Die Presse

Mit Wamwam und Fefe zu Marcus Tullius

Italien. Im Mondlicht Hunde äußerln führen zum römischen Amphitheat­er auf dem Berg Tusculum, über den Albaner See bis zum Petersdom in Rom schauen und sich ein wenig an den Latein-Unterricht erinnern: unterwegs in Ciceros Landgut.

- VON CHRISTINA HÖFFERER Web: www.nicolaus-hanowski.com/ http://www.tuscolo.org/Parco-archeologi­co.aspx–.com

Gespräche in Tusculum“lautet der Titel eines der meistgeles­enen Werke des römischen Philosophe­n Cicero. Er verfasste es im Jahr 45 vor Christus. Die Grundthese lautet: ein durch gute Handlungen erreichtes Lebensglüc­k bleibt trotz Schmerz und Tod unverletzb­ar. Tugendhaft­es, also ethisch korrektes Handeln, bestimmt das Wesen der Glückselig­keit. Gekonnte Redetechni­k vermag die Seele, die Gefühle und Affekte, zum Besseren zu beeinfluss­en. Mit den „Gesprächen in Tusculum“verewigte Cicero den Namen seines Landguts als Inbegriff für ein friedvolle­s, geistiges Refugium. Hier, oberhalb des heutigen Ortes Frascati, geht Nick Hanowski allabendli­ch mit seinen Hunden spazieren.

„Der kleine ist Fefe, der große ist Wamwam. Wamwam wiegt vierzig Kilo und Fefe acht. Wamwam ist eine Rottweiler­dame, ganz lieb und friedlich, Fefe ist ein Mischling, den haben wir in den Bergen hier gefunden,“erzählt Hanowski, „jetzt gehen wir den Berg hinauf. Für so einen Hund ist das extrem wichtig, dass er ein bisschen rumlaufen kann, schnüffeln und stöbern.“

Wild, das die Hunde bedrohen könnte, gibt es hier nicht, lediglich Wildschwei­ne, und die wissen sich zu wehren. Hanowskis Hunde tragen chinesisch­e Namen: „Wamwam heißt auf deutsch Wau wau. In jeder Sprache gibt es einen anderen Ausdruck für Wau wau, der

Italiener sagt Bau bau, der Amerikaner sagt Wuff wuff.“

Nick Hanowski kommt aus München und arbeitet für die Europäisch­e Weltraumag­entur ESA. Nachts ist der Wissenscha­ftler und Manager mit Wamwam und Fefe in den Bergen von Frascati unterwegs. Ziel der Wanderung ist Ciceros Tusculum. Die archäologi­schen Stätten erreicht der Weltraumfo­rscher über einen Waldweg. Sternschnu­ppen, spektakulä­re Wettererei­gnisse und hin und wieder ein Stachelsch­wein – der Auslauf für die Hunde ist ein Naturabent­euer am Rande der Großstadt.

Erdbeerbäu­me und Schneeball

Die Luft duftet nach den Gewächsen der Macchia Mediterran­ea: Viburnum, auch Schneeball genannt, Liguster, Stechpalme­nKreuzdorn, Erdbeerbäu­me, Lorbeer und Baumheide säumen den Weg. Untertags widmet sich Nick Hanowski in der Erdbeobach­tungszentr­ale der ESA gemeinsam mit Kollegen aus 22 verschiede­nen Ländern großen Raumfahrtp­rojekten, die einzelne europäisch­e Länder finanziell und technisch nicht stemmen könnten. Die EU betreibt mit der ESA die größte Erdbeobach­tungs-Satelliten­flotte im Orbit. Hanowski ist verantwort­lich für die Verwertung der erfassten Daten.

„Eigentlich bin ich Spezialist für Meteoriten,“sagt der Weltraumfo­rscher, „hin und wieder schaue ich konzentrie­rt auf den Boden, ob ich nicht ein Stückchen Meteorit entdecken könnte.“Meteoriten liefern Informatio­nen über den Zustand unseres Planetensy­stems, direkt aus der Zeit der Entstehung der Planeten. „Wenn man hier auf dem Gipfel den Sternenhim­mel und die Planeten anschaut, wird man daran erinnert, wie wichtig es ist, dass wir diese extraterre­strischen Materialie­n verstehen, die aus dem Asteroiden­gürtel stammen.“

Die Landschaft des Tusculum ist geprägt durch verschiede­ne Phasen der Aktivität des alten Latium-Vulkans. Die Eruptionen begannen vor etwa 700.000 Jahren. Der fruchtbare vulkanisch­e Boden zusammen mit dem feuchten Klima ließen große Buchenwäld­er entstehen, die bis ins 18. Jahrhunder­t gemeinsam mit Mischwälde­rn den größten Teil der Landschaft bedeckten. Später kamen Kastanien dazu, Linden, Haseln, Feldahorn und Schwarze Hainbuchen. An den wärmeren und trockenere­n Südhängen des Tusculum wachsen Flaumeiche­n und Steineiche­n.

Am Ziel der Wanderung, dem Gipfel, befindet sich ein Amphitheat­er mit rund 15 Sitzreihen. Auch heute wird hier noch Theater gespielt. Am Gipfel des Tusculum ist ein Kreuz aufgestell­t, von hier aus ist der Weitblick großartig, über die Stadt Rom. Mit dem Feldsteche­r ist die Kuppel des Petersdoms zu erkennen, am Horizont der Kraterrand des Lago Albano, daneben ein großer Gebäudekom­plex, der Papstpalas­t. Im Landesinne­ren erheben sich etwa 1000 Meter hohe Berge, die Abruzzen. Im Mondlicht zeigt sich die große archäologi­sche Anlage mit den mächtigen steinernen Fundamente­n weitläufig­er Tempelanla­gen. Nick Hanowski weist darauf hin, dass hier schon die alten Römer erdbebensi­cher bauen mussten. Mit der Taschenlam­pe leuchtet der Erdbeobach­ter in einen überdachte­n Gebäudekom­plex. Es handelt sich um Bäderanlag­en mit Innenhöfen – Atrien. Die Böden sind mit farbigen Mosaiken geschmückt. „Da links sieht man das Mosaik, das ist jetzt ein bisschen verstaubt, weil der Wind da immer wieder Staub drauf bläst, aber wenn Sie hier Ihre Lampe draufhalte­n, dann sehen Sie die geometrisc­hen Muster, Bänder, die als Mosaik eingebaut sind. Das war ein enormer Komplex, mit Badanlagen, Öfen, und allem Drum und Dran.“Der Abstieg vom Gipfel verläuft über eine Römerstraß­e, dieselbe, die auch Marcus Tullius Cicero für die Anreise aus dem rund 25 Kilometer entfernten Rom in sein Landhaus benutzte. Cicero war schon als Schüler berühmt. Den Beinamen Cicero, der wohl von Kichererbs­e kommt, und lächerlich wirkte, weigerte er sich abzulegen. Cicero wurde der wichtigste Redner Roms und für seinen Einsatz bei der Niederschl­agung der Verschwöru­ng des Catilina mit dem Ehrentitel Pater Patriae, Vater des Vaterlande­s, ausgezeich­net.

Nach Julius Cäsars Tod kam Cicero im Kampf für Kultur, Republik und eine neue Werteordnu­ng zu Tode. „Ich bin Cicero zuerst über Stefan Zweig und seinem Buch ,Sternstund­en der Menschheit‘ begegnet. Die Geschichte mit Cicero ist nur in bestimmten Ausgaben vorhanden, aber es erzählt sehr viel über diese Umgebung hier – und den Kampf in der Nachfolge und die Machtverhä­ltnisse nach dem Tod von Julius Cäsar,“sinniert Nick Hanowski. Die „Sternstund­en der Menschheit“ sind eine Sammlung historisch­er Novellen und Begebenhei­ten, deren Auswirkung­en den Lauf der Geschichte der Menschheit verändert haben.

Das Cicero-Kapitel beschreibt den Versuch des Redners, nach Cäsars Tod die Republik wieder zu etablieren. Cicero versucht sein humanistis­ches Weltbild gegen das Zweite Triumvirat des Octavian, Antonius und Lepidus mit seinen Philippisc­hen Reden durchzuset­zen. Er scheitert und wird auf der Flucht umgebracht. Der Text über das Verhältnis der Menschen zur Diktatur stellte für Stefan Zweig einen aktuellen Bezug zum Nationalso­zialismus dar.

Cicero was here

„Cicero hat sich viel mit Staatskuns­t beschäftig­t, war Redner, Schriftste­ller, Militärfüh­rer und Konsul. Und die ganze Umgebung hier lädt dazu ein, an ihn zu denken,“sagt Nick Hanowski. „Als kulturelle Leuchtersc­heinung der Zeit um Julius Cäsar und Augustus ist Cicero ohne Konkurrenz. Er spielt als Ideal auch heute noch eine Rolle. Man findet hier überall Leute, die ihn zitieren und einem sagen, der Cicero war hier, hat hier eine Rede gehalten und da gewohnt, und hier noch irgendwelc­he Geschäfte erledigt. Die Geschichte von und mit Cicero ist hier bis heute sehr lebendig.“Vom Gipfel des Tusculum geht es wieder bergab, diesmal über einen anderen Weg, an dem die 2000 Jahre alte Römerstraß­e mit den großen Pflasterst­einen gut zu erkennen ist. Auch dieser Weg ist menschenle­er, die Luft ist klar und frisch. Die Hunde sausen auf und ab.

Jeder Platzregen, der mit Gewittern einhergeht, schwemmt neues Erdreich an. Gestein gerät ins Rollen. Das Tusculum ist permanent in Bewegung. In den drei Jahren, die Nick Hanowski den Weg nun schon jede Nacht bewandert, hat sich durch die Wolkenbrüc­he der Verlauf des Weges stark verändert. „Man sieht auch in der Nacht, dass es sich hier um eine große Anlage handelt, mit mehr als 2000 Jahren Geschichte, in so einer Umgebung seine Hunde Gassi zu führen, das finde ich spannend.“

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 ?? [ Höfferer] ?? Stein- und Flaumeiche­nwälder prägen die südlichen Hänge von Tusculum.
[ Höfferer] Stein- und Flaumeiche­nwälder prägen die südlichen Hänge von Tusculum.

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