Relaxen und gruseln im Augarten
Grätzeltour. Was Regisseur Philipp M. Krenn an der Leopoldstadt besonders mag, meidet und fürchtet – und was der Augarten mit dem gepflegten Spuk in der Oper zu tun hat.
Frühstückskaffee Ende Oktober: Suchte man sich früher ein warmes Plätzchen im Cafe´, sitzt man nun ebenso selbstverständlich im Mini-Schanigarten – etwa vor dem Supermari´ in der Leopoldsgasse. Ein Setting, das in Wien dennoch eher an Urlaub in Paris oder Rom denn an Rauchverbot und Corona denken lässt. Auch, wenn sich nebenan die Kundschaft alteingesessener Lokale an ersten Achterln labt.
„Hier im Zweiten mischt sich alles sehr gut“, meint Philipp M. Krenn, der als Regisseur und Coach tätig ist. „Zwar hat sich die Gegend in den letzten Jahren extrem verändert, aber es ist alles echt geblieben.“Er muss es wissen, als Theatermensch, und als Grätzelkenner. „Ich bin im Augarten groß geworden, das hier ist meine Gegend.“Weit mehr als seine eigentliche Heimat Meidling, prägte ihn das Internat der Wiener Sängerknaben, genauer gesagt der Haydnchor – einer von den vier Chören im Gymnasium. „Der war, wenn man es in Harry-Potter-Analogie sagen darf, mein Haus.“
Geplant wurde das Hogwarts der Sängerknaben gegen Ende des 17. Jahrhunderts von Johann Bernhard Fischer von Erlach als Gartenpalais: Ort rauschender Feste, Heimstatt der Kaiserfamilie, Lazarett im Ersten Weltkrieg, Wohnung Kurt Schuschniggs 1934–1936 waren einige seiner Funktionen. 1948 wurde es, nach schweren Kriegsschäden komplett saniert, den Sängerknaben übergeben.
Ob dort die Geister der Vergangenheit spuken? „Da sind nur wir Buben nachts herumgegeistert und haben uns gefürchtet – vor dem Erwischtwerden.“Wirklich gruselig findet Krenn eher verlassene Vergnügungsstätten, wie etwa den Prater bei Nacht und Nebel, „das muss ich nicht haben“. Oder – aus einem ganz anderen Blickwinkel gesehen – die Coronapandemie. „Ein komisches Gefühl, die
Mischung aus Unsicherheit, Katastrophenstimmung, neuen Regeln, Zwängen und Freiheiten.“
Ideenschmiede Augarten
Eine ganz klassische Variante, sich mit schaurigen Geschichten zu befassen, ist das Wiener Kriminalmuseum im „Seifensiederhaus“in der Großen Sperlgasse, einem der ältesten Gebäude der Leopoldstadt. Hier wurde schon zu k. k.-Zeiten ein Polizeimuseum untergebracht, das laufend mit neuen Exponaten bestückt wurde. Diesen Charme hat es heute noch – und viel Wissenswertes zu den abgründigen Seiten der Bezirksgeschichte: Auch der gern als Hipster-Zentrum deklarierte Karmelitermarkt mit BioWaren und bunten Cafe´s war bis 1888 als Ort des Schreckens bekannt. Hier stand das berüchtigte Arbeits- und Zuchthaus.
Krenn sieht den Markt ganz pragmatisch als Nahversorger: „Wenn man weiß, wo, kann man am Samstag gut für die ganze Woche einkaufen.“Mit seiner Frau, „ebenfalls sehr Kaffee-affin“, ist er auch im angrenzenden 9. Bezirk gern unterwegs. „Das Viertel um die Berggasse gehört quasi zu unserem Grätzel dazu.“Weitere Lieblingsorte: Donaukanal, Prater und Augarten. Vor allem letzteren besucht er fast täglich. Mit den beiden Kindern, zu denen sich bald ein drittes gesellen wird, mit Kollegen, um an Projekten zu arbeiten, und allein, zum Spazieren, Meditieren, Nachdenken.
Denn der Augarten, ab 1614 aus einem Garten samt Jagdschlösschen entstanden, hat sich den Charme der strengen Barockanlagen erhalten – gemischt mit buntem Wildwuchs innerhalb der beschnittenen Alleen. „Das ergibt einen wunderbaren Kontrast, einen herrlichen Ort zum Flanieren und Sinnieren.“Hier wurden auch Spuk-Ideen zum Stück „Das Gespenst von Canterville“gewälzt, das derzeit wieder an der Volksoper aufgeführt wird. „Heute geht es, auch mit dem ,trick-or-treat‘ zu Halloween, meist um den Spaßfak
tor. Wer will sich noch wirklich gruseln? Aber mit Spaß allein gibt’s keine Gänsehaut.“