Mit Wamwam und Fefe zu Marcus Tullius
Italien. Im Mondlicht Hunde äußerln führen zum römischen Amphitheater auf dem Berg Tusculum, über den Albaner See bis zum Petersdom in Rom schauen und sich ein wenig an den Latein-Unterricht erinnern: unterwegs in Ciceros Landgut.
Gespräche in Tusculum“lautet der Titel eines der meistgelesenen Werke des römischen Philosophen Cicero. Er verfasste es im Jahr 45 vor Christus. Die Grundthese lautet: ein durch gute Handlungen erreichtes Lebensglück bleibt trotz Schmerz und Tod unverletzbar. Tugendhaftes, also ethisch korrektes Handeln, bestimmt das Wesen der Glückseligkeit. Gekonnte Redetechnik vermag die Seele, die Gefühle und Affekte, zum Besseren zu beeinflussen. Mit den „Gesprächen in Tusculum“verewigte Cicero den Namen seines Landguts als Inbegriff für ein friedvolles, geistiges Refugium. Hier, oberhalb des heutigen Ortes Frascati, geht Nick Hanowski allabendlich mit seinen Hunden spazieren.
„Der kleine ist Fefe, der große ist Wamwam. Wamwam wiegt vierzig Kilo und Fefe acht. Wamwam ist eine Rottweilerdame, ganz lieb und friedlich, Fefe ist ein Mischling, den haben wir in den Bergen hier gefunden,“erzählt Hanowski, „jetzt gehen wir den Berg hinauf. Für so einen Hund ist das extrem wichtig, dass er ein bisschen rumlaufen kann, schnüffeln und stöbern.“
Wild, das die Hunde bedrohen könnte, gibt es hier nicht, lediglich Wildschweine, und die wissen sich zu wehren. Hanowskis Hunde tragen chinesische Namen: „Wamwam heißt auf deutsch Wau wau. In jeder Sprache gibt es einen anderen Ausdruck für Wau wau, der
Italiener sagt Bau bau, der Amerikaner sagt Wuff wuff.“
Nick Hanowski kommt aus München und arbeitet für die Europäische Weltraumagentur ESA. Nachts ist der Wissenschaftler und Manager mit Wamwam und Fefe in den Bergen von Frascati unterwegs. Ziel der Wanderung ist Ciceros Tusculum. Die archäologischen Stätten erreicht der Weltraumforscher über einen Waldweg. Sternschnuppen, spektakuläre Wetterereignisse und hin und wieder ein Stachelschwein – der Auslauf für die Hunde ist ein Naturabenteuer am Rande der Großstadt.
Erdbeerbäume und Schneeball
Die Luft duftet nach den Gewächsen der Macchia Mediterranea: Viburnum, auch Schneeball genannt, Liguster, StechpalmenKreuzdorn, Erdbeerbäume, Lorbeer und Baumheide säumen den Weg. Untertags widmet sich Nick Hanowski in der Erdbeobachtungszentrale der ESA gemeinsam mit Kollegen aus 22 verschiedenen Ländern großen Raumfahrtprojekten, die einzelne europäische Länder finanziell und technisch nicht stemmen könnten. Die EU betreibt mit der ESA die größte Erdbeobachtungs-Satellitenflotte im Orbit. Hanowski ist verantwortlich für die Verwertung der erfassten Daten.
„Eigentlich bin ich Spezialist für Meteoriten,“sagt der Weltraumforscher, „hin und wieder schaue ich konzentriert auf den Boden, ob ich nicht ein Stückchen Meteorit entdecken könnte.“Meteoriten liefern Informationen über den Zustand unseres Planetensystems, direkt aus der Zeit der Entstehung der Planeten. „Wenn man hier auf dem Gipfel den Sternenhimmel und die Planeten anschaut, wird man daran erinnert, wie wichtig es ist, dass wir diese extraterrestrischen Materialien verstehen, die aus dem Asteroidengürtel stammen.“
Die Landschaft des Tusculum ist geprägt durch verschiedene Phasen der Aktivität des alten Latium-Vulkans. Die Eruptionen begannen vor etwa 700.000 Jahren. Der fruchtbare vulkanische Boden zusammen mit dem feuchten Klima ließen große Buchenwälder entstehen, die bis ins 18. Jahrhundert gemeinsam mit Mischwäldern den größten Teil der Landschaft bedeckten. Später kamen Kastanien dazu, Linden, Haseln, Feldahorn und Schwarze Hainbuchen. An den wärmeren und trockeneren Südhängen des Tusculum wachsen Flaumeichen und Steineichen.
