Gdynia und Gdansk,´ zwei potenzielle Welterbestätten
Polen. Mehrere Hundert im Stil der Moderne errichtete Gebäude im Zentrum von Gdynia stehen auf der Unesco-Welterbe-Kandidatenliste.
Polens Tor zur Welt: Aufgrund des Friedensvertrages von Versailles wurde Polen 1920 ein Teil der Ostseeküste zugesprochen, aber ohne Danzig – die Hafenstadt erhielt den Status einer freien Stadt. Die polnische Regierung beschloss daher, einen eigenen Kriegshafen zu errichten. Die Wahl fiel auf das kleine Fischerdorf Gdynia in der Danziger Bucht, etwa 20 Kilometer nördlich von Gdan´sk (Danzig). Gdynia sollte Polens neues Tor zur Welt werden und hatte damals gerade einmal 1200 Einwohner.
Der Bau des Kriegs-, Handelsund Fischereihafens sowie einer Eisenbahnstrecke zum Bergbaugebiet im Süden Polens ließen Gdynia dynamisch wachsen. Den ersten Stadtplan entwarfen die Architekten Roman Felin´ski und Adam Kuncewicz – mit Zonen für Wohnen, Verwaltung, Dienstleistungen, Industrie und Freizeit. Wegen des schnellen Wachstums – binnen zwölf Jahren wuchs die Bevölkerung um das Hundertfache – musste der Plan öfter geändert und den Bedürfnissen der Bevölkerung und Wirtschaft angepasst werden. Eine weitere Komponente der Stadtplanung war der Bevölkerungsmix: Viele Neuankömmlinge kamen aus Gebieten des Landes, die Teil des Deutschen, des Russischen oder des Habsburgerreiches waren. Unterschiedlich erzogen, erlernten sie drei verschiedene Sprachen. Zudem stellte auch die soziale Komponente eine Herausforderung dar. Für viele Zuwanderer aus Dörfern und Kleinstädten des wenig industrialisierten Landes war das Leben in einer großen, modernen Stadt eine völlige Umkehrung ihres bisherigen Lebens. Zudem übersiedelten auch Wohlhabende aus ganz Polen in die neue, moderne Stadt an der Küste.
Gdansk´ oder Gdynia?
Viele Architekten nutzten die Chance, an der Errichtung einer neuen Stadt mitzuwirken. Vorrangiges Ziel und gemeinsamer Nenner waren einerseits die soziale und kulturelle Integration aller Bewohner aus den unterschiedlichsten Bevölkerungskreisen und andererseits die Schaffung einer möglichst modernen, fortschrittlichen und weltoffenen Stadt, die den Bedürfnissen der Stadtbewohner bestmöglich entgegenkommen sollte. Im Gegensatz zu gewachsenen Städten mit Stadtkern sowie radial und konzentrisch verlaufenden Straßen wurde Gdynia schachbrettartig angelegt. Die zum Meer führenden Straßen spielen auch heute noch eine besondere Rolle. Die wichtigste davon ist die 10-Lutego-Straße. Als Hauptverbindung zwischen Bahnhof und dem weit in die Danzinger Bucht hinausragenden Südpier symbolisiert sie die Öffnung Polens zum Meer und hinaus in die weite Welt.
Im rechten Winkel zur 10 Lutego verläuft – parallel zur Küste – eine ebenso bedeutende Straße Gdynias: die verkehrsberuhigte S´wie˛tojan´ska-Straße. In ihr reihen sich die in den 1920er- und 1930erJahren errichteten Wohn- und Geschäftsgebäude ganz im Stil und nach den Idealen der Moderne: zweckmäßig und funktionell (Form folgt Funktion), glatte Fassaden, wenige Details, viel Licht und Luft durch abgerundete Baukörper und vorkragende Balkone.
Obwohl sowohl Gdan´sk (Danzig) als auch Gdynia (Gdingen; 1939 bis 1945 als „Gotenhafen“bezeichnet) von Hitler zu Festungen erklärt wurden und somit bis zum Schluss zu verteidigen waren, blieb der überwiegende Teil des Gebäudekomplexes von Gdynia trotz amerikanischer und britischer Luftangriffe auf den Hafen sowie des Artilleriebeschusses der Roten Armee fast unzerstört erhalten.
Während Gdan´sk als „Stadt der Erinnerung und der Freiheit“mit seinen historischen Gebäuden bereits 2005 als potenzielles Welterbe Polens nominiert wurde, zählt Gdynia nun zu den jüngsten Welterbe-Kandidaten Polens.