Eichelhäher
Die Jagd auf Eichelhäher widerspricht dem gesellschaftlichen Auftrag der Jäger. Die bunten Vögel fördern die Regeneration unserer Wälder und säen eine Unzahl von Eichen- und Buchensamen. Ein Appell.
Die widersinnige und sinnlose Jagd auf die „fliegenden Förster“
Warum um alles in der Welt töten Jäger in Österreich alljährlich Tausende Eichelhäher? Weil die Jagd auf diese klugen Vögel „große Freude“macht und „spannend“ist, wie das „Team Krähenjagd“schreibt? Die meisten Häher werden bei Treibjagden nebenbei erlegt, die toten Vögel lassen die Schützen oftmals einfach liegen. Diese Tötungen sind sinnlos und in höchstem Maße widersinnig.
Jagd mag eine Passion sein, aber sie ist auch ein gesellschaftlicher Auftrag. Dieser besteht heutzutage in der „Regulierung des Wildtierbestandes zur Minimierung des Wildschadens“. Denn wild lebende Huftiere haben sich aufgrund jahrzehntelanger intensiver Hege stark vermehrt, fressen zu viele Jungbäume und machen die seit Langem notwendige Rückwandlung fichtendominierter Forste in naturnahe, arten- und strukturreiche Mischwälder, die Borkenkäfer, Hitze, Trockenheit, Starkregen und Stürmen widerstehen, zu einer Sisyphusarbeit. Wir alle sind Nutznießer einer Jagd, die den Schalenwildbestand auf ein waldverträgliches Maß reduziert. Zu Recht bezeichnen Jäger diese Aufgabe als systemrelevant.
Doch die Jagd auf Eichelhäher ist ein Schuss ins Knie dieser „Systemrelevanz der Jagd“. Denn die bunten Vögel fördern die Regeneration unserer Wälder, sie säen eine Unzahl von Eichen, Buchen und anderen Baumarten mit schweren Samen. Bis zu 5000 Eicheln steckt ein einzelner Häher jeden Herbst manchmal kilometerweit vom Fundort entfernt in den Boden. Nur im Schutz dieser Verstecke haben die Samen eine Chance zu überleben und auszukeimen. Einen Teil davon verbraucht der Vogel im Winter, die anderen im Frühjahr, nachdem der Eichenkeimling gewachsen ist. Es ist das Musterbeispiel einer Symbiose – und einer wertvollen Ökosystemleistung: Im Hinblick auf eine heißere und trockenere Zukunft wird vor allem die hitze- und trockenheitstolerante, mit ihrer Pfahlwurzel gut im Boden verankerte Eiche für den Wald und das lokale Klima eine stabilisierende Baumart sein.
Es gleicht daher einer Sabotage der natürlichen Waldverjüngung, wenn etwa die niederösterreichischen Bezirkshauptmannschaften per Verordnung die Jäger dazu ermächtigen, unbegrenzt viele Eichelhäher abzuschießen oder einzufangen und danach zu töten. Eichelhäher sind aus gutem Grund geschützt, nur wenn sie Schäden verursachen, dürfen sie mit Erlaubnis der Bezirksverwaltungsbehörden getötet werden.
Sind es Schäden an Agrarkulturen? Eichelhäher fressen auch Kirschen, Weintrauben oder Mais, allerdings nur in Waldrandnähe, weil sie offene Flächen meiden. Größere Verluste scheinen sie nicht zu verursachen, sonst erginge nicht ausgerechnet von der niederösterreichischen Landwirtschaftskammer „der Appell an die Jäger, den Eichelhäher bei der Treibjagd zu verschonen, er ist ein hilfreicher Waldbauer“. In Österreich ist Stift Altenburg der erste Forstbetrieb, der auf Eichelhäher setzt, statt selbst Eichen zu setzen.
„Die Scheu der Tiere erhöhen“
Auch die Forstverwaltung Quellenschutz der Stadt Wien lässt an den Hängen von Schneeberg und Rax die Häher gezielt Eichen und Buchen in die Schwarzkiefern- und Fichtenbestände pflanzen. Denn Laubbäume fördern die Bildung humusreicher Böden, die Regen und Schmelzwasser besser aufnehmen und speichern als reine Nadelwälder.
Aber Schaden ist ein dehnbarer Begriff mit einer in Jagdkreisen mitunter absonderlichen Auslegung. Eichelhäher würden Schäden „an jagdlichen Einrichtungen“verursachen, argumentieren Salzburger Bezirkshauptmannschaften: „insbesondere bei den Wildfütterungen durch Verunreinigung des vorgelegten Wildfutters, Kot in den Futtertrögen“. Dass Eichelhäher deshalb geschossen werden (dürfen) zeigt, wie sehr Wildfütterungen das ökologischen Gleichgewicht stören (dürfen), vor allem wenn sie nicht nur mit Heu, sondern mit Mais beschickt werden. Für andere ist „generell der Aufenthalt in den besiedelten Bereichen“ein Problem, weshalb die Tötung den Zweck habe, „die Scheu der Tiere zu erhöhen und damit eine Fernhaltung von Siedlungen zu bewirken“. In welch physischer oder psychischer Gefahr befinden sich wohl Menschen in Wien, Oberösterreich, Vorarlberg und der Steiermark, wo der Eichelhäher seit Jahren nicht mehr bejagt wird?
In Niederösterreich und Kärnten rechtfertigen die Behörden den landesweiten Abschuss des „fliegenden Försters“damit, dass im Frühjahr ein Zehntel seiner Nahrung aus Eiern und Jungvögeln besteht. Ein absurdes Argument. Demgemäß müsste man ebenso Eichhörnchen und Siebenschläfer bejagen, auch sie sind Nesträuber. Die betroffenen Singvögel kompensieren den Verlust durch große Gelege und zwei oder drei jährliche Bruten. Jagdbares Federwild wie Wachteln und Rebhühner sind gefährdet durch die Zerstörung ihres Lebensraumes durch intensive Landwirtschaft und das Fehlen ungemähter und ungespritzter Blühstreifen. Das weiß freilich auch die Kärntner Jägerschaft und verteidigt die Eichelhäherbejagung daher „als Symptombekämpfung“, weil die „lebensraumbezogene Ursache kaum beseitigt werden kann“.
Jagdleidenschaft basiert nicht auf rationalen Argumenten, behördliche Vorgaben aber sollten es. Wer die Tötung von Eichelhähern legalisiert (und, wie in Niederösterreich, durch eine unbegrenzte Freigabe de facto propagiert), schwächt eine wichtige Säule der nachhaltigen Waldbewirtschaftung. Auf wessen Veranlassung auch immer die ökonomisch und ökologisch widersinnige Abschussfreigabe von Eichelhähern erfolgt: Sie geht auf Kosten des Waldes und damit der Allgemeinheit. Unsere demokratische Gesellschaft hat Jägern das Privileg gegeben, einer Leidenschaft zu frönen, die das Töten von Tieren beinhaltet, mancher Wildarten ohne vernünftigen Grund. Deshalb muss die Allgemeinheit verlangen, dass Jäger ihre Jagdlust, wenn schon nicht ausschließlich zum Nutzen, so keinesfalls zum Nachteil der Bevölkerung ausleben.