Als Historicus am Hof des Sultans
Geschichte. Nach dem Frieden von Passarowitz 1718 sollte eine Botschaftermission in Konstantinopel ein neues Einvernehmen herstellen. Die Reise ist auf 1100 Seiten dokumentiert.
Ein Botschafter begibt sich von Wien nach Konstantinopel. In den Jahren 1719/20 war dies ein prunkvolles Ereignis: Reichsgraf Damian Hugo von Virmont stand als Großbotschafter von Kaiser Karl VI. an der Spitze einer 400 Personen umfassenden Delegation, die am Hof des Sultans mit allen Ehren empfangen wurde.
Mit im Gefolge war der Ex-Jesuit und Bibliothekar Georg Cornelius Driesch, dessen Reisebericht der Wiener Historiker Thomas Wallnig unter die Lupe genommen hat. 1721 erschien in Wien die Publikation von Driesch auf Latein (1100 Seiten), 1723 in Nürnberg auf Deutsch.
Die Reise des Großbotschafters fand in einem für die Habsburger günstigen Jahrzehnt statt. Nach dem Sieg gegen die Osmanen vor Wien 1683 und den Feldzügen Prinz Eugens konnte Karl VI. 1718 im Frieden von Passarowitz die Erfolge auch in Gebietsgewinne ummünzen.
Österreich erhielt vom Osmanischen Reich das Temesvarer Banat, die Kleine Walachei, Teile Serbiens mit der Stadt Belgrad und einen Streifen in Nordbosnien. Nach einem weiteren Türkenkrieg sollten 20 Jahre später diese Gebiete bis auf das Temesvarer Banat wieder verloren gehen.
Zwischen Heer und Diplomatie
Damian Hugo von Virmont durchlief die militärischen Stationen in der kaiserlichen Armee und wurde 1706 vom Kaiser, damals Joseph I., in den Reichsgrafenstand erhoben. Als einer von drei kaiserlichen Bevollmächtigten war er an dem Passarowitzer Friedensvertrag beteiligt.
Der aus einem (niederen) niederrheinischen Adelsgeschlecht stammende Virmont ist ein Beispiel für den Karriereweg zwischen Heer und Diplomatie, so Wallnig, der bereits einige Projekte zur zentraleuropäischen Gelehrsamkeit der Vormoderne geleitet hat.
Georg Cornelius Driesch war eine von 400 Personen im Gesandtschaftsgefolge Virmonts. Er stammte aus Köln und war in seiner Zeit als Jesuit Hauslehrer der Söhne der Grafen Virmont. Ab 1716 war er in Wien als Bibliothekar tätig. Großbotschafter Virmont dürfte Driesch schon länger gekannt haben, er engagierte ihn für seine Mission als Sekretär und „historicus“.
In seiner Publikation „Historische Nachricht von der RömischKayserlichen Groß-Botschaft nach Constantinopel“hat sich Driesch, so Wallnig, als glühender Verfechter der kaiserlichen Propaganda erwiesen.
Die lateinische Wiener Ausgabe war dem Kaiser gewidmet, für ihn ist der Kaiser der oberste Herrscher der Christenheit und in der damaligen Sicht das Oberhaupt eines trikonfessionellen Imperiums (Katholiken, Lutheraner, Calivinisten). Die spätere deutsche Ausgabe widmet er hingegen der Ehefrau Virmonts. Diese Nürnberger Publikation sollte zudem eine gesamtdeutsche, also auch protestantische, Leserschaft erreichen.
Drieschs Text verbindet Elemente des diplomatischen Berichts mit jenen der Landesbeschreibung, traditionelle Türkenbilder mit dem Anliegen, die Handlungsspielräume des eben geschlossenen Friedens auszuloten. Der Verfasser betont, dass kein Volk so barbarisch und von den allgemeinen Sitten entfernt sei, als dass man von diesem nicht etwas lernen könne.
„Nicht mehr so grausam“
Diese Sitten beschreibt der Autor, er berichtet über die Einrichtung des Harems oder den Gebrauch der linken Hand. Diese sei vor allem in kriegerischen Zeiten die vornehmere Hand, weil an der linken Seite der gegürtete Degen in Griffweite war.
Driesch schreibt über die „Hoffarth und Grobheit“am Hof des Sultans, aber auch über byzantinische Spuren in Konstantinopel und über die Duldung Andersgläubiger. Insgesamt gesehen geht es dem Berichterstatter um bestimmte Anknüpfungspunkte zum Islam, „um das Anliegen, die Handlungsspielräume des eben geschlossenen Friedens auszuloten“(Wallnig).
Wenn Driesch etwas idealisierend vom Friedenswillen der Osmanen berichtet („Türken sind nicht mehr so grausam“), dann dürfte er auch im Sinne Virmonts den gewünschten Missionserfolg geradezu herbeischreiben: „Man trifft indessen bey denen Türken keine solche Grausamkeit mehr an, als sie in den mittleren Zeiten bezeigt haben.“
Autor ortet Gesinnungswandel
Früher wäre es ihr besonderes Liebeswerk gewesen, Christen umzubringen und totzuschlagen. Jetzt sieht der Autor aber einen Gesinnungswandel. „Nunmehr haben sie durch den Umgang mit anderen Leuten sich eine gütigere Aufführung angewöhnt, und ist noch Hoffnung, daß ein so blühendes Reich ihren Irrthum ablegen, und der Kirche, wie auch Ihren rechtmäßigen Herren / dem Römischen Kaiser / völlig wiederum werde zugebracht werden.“
Dies kann als Achtungsbeweis für den Habsburgerkaiser gesehen werden.
Mit der Mission wollte man die Spielräume für den Frieden mit den Türken ausloten.
Thomas Wallnig, Institut für Österr. Geschichtsforschung, Uni Wien