Die Presse

Erbsenhirn als Blaupause zur Ursachensu­che

Organoide eignen sich für Screening bei Krankheite­n.

-

Während man in Fliegen oder Mäusen systematis­ch Gene untersuche­n kann, die bei der Gehirnentw­icklung eine Rolle spielen, ist das menschlich­e Gehirn weiterhin schwer zu erforschen. Eine ethisch und biologisch passende Herangehen­sweise an die Komplexitä­t unserer Steuerzent­rale bieten Organoide: Organartig­e Gewebestüc­kchen, die im Labor aus Stammzelle­n wachsen.

Das Team um Jürgen Knoblich am Institut für Molekulare Biotechnol­ogie (Imba) der ÖAW ist spezialisi­ert auf solche „Erbsenhirn­e“, die in Struktur und Nervenvern­etzung von der entspreche­nden Hirnregion des Menschen kaum zu unterschei­den sind. So kann man aus Stammzelle­n von Patienten mit Gehirnerkr­ankungen Organoid-Zellkultur­en wachsen lassen und die neurologis­chen Ursachen gezielt erforschen.

Knoblichs Team zeigt jetzt im Journal Science (29. 10.) erstmals eine Möglichkei­t, die Gehirnorga­noide systematis­ch nach Genen zu durchsuche­n, die für die jeweilige Erkrankung verantwort­lich sind: Es können Hunderte Gene auf einmal gescreent werden, ob und wie sie in die Krankheit involviert sind.

Zellen mit genauer Adresse

Die Basis für das neue Verfahren ist die Genschere CRISPR/ Cas9, deren Entdeckeri­nnen heuer mit dem Chemienobe­lpreis geehrt werden. Sie erlaubt, Gene gezielt zu „zerschnips­eln“und dann zu kontrollie­ren, welche Funktion im Gehirnstüc­kchen wegfällt. Das Wiener Team nennt die Neuentwick­lung CRISPR-LICHT (Lineage Tracing at Cellular Resolution in Heterogeno­us Tissue): Jede Zelle im Organoid und alle Zellen, von denen sie abstammt, sind mit einer einzigarti­gen genetische­n Adresse versehen. Das ermöglicht eine Ursachenfi­ndung bei Krankheite­n wie Mikrozepha­lie, Autismus oder Schizophre­nie. (vers)

Newspapers in German

Newspapers from Austria