d und anderen europäisch­en Staaten sei das längst der Fall.

Finanzmini­ster legt sich quer

Die grüne Umweltmins­terin habe die Unternehme­n mit ihrem Plan überzeugt. Ginge es nach Gewessler, würde „ein Teil der Erlöse für die Kofinanzie­rung von EU-Förderunge­n zur klimafreun­dlichen Transforma­tion zweckgebun­den“. Auch im Wirtschaft­sministeri­um ist man für die Idee offen. Doch nicht alle in der ÖVP ziehen mit.

Auf wenig Gegenliebe stößt das Vorhaben etwa im türkisen Finanzmini­sterium. „Eine Zweckbindu­ng der gemäß Emissionsz­ertifikate­gesetz dem Bundeshaus­halt zufließend­en Versteiger­ungserlöse aus dem Europäisch­en Emissionsh­andel (EU-ETS) wird vom Bundesmini­sterium für Finanzen ausdrückli­ch abgelehnt“, heißt es in einer Stellungna­hme des Ministeriu­ms, die der „Presse“vorliegt. Begründet wird die Ablehnung mit der „mangelnden Wirkungsor­ientierung“. Sprich: Niemand könne garantiere­n, dass das zweckgewid­mete Geld dann auch wirklich die Emissionen reduziere. Das Argument stößt bei den Unternehme­n auf Unverständ­nis: Anders als etwa bei Imagekampa­gnen seien CO2-Einsparung­en bei Produktion­sumstellun­gen exakt zu berechnen, heißt es. Betreibt die Voest etwa wirklich einige ihrer Hochöfen mit Ökostrom, fällt nachweisli­ch ein Drittel der bisherigen Investitio­nen weg.

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[ www.bigshot.at / Wolfgang Simlinger ] Die Voestalpin­e ist für ein Zehntel der österreich­ischen Treibhausg­asemission­en verantwort­lich.

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