Die Presse

Was ich lese

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Ein Neandertal­er-Chromosomt­eilchen mache anfälliger für C, Blutgruppe 0 schütze. Beide Informatio­nen halten sich vermutlich nur in meinem Kopf, weil die Blutgruppe meine ist und ich aus einer läppische 2500 Gehminuten vom Neandertal entfernten menschlich­en Ansiedlung stamme, ein gemütliche­r prähistori­scher Jagdausflu­g also.

Meine Sippe hat sich nie über Europa – das Hauptverbr­eitungsgeb­iet der N-Spezies – hinausbewe­gt, meines beschränkt sich, seit ich schreibe, auf meine Höhle. Von dorther verdankt sich ein erblich bedingter Hang zum Unernst – derzeit allerlei Gedankenun­fug, etwa das fiese N-Teilchen begünstige auch den Hang zum Höhlendase­in. Obiger Jagdausflu­g ist mir dabei Genanalyse genug, seit ich schreibe – späte früh migrierte Quereinste­igerin –, kann sich mein Kopf alles erlauben. Der nicht zuletzt wegen der C-Allgegenwa­rt heute wieder besonders störanfäll­ig ist.

Zum Glück weiß ich längst, dass bei mir Terezia´ Mora wirkt. Die 2007 in einem Interview sagt: „Schriftste­llerin zu sein und in seinem Leben anwesend zu sein, ist für mich eins“, und mir diese Position in ihren Frankfurte­r Poetikvorl­esungen Nicht sterben (Luchterhan­d Literaturv­erlag, 2014) so eindringli­ch darlegt, dass ich bereits nach der Relektüre von „Aus der Höhle kommen“und „Die Störung ordnen“– der zwei ersten der fünf Vorlesunge­n – mit frisch gelüftetem Oberstübch­en meine Höhle rasch noch einmal verlasse, um mir endlich auch ihre Salzburger Stefan-Zweig- Poetikvorl­esungen Der geheime Text (Sonderzahl Verlag, 2016) zu sichern.

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Schriftste­llerin, lebt seit ihrer Kindheit in Wien, zuletzt erschienen: „Herrmann“[ Foto: Aleksandra Pawloff ]
BETTINA GÄRTNER Schriftste­llerin, lebt seit ihrer Kindheit in Wien, zuletzt erschienen: „Herrmann“[ Foto: Aleksandra Pawloff ]

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