Am Ziel der Wanderung, dem Gipfel, befindet sich ein Amphitheater mit rund 15 Sitzreihen. Auch heute wird hier noch Theater gespielt. Am Gipfel des Tusculum ist ein Kreuz aufgestellt, von hier aus ist der Weitblick großartig, über die Stadt Rom. Mit dem Feldstecher ist die Kuppel des Petersdoms zu erkennen, am Horizont der Kraterrand des Lago Albano, daneben ein großer Gebäudekomplex, der Papstpalast. Im Landesinneren erheben sich etwa 1000 Meter hohe Berge, die Abruzzen. Im Mondlicht zeigt sich die große archäologische Anlage mit den mächtigen steinernen Fundamenten weitläufiger Tempelanlagen. Nick Hanowski weist darauf hin, dass hier schon die alten Römer erdbebensicher bauen mussten. Mit der Taschenlampe leuchtet der Erdbeobachter in einen überdachten Gebäudekomplex. Es handelt sich um Bäderanlagen mit Innenhöfen – Atrien. Die Böden sind mit farbigen Mosaiken geschmückt. „Da links sieht man das Mosaik, das ist jetzt ein bisschen verstaubt, weil der Wind da immer wieder Staub drauf bläst, aber wenn Sie hier Ihre Lampe draufhalten, dann sehen Sie die geometrischen Muster, Bänder, die als Mosaik eingebaut sind. Das war ein enormer Komplex, mit Badanlagen, Öfen, und allem Drum und Dran.“Der Abstieg vom Gipfel verläuft über eine Römerstraße, dieselbe, die auch Marcus Tullius Cicero für die Anreise aus dem rund 25 Kilometer entfernten Rom in sein Landhaus benutzte. Cicero war schon als Schüler berühmt. Den Beinamen Cicero, der wohl von Kichererbse kommt, und lächerlich wirkte, weigerte er sich abzulegen. Cicero wurde der wichtigste Redner Roms und für seinen Einsatz bei der Niederschlagung der Verschwörung des Catilina mit dem Ehrentitel Pater Patriae, Vater des Vaterlandes, ausgezeichnet.
Nach Julius Cäsars Tod kam Cicero im Kampf für Kultur, Republik und eine neue Werteordnung zu Tode. „Ich bin Cicero zuerst über Stefan Zweig und seinem Buch ,Sternstunden der Menschheit‘ begegnet. Die Geschichte mit Cicero ist nur in bestimmten Ausgaben vorhanden, aber es erzählt sehr viel über diese Umgebung hier – und den Kampf in der Nachfolge und die Machtverhältnisse nach dem Tod von Julius Cäsar,“sinniert Nick Hanowski. Die „Sternstunden der Menschheit“ sind eine Sammlung historischer Novellen und Begebenheiten, deren Auswirkungen den Lauf der Geschichte der Menschheit verändert haben.
Das Cicero-Kapitel beschreibt den Versuch des Redners, nach Cäsars Tod die Republik wieder zu etablieren. Cicero versucht sein humanistisches Weltbild gegen das Zweite Triumvirat des Octavian, Antonius und Lepidus mit seinen Philippischen Reden durchzusetzen. Er scheitert und wird auf der Flucht umgebracht. Der Text über das Verhältnis der Menschen zur Diktatur stellte für Stefan Zweig einen aktuellen Bezug zum Nationalsozialismus dar.
Cicero was here
„Cicero hat sich viel mit Staatskunst beschäftigt, war Redner, Schriftsteller, Militärführer und Konsul. Und die ganze Umgebung hier lädt dazu ein, an ihn zu denken,“sagt Nick Hanowski. „Als kulturelle Leuchterscheinung der Zeit um Julius Cäsar und Augustus ist Cicero ohne Konkurrenz. Er spielt als Ideal auch heute noch eine Rolle. Man findet hier überall Leute, die ihn zitieren und einem sagen, der Cicero war hier, hat hier eine Rede gehalten und da gewohnt, und hier noch irgendwelche Geschäfte erledigt. Die Geschichte von und mit Cicero ist hier bis heute sehr lebendig.“Vom Gipfel des Tusculum geht es wieder bergab, diesmal über einen anderen Weg, an dem die 2000 Jahre alte Römerstraße mit den großen Pflastersteinen gut zu erkennen ist. Auch dieser Weg ist menschenleer, die Luft ist klar und frisch. Die Hunde sausen auf und ab.
Jeder Platzregen, der mit Gewittern einhergeht, schwemmt neues Erdreich an. Gestein gerät ins Rollen. Das Tusculum ist permanent in Bewegung. In den drei Jahren, die Nick Hanowski den Weg nun schon jede Nacht bewandert, hat sich durch die Wolkenbrüche der Verlauf des Weges stark verändert. „Man sieht auch in der Nacht, dass es sich hier um eine große Anlage handelt, mit mehr als 2000 Jahren Geschichte, in so einer Umgebung seine Hunde Gassi zu führen, das finde ich spannend.“