Fördert „Almbaden“die Gesundheit?
Medizin. In Salzburg untersucht ein Forscherteam, ob ein Almaufenthalt positiv auf die Gesundheit wirkt. Schlüssel dazu könnte ein besonders vielfältiges Mikrobiom sein.
Das in Japan beliebte Waldbaden ist mittlerweile auch bei uns aus vielen touristischen Angeboten nicht mehr wegzudenken. Nun könnte auch die Alm als „Medizin“für mehr Gesundheit und Wohlbefinden neu aufgeladen werden. In Salzburg beschäftigen sich Wissenschaftler mit der Frage, ob Almen bei Prävention oder Bekämpfung von Krankheiten eine besondere Wirkung entfalten.
„Wir wollen das mit Patienten, die an Zivilisationserkrankungen leiden, in klinischen Studien zeigen“, sagt Arnulf Hartl, Leiter des Instituts für Ökomedizin an der Paracelsus Medizinischen Privatuniversität. Im Zentrum stehen dabei nicht bekannte gesundheitsfördernde Faktoren wie gute Luft, Bewegung in moderaten Höhenlagen oder Vitamin-D-Produktion durch Sonne. Die Wissenschaftler schauen sich das Alm-Mikrobiom – die Vielfalt an Mikroorganismen, Bakterien und Pilzen – und seine Wirkung auf das menschliche Immunsystem an. „Unsere Hypothese lautet, dass die hohe Artenvielfalt bei Flora und Fauna auf Almen auch eine hohe Artenvielfalt des Mikrobioms bedeutet“, erläutert Hartl.
Die Stadt birgt Nachteile
Und dieses Mikrobiom – das sich auf der Haut ebenso befindet wie auf den Schleimhäuten oder im Darm – hat einen starken Einfluss auf Gesundheit und Krankheit. Die darin enthaltenen Mikroorganismen und Bakterien steuern viele physiologische Prozesse, unter anderem kann ein gesundes Mikrobiom Entzündungen hemmen. Dahinter steckt ein durch den Botenstoff Interleukin-10 gesteuerter Prozess, der nach Entzündungsreaktionen ein immunologisches Gleichgewicht herstellt und den die Forscher über einen Almaufenthalt mit seinem reichen Mikrobiom nutzen wollen.
Das Projekt geht davon aus, dass das Immunsystem von Menschen, die in der Stadt leben, einem weniger artenreichen Mikrobiom ausgesetzt ist. Viele der
Botenstoffe und Mikroorganismen, die uns eigentlich gesund erhalten, fehlen. Umgekehrt könnte ein vielfältiges Almmikrobiom sich positiv auf die Gesundheit auswirken und möglicherweise sogar Krankheiten lindern. „Man weiß heute, dass Bauernkinder weniger anfällig für Asthma und Allergien sind. Das liegt unter anderem am Interleukin-10“, erklärt Hartl. Das Immunsystem brauche die Auseinandersetzung mit einer Vielfalt an Bakterien, um richtig zu arbeiten. „Sonst richtet es sich gegen falsche Feinde nach außen oder innen“, nennt der Immunologe den Grund für das Entstehen von Allergien oder Autoimmunerkrankungen.
Weiden und Biotope betrachtet
In einem ersten Schritt werden gemeinsam mit dem auf Geoinformatik spezialisierten Research Studio iSPACE der RSA FG und der Universität Salzburg mögliche Standorte ausgewählt, wo die Artenvielfalt aufgrund verschiedenster Parameter – beispielsweise eine jahrhundertealte Nutzung als Almweide oder artenreiche Biotope – besonders groß zu sein scheint. Zum Vergleich wurden typische urbane Standorte gesucht. „Wir verknüpfen räumliche Daten mit medizinischen Messungen“, sagt Günter Gruber vom Research Studio iSPACE.
Bei der Suche nach den Standorten mit vielfältigem Mikrobiom fließen neben Satellitendaten auch Biotopkartierungen oder Aufzeichnungen über die Nutzung von Almen oder Auftriebszahlen mit ein. Die Wissenschaftler identifizieren artenreiche Standorte anhand räumlicher Indikatoren, leiten mögliche Wechselwirkungen mit der Gesundheit ab und bauen eine Datenbank auf.
In der Stadt Salzburg wurden anhand eines Grün-Blau-Grau-Indikators – er spiegelt Grünräume, Wasserflächen und Verbauung wider – Plätze gewählt, wo typisch urbane Nutzungen und Brachen aufeinandertreffen: „Es geht uns nicht um möglichst naturnahe Standorte, sondern um die Nutzungsvielfalt“, betont Gruber.
Im Sommer wurden in der Stadt Salzburg Exposom-Messungen unter anderem im Bereich der Kendlerstraße, der Schallmooser Hauptstraße oder beim Alterbach in Itzling durchgeführt. Dabei wird versucht, die Vielfalt der Umwelteinflüsse an diesen Plätzen zu erfassen.
Was sich wie schnell tut
Sind die mikrobiomreichen Standorte einmal definiert, geht es in der nächsten Phase um die Frage, ob sich das Mikrobiom einer Person verändert, die sich dort länger aufhält. „Wir wollen wissen, was und wie schnell sich etwas tut“, erläutert Hartl.
Untersuchen will man das vorerst bei Jugendlichen aus der Stadt, die den nächsten Sommer als Senner auf einer Alm verbringen. Danach ist eine klinische Studie mit Patienten geplant. Gleichzeitig könnte – bei positiven Ergebnissen – das „Almbaden“touristisch positioniert werden